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Design ist relevant – 70 Jahre Rat für Formgebung

German Design Graduates 2022

Im April 2022 schlossen sich die Initiative „German Design Graduates“ und die Stiftung Rat für Formgebung als Projektträger zusammen. Ziel ist die Förderung von Absolventen aus Produkt- und Industriedesign und eine engere Zusammenarbeit mit staatlich anerkannten deutschen Hochschulen. Das Bild zeigt die German Design Graduates 2022 am Tag der Ausstellungseröffnung im Kunstgewerbemuseum Dresden. © Rat für Formgebung, Foto: Oliver Killig

Die Stiftung Rat für Formgebung mit Sitz in Frankfurt am Main feiert 2023 ihr 70-jähriges Bestehen. Design in die Wirtschaft bringen – dieser Auftrag stand am Beginn und ist auch heute noch die Kernaufgabe. Dabei sieht sich die Organisation als Partnerin der Unternehmen, um ein Verständnis dafür zu schaffen, dass gute Gestaltung einen Mehrwert und ein zentraler Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg ist. In sieben Jahrzehnten hat der Rat vieles erreicht und weltweit Initiativen und Formate ins Leben gerufen. Lutz Dietzold ist seit 2002 Geschäftsführer des Rat für Formgebung. Er erzählt im FORMFAKTOR-Interview, was im Jahr 1953 den Ausschlag für die Gründung des Rats gab. Denn das war ganz und gar nicht selbstverständlich und mit Sicherheit ein Glücksfall.

„Deutsche Unternehmen waren nach dem Zweiten Weltkrieg zwar auf internationalen Messen vertreten, dort aber nicht sehr erfolgreich, weil die Produkte schlecht gestaltet waren. Das hat zu einer großen Debatte geführt und dazu, dass sich der Deutsche Bundestag erstmalig und ich möchte behaupten, es war seither auch das einzige Mal, mit dem Thema Design, damals Formgebung, beschäftigt hat“, sagt Dietzold. „Es war eine Initiative, die von der SPD-Fraktion ausging. Man wollte auf der einen Seite die Unternehmen unterstützen, um besser gestaltete Produkte auf den Markt zu bringen und dadurch wirtschaftlich erfolgreicher zu sein, aber auf der anderen Seite auch die Verbraucher für gute Gestaltung sensibilisieren. Das heißt, man hatte sowohl die Angebots- als auch Nachfrageseite im Blick. Und das führte vor 70 Jahren zur Gründung des Rat für Formgebung.“

Lutz Dietzold ist seit 2002 Geschäftsführer des Rat für Formgebung. Foto © Lutz Sternstein

Internationaler Wettbewerb

Wichtige Momente in der Geschichte des Rat für Formgebung waren zum Beispiel im Jahr 1954 die offizielle deutsche Beteiligung an der Triennale in Mailand. „Das deutsche Design konnte historisch an das Bauhaus und den Deutschen Werkbund anknüpfen, mit einer starken Industrial Design-Note. Gerade auch die Ingenieurskomponente zeichnete deutsches Design immer aus, denken Sie nur an die Autobranche. Es war ein wichtiger Punkt, sich dem internationalen Wettbewerb erfolgreich zu stellen“, betont Dietzold.

Mit dem Bundespreis „Gute Form“ wurde ein öffentlichkeitswirksames Werkzeug entwickelt, um den Stellenwert von Design zu verdeutlichen. „Dabei wurden beispielhaft und immer branchenübergreifend gut gestaltete Produkte ausgezeichnet. Das ist ganz wichtig, dass wir immer in alle Branchen geblickt haben“, meint Dietzold. Wichtig war auch, dass sich der Rat stets als Mitgliederorganisation begriffen hat. „Mittlerweile haben wir 350 Mitgliedsunternehmen. Damit sind wir weltweit einmalig als an der Industrie orientierte Organisation. Denn unsere Mitglieder sind hauptsächlich produzierende Unternehmen“, berichtet Dietzold.

