Der tschechische Glasspezialist Lasvit erreicht in der Kreation außergewöhnlicher Beleuchtungsobjekte immer wieder neue Höhen. Ausschlaggebend dafür ist die lange Tradition der Glasherstellung in Böhmen, die das Unternehmen hochhält und weiterentwickelt. Über 3000 maßgeschneiderte Installationen in weltberühmten Hotels, Kulturinstitutionen oder privaten Domizilen sind im Lauf der Zeit zusammengekommen. Die Basis für den Erfolg bilden enorm talentierte Handwerker, die wahre Künstler ihres Fachs sind und das engagierte Designteam unter der Leitung von Maxim Velčovský. Erfrischende Ideen werden durch intensives Experimentieren und mithilfe modernster Technologie in bezaubernde Objekte verwandelt. Jüngstes Beispiel ist die Entwicklung einer speziellen Schmelzglastechnologie, die die Produktion strukturierter Glasoberflächen in enormen Größen erlaubt.
Erstmals wurde das neue Verfahren mit der Installation „Re/Creation“ während der diesjährigen Mailänder Designwoche im Palazzo Isimbardi präsentiert. Riesige frei stehende Glasflächen waren im Innenhof aufgebaut, die – Kathedralen gleich – von der Fähigkeit Lasvits im Bereich handwerklicher Glasfassaden zeugten. Das monumentale Werk gab einen ersten Einblick in die Möglichkeiten beliebige Strukturen auf große Glasflächen zu applizieren und damit für architektonische Projekte neue kreative Türen zu öffnen.
FORMFAKTOR traf Maxim Velčovský, der seit 2011 bei Lasvit die Rolle des Kreativdirektors ausfüllt, in Mailand. Im Gespräch erläuterte er die neue Technologie und betonte, dass Experimente ein natürlicher Teil des Arbeitsprozesses seines Teams seien.
FORMFAKTOR: Sie präsentieren das neue Schmelzglas hier zum ersten Mal. Was ist das Besondere daran und wie lange hat der Entwicklungsprozess gedauert?
Maxim Velčovský: Vor fünf Jahren haben wir mit der Entwicklung des Schmelzglases begonnen. Die größte Herausforderung dabei war, die Aspekte der Handwerkskunst in den Bereich des industriell produzierten Glases zu bringen. Normalerweise wird Flachglas nur industriell hergestellt. Wir dachten darüber nach, wie wir Strukturen in diese Art des Glases bringen könnten. Bisher war das unmöglich, weil es sehr schwer ist, all die verschiedenen Anforderungen zu erfüllen bzw. auf einen Nenner zu bringen: Handwerk, Technologie, physikalische Bedingungen und die Sicherheit. Schließlich haben wir es aber geschafft, die größten Glasflächen, die es in Europa gibt, herzustellen. Sie sind 6 x 3 Meter groß. Um das Ganze hier zu präsentieren, mussten viele technische Dinge berücksichtigt werden, wie zum Beispiel das Gewicht, denn die Glasflächen bestehen aus drei Schichten – wie eine Art Sandwich.
FORMFAKTOR: Es kam also vor allem auf die Performance des Glases an?
Maxim Velčovský: Ja sicher. Wenn Sie das Glas berühren, können Sie die Struktur fühlen. Dieses Glas ist wie eine Leinwand, die man bemalt. Wir verwendeten beispielsweise Strukturroller, wie man sie in den 50er- und 60er-Jahren benutzte, um Wände zu streichen und versahen das Glas mit verschiedenen Mustern. Es ist wie an einem Strand. Man zeichnet ein Muster in den Sand und platziert eine riesige Glasplatte darüber. Dadurch bleibt die Struktur im Glas. Das eröffnet natürlich viele verschiedene Wege, mit dem Glas zu spielen. So wird Glas zu einem kreativen Spielplatz, auf dem alle Wünsche von Interieurdesignern wahr werden.
FORMFAKTOR: Forschung und Entwicklung scheint bei Lasvit enorm wichtig zu sein?
Maxim Velčovský: Absolut. Derzeit arbeiten wir gemeinsam mit Wissenschaftlern an einer neuen Generation von Polymeren, die dazu dienen, Glasflächen zu kleben. Das ist eine große Herausforderung, denn die Polymere müssen das Glas ohne irgendwelche Defekte oder Bläschen verbinden können.
FORMFAKTOR: Sie sagten zu Beginn, dass es auf die Verbindung von industrieller Produktion und Handwerk ankommt. Wo liegt denn der Fokus von Lasvit? Glas spielt sicher die Hauptrolle.
Maxim Velčovský: Unser Hauptfokus liegt auf geblasenem Glas, aber wir produzieren auch Architekturglas und Glas für Kunstinstallationen. Wir lieben es, für verschiedene Zugänge und Aufgaben offen zu sein. Andere Firmen haben sich spezialisiert, wie zum Beispiel Swarovski oder Baccarat. Sie sind großartig, indem was sie tun, aber wir gehen lieber experimentellere Wege im Hinblick auf neue Herstellungsmethoden.
