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Radical Austria im Design Museum Den Bosch

Radical Austria, Design Museum Den Bosch

Model mit „Österreich Brille“. Designt für die Austriennale, 14. Triennale di Milano, 1968. © Privatarchiv Hollein

Die 1960er- und 70er-Jahre waren von avantgardistischen Strömungen gekennzeichnet – sogar in Österreich. Es war eine radikale Reaktion auf den konservativen Mief der Nachkriegszeit, dem etwa der Wiener Aktionismus im Bereich moderner Kunst mit aggressiven Tabuverletzungen begegnete. Aber nicht nur in der Kunst, auch in Architektur und Design gab es in dieser Zeit Entwicklungen, die – oftmals mit künstlerischem Anspruch – nach neuen Wegen suchten, Kritik übten und einfach ausbrechen wollten. Hans Hollein, Walter Pichler, Oswald Oberhuber, Roland Goeschl und Bruno Gironcoli traten gemeinsam in der Gruppenausstellung „Super-Design“ in der Galerie nächst St. Stephan auf (1968). Diese fünf Protagonisten kamen aus unterschiedlichen Bereichen und allesamt wollten sie neue Medien entwickeln, das Wesen der Kunst neu definieren und zwar abseits der traditionellen künstlerischen Kategorien.

Die österreichischen Vertreter der gestalterischen Avantgarde mögen international niemals die Bedeutung der Kolleg*innen aus Italien erreicht haben (vor allem im Design), aber in der Rückschau schufen sie doch bahnbrechende, gesellschaftskritische Werke – das meinen zumindest die Kurator*innen der neuen Ausstellung „Radical Austria – Everything is Architecture“, die ab dem 26. Mai im Design Museum Den Bosch (vormals Stedelijk Museum’s-Hertogenbosch, Niederlande) zu sehen sein wird.

Österreich radikal

Kurator Bart Lootsma, der seit über 20 Jahren in Österreich lebt und arbeitet, meint, dass sich österreichische Büros, Gruppen und Einzelpersonen von traditionellen Entwurfsrichtlinien nicht einschränken ließen und Gebäude, Objekte, Mode, Möbel und Performances geschaffen hätten, die heute relevanter denn je seien. Den Beitrag der Österreicher*innen zur internationalen Avantgarde veranschaulicht die Ausstellung unter anderem mit Werken von Coop Himmelb(l)au, Haus-Rucker-Co, Zünd-Up, Walter Pichler, Valie Export, Hans Hollein, Angela Hareiter und Raimund Abraham.

Kritische Experimentierfreude

Was die österreichische Avantgarde so einzigartig machen würde, sei laut Lootsma die Faszination für den Körper und die Tatsache, dass ihre Entwürfe oftmals auch tatsächlich umgesetzt wurden. Von Hans Hollein, dem wichtigsten österreichischen Architekten und einzigen Pritzker-Preisträger des Landes, stammt die Aussage „Alles ist Architektur“. Mit radikalen Aussagen wie dieser gestalteten sie ihre Sichtweise der Welt. Aus der Isolation der Nazizeit heraus entwickelten Architekt*innen, Designer*innen und Künstler*innen einen eigenständigen Mix aus Gesellschafts- und Technologiekritik. Spekulative Designs und Experimente gab es in den Bereichen Kybernetik, Raumfahrt, Drogen, Popkultur, Medien, Geschlechterrollen, Feminismus oder der Umweltproblematik.

Helme der Bewusstseinserweiterung

Der Körper spielt in der Ausstellung „Radical Austria – Everything is Architecture“ eine zentrale Rolle: Sei es in Performances, als Versuchsobjekt, mit dem gnadenlos experimentiert wird und nicht zuletzt als physischer Ausgangs- und Endpunkt von sozialen, technologischen und räumlichen Entwicklungen. Gut zu sehen ist dies bei den Anzügen und Helmen von Coop Himmelb(l)au, in denen der Träger schockierenden Bildern, Gerüchen und Druck ausgesetzt wird. Die Helme und Möbelstücke von Haus-Rucker-Co wiederum stehen im Zeichen einer psychedelischen Bewusstseinserweiterung, während die Helme und Möbel von Walter Pichler die befremdliche Wirkung von Technologie betonen. Mode und Design werden in den Werken von unter anderen Raimund Abraham und Zünd-Up zur Kontroverse sich verändernder Auffassungen von Sexualität.

Die Ausstellungsmacher im Design Museum Den Bosch halten die österreichische Avantgarde für eine der radikalsten der 1960er- und 70er-Jahre. Es seien Vorreiter für Entwicklungen, die heute in den Bereichen Internet und Medien (Virtual Reality) allgegenwärtig sind und wo die Mensch-Technologie-Beziehung im fragwürdigen Zentrum steht. Die Ausstellung „Radical Austria – Everything is Architecture“ wurde von Bart Lootsma unter Mitwirkung von Alexa Baumgartner und Maya Christodoulaki kuratiert und kam in Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck zustande. Die Ausstellung wurde durch die Unterstützung des Prins Bernhard Cultuurfonds, des Stimuleringsfonds Creatieve Industrie, des österreichischen Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport sowie der Stichting Zabawas ermöglicht.

Stream der Ausstellungspräsentation “Radical Austria” im Design Museum Den Bosch

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