Mit den Jahren nahmen die Initiativen auf internationaler Bühne zu. 1989 etwa fand im Rahmen der World Design Exhibition Nagova in Japan die Ausstellung „Design in Germany“ statt. Der englische Name German Design Award steht seit mehr als 20 Jahren für einen Designwettbewerb mit internationalem Charakter. Er zählt ohne Zweifel zu den weltweit wichtigsten Designpreisen. Ein derartiges Qualitätsprädikat aufzubauen, verlangt nach Konsequenz und bedingungslosen Qualitätsansprüchen. „Dabei setzen wir mit einem mehrstufigen Prozess an: Zunächst nominieren wir Produkte, Projekte oder Dienstleistungen. Das heißt, man kann sich nicht selbst anmelden, sondern wir haben Scouting Teams, die weltweit nach herausragenden Leistungen suchen und diese nominieren. Dann natürlich die Jury, die gerade bei einem internationalen und so breit aufgestellten Wettbewerb ganz wichtig ist“, erläutert Dietzold, dem die internationale Ausrichtung ein besonderes Anliegen ist, was sich zum Beispiel im Aufbau einer Tochtergesellschaft in China zeigt. Ein zweites Augenmerk liegt auf dem Designnachwuchs. Im Jahr 2017 schrieb der Rat für Formgebung erstmals den internationalen Nachwuchswettbewerb ein&zwanzig (heute: „one&twenty) aus. Damit unterstützt der Rat direkt den kreativen Nachwuchs. Eine vom Standpunkt der Designschaffenden aus lobenswerte Einrichtung. Und nur folgerichtig, immerhin sind junge Designtalente die Zukunft der Branche und damit auch der Wirtschaft.

Design als Erfolgsfaktor

Diskussionsformate sind ebenfalls Teil der 70-jährigen Geschichte des Rats: So fand 2003 die 1. Deutsche Designdebatte in der Frankfurter Paulskirche statt. Oder 2009 der erste Deutsche Marken- und Designkongress in Dresden. Der Rat für Formgebung hat viel erreicht, vor allem im Hinblick darauf, das Bewusstsein entscheidend zu stärken, dass Design einen maßgeblichen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg hat. Lutz Dietzold meint, es gebe immer Luft nach oben, aber vor allem die vielen mittelständischen Mitgliedsunternehmen würden seit Jahren die Themen Design und Branding implementieren. „Dazu kommen natürlich neue Faktoren wie Nachhaltigkeit. Wobei wir sagen, gutes Design ist nachhaltig. Denn einen Thonet-Stuhl zum Beispiel wird man nie wegschmeißen. Design ist auch immer in seiner kulturellen Dimension zu verstehen und wie es in die Unternehmenskulturen einfließt. Das ist sicher einer der großen Erfolgsfaktoren“, glaubt Dietzold. Es brauche auf jeden Fall immer einen Treiber. Bei mittelständischen Unternehmen sei dies oft der Eigentümer, bei größeren Firmen würden vielfach eigene Designabteilungen für die Forcierung dieses Themas sorgen.

1. Deutsche Designdebatte in der Frankfurter Paulskirche, 2003. Die Sprecher der Debatte v. l. n. r.: Peter Schreyer, Erik Spiekermann, Helmut Lübke, Bazon Brock, Andrej Kupetz, Herbert H. Schultes., Dieter Rams, Rolf Fehlbaum und Konstantin Grcic. © Archiv des Rat für Formgebung

In Zukunft wird der branchenübergreifende Austausch noch wichtiger werden, ist sich Dietzold sicher. Man habe sich bereits dem Kommunikationsdesign geöffnet, dem Branding oder dem weiten Feld der Innovation. „Man muss wirklich über die Disziplinen hinweg schauen. Zum Beispiel beim Thema Digitalisierung. Auf jeden Fall müssen wir die Menschen mitnehmen. Wenn ich eine Akzeptanz für neue Themen, für Verhaltensänderungen erreichen möchte, dann ist der geeignete Hebel das Design – natürlich. Neues muss gestaltet werden und auch die Akzeptanz kann mitgestaltet werden. Wenn ich möchte, dass die Menschen mehr öffentlichen Verkehr nutzen, dann müssen sich die Angebote ändern, damit sie akzeptiert werden. Das eine ist die rationale Ebene, das andere die emotionale Ebene und auf der spielt Gestaltung eine große Rolle“, sagt Lutz Dietzold zum Abschluss.

Zum 70-jährigen Bestehen lädt der Rat für Formgebung am Donnerstag, dem 22. Juni 2023, zur international besetzten Veranstaltung „Creating Community. Dritte deutsche Designdebatte“ in die Frankfurter Paulskirche ein. Mit der Veranstaltung werden Kollaborationen und interdisziplinäre Vernetzung, die für Designprozesse eine immer wichtigere Rolle spielen, gewürdigt.


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