Am 20. Jänner 2024 wird die europäische Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut 2024 offiziell eröffnet. Das Jahresprogramm hält zahlreiche Veranstaltungen und Projekte bereit, die unter den Vorzeichen „Kunst und Kultur“ zum Dialog und zur Begegnung einladen. Das Salzkammergut ist eine ländliche alpine Region, die zu den beliebtesten Tourismusdestinationen Österreichs zählt. Zwischen den Bergen und an den Seen liegen viele kleine Gemeinden, in denen mittlere bis kleine Hotels und Pensionen ihre Dienste anbieten. Auf diese kleinteilige Beherbergungsstruktur nimmt ein Projekt des Designstudios Lucy.D mit dem Titel „Zimmer mit Aussicht“ Bezug. Es steht in dem größeren Zusammenhang der Fragen über die Zukunft des Tourismus im Alpenraum, die im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres gestellt werden.
Lucy.D, Barbara Ambrosz und Karin Santorso (Wien, Steyr), entwickelten ein Konzept der Aufwertung bestehender Unterkünfte. Dabei werden neue Designs (Einrichtungsgegenstände) entwickelt, die aber in der lokalen Tradition verwurzelt sind und von Betrieben der Region produziert werden. „Wir wollten nicht etwas komplett Neues kreieren, sondern den Bestand aufwerten. Für dieses Projekt gibt es drei Säulen: Das sind die Unterkünfte, die wir ausgewählt haben, die Handwerksthemen des Salzkammerguts und die Handwerker“, erläutert Santorso. In den acht ausgewählten Betrieben in unterschiedlichen Gemeinden zwischen Pettenbach und Bad Mitterndorf wird jeweils ein Zimmer nach dem Konzept von Lucy.D umgestaltet. Dabei wird Vorhandenes, sofern es qualitativ hochwertig und in der örtlichen Tradition verwurzelt ist, erhalten und mit neuen Designs ergänzt.
Die Herangehensweise der Designerinnen war thematisch: Holz, Textilien, Pflanzen, Tiere und Mineralien der Region wurden näher untersucht und als Grundlage bzw. Inspiration für die neuen Gestaltungen herangezogen. Dazu haben Ambrosz und Santorso drei weitere Design- bzw. Architekturstudios eingeladen, die sich jeweils mit einem Thema befassen. Das sind KIM+HEEP, das Pariser Architekturbüro inFABric und das Wiener Designstudio mischer’traxler. Diese geballte Designkompetenz soll für neuen Wind in der alteingesessenen Tourismusbranche des Salzkammerguts sorgen.
Ein Katalog von Objekten
Die Designs der vier Kreativstudios werden in den Zimmern kombiniert. Das heißt, jedes neue Stück soll in jedem der Zimmer vorkommen. „Die Themen Holz und Textilien machen wir selbst, um die Pflanzenwelt kümmern sich KIM+HEEP, die Tierwelt machen mischer’traxler und für die Mineralien sind inFABric zuständig“, sagt Santorso. Das Konzept von Lucy.D sieht also nicht vor, dass ein Büro ein Zimmer gestaltet, sondern es entsteht eine Art Katalog mit Objekten. Zudem haben die Designerinnen eine Farbpalette mit „Salzkammergut-Farben“ erstellt, es gibt eine Salzkammergut-Tapete, Teppiche und Vorhangstoffe.
Von