FORMFAKTOR: Lasvit arbeitet sowohl mit externen Designern zusammen, hat aber auch ein sehr engagiertes Inhouse-Designteam …
Maxim Velčovský: … Ich glaube, das ist eine gute Kombination. Wir haben rund 20 Inhouse-Designer, die auch auf externe Designer reagieren. Ein Beispiel: Oft kommen Klienten zu uns, die eigene Designer oder Architekten mitbringen. Diese machen eine Skizze ihrer Ideen, aber wären niemals fähig, es auch technisch umzusetzen und ein Endprodukt daraus zu machen. Unsere Inhouse-Designer haben diese Fähigkeit.
FORMFAKTOR: Aber sie kreieren auch eigene Produkte, verfolgen eigene Projekte, wie zum Beispiel das wundervolle „Bois de Cristal“ von Maria Culenova.
Maxim Velčovský: Die Herausforderung für Maria war, die Materialien Formsperrholz, Kupfer und Struktur-Schmelzglas zu verbinden. Sie musste einerseits das Holz biegen und gleichzeitig das Glas formen. Beides musste so aufeinander abgestimmt werden, dass sich die beiden Formen an einem gewissen Punkt treffen konnten. Maria ist hier etwas gelungen, das Räume wirklich verwandeln kann.
FORMFAKTOR: Das zweite Hauptthema bei Lasvit ist das Licht. Die Lichttechnologie hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt. Wie halten Sie da Schritt?
Maxim Velčovský: Wir haben eigene Ingenieure und Lichtspezialisten, die ständig im Auge haben, was sich auf diesem Sektor tut. Natürlich hat die LED sehr viel verändert. Vor 20 Jahren arbeiteten wir alle mit großen Glühbirnen. Heute gibt es sogar Smartphones und Smart Homes, wo überall Licht eine Rolle spielt. Die Systeme entwickeln sich schnell und wir müssen ein Teil davon sein. Unser Team achtet auf alle Neuerungen, die am Markt auftauchen und herausstechen.
FORMFAKTOR: Auch die LED selbst entwickelt sich immer weiter …
Maxim Velčovský: … früher hatte man eine Glühbirne und gestaltete das Design drumherum. Nun haben wir flache LEDs und das Design hat sich dementsprechend geändert sowie auch die Steuerungssysteme.
FORMFAKTOR: Was bedeutet für Sie gute Beleuchtung?
Maxim Velčovský: Ich glaube, die Aufgabe von Lasvit ist es, eine neue Dimension in die Beleuchtung zu bringen. Wenn es um funktionelle, Performance-starke Beleuchtung geht, werden wir nicht der richtige Ansprechpartner sein. Das können Firmen wie Flos, Foscarini oder deutsche Firmen besser. Wir hingegen folgen unserem Erbe. Tschechien war Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie und hat eine lange Tradition in der Herstellung von böhmischem Glas. Viele der Kronleuchter in den Palästen kommen aus Böhmen (oder aus Frankreich). Wir wollen dieses Erbe bewahren und gleichzeitig weitertragen. Dabei spielt auch unsere Vorliebe für Experimente eine Rolle. Lasvit bringt eine neue Dimension – einen eher künstlerischen Ansatz – in die Welt des Lichts. Es geht um die Schönheit des Glases, das die Lichtquelle umgibt.
FORMFAKTOR: Welche Rolle spielt Intuition im Designprozess?
Maxim Velčovský: Intuition ist sehr wichtig, vor allem wenn man viel experimentiert. Denn ein Experiment wird oft durch eine Intuition des Designers in die Wege geleitet. Als Kunstprofessor an der Akademie habe ich die Studenten immer wieder nach neuen Ideen gefragt. Die entwickeln sie aber nicht mehr mithilfe einer Skizze, sondern mit Moodboards, die viel wichtiger geworden sind als Skizzen. Man kann Ideen aber nur finden, wenn man zeichnet. Deine Gedanken fließen in Deine Hand und das kann Dich zu unbekannten Orten führen. Es führt aber immer zu Lösungen. Und in diesem Prozess spielt Intuition eine entscheidende Rolle.
FORMFAKTOR: Der Designprozess beginnt für Sie also immer mit einer handgezeichneten Skizze?
Maxim Velčovský: Ja, immer. Vor dem 3D-Rendering kommt immer die Skizze. Weil das der schnellste Weg ist, eine Lösung zu finden. Ich mache also eine Skizze und meine Assistenten machen daraus ein 3D-Modell. Erst an diesem Modell erkennt man dann, wenn etwas nicht funktioniert oder ob es zu kompliziert ist und so weiter.
Danke für das Gespräch!
Nach Abschluss seines Studiums an der Akademie der Künste in Prag war Maxim Velčovský 2002 Mitbegründer des Designstudios Qubus. Er nahm an über neunzig Gemeinschaftsausstellungen teil und seine Werke finden sich in den Sammlungen des Victoria & Albert Museums in London, der Neuen Pinakothek in München, des Museums für Kunst und Design in Prag oder des Designmuseums in Lausanne. 2007 gewann er die Auszeichnung Tschechischer Designer des Jahres. 2011 wurde Velčovský, der gleichzeitig auch das Atelier für Keramik und Porzellan der Akademie der Künste, Architektur und Design in Prag leitete, Art Director von Lasvit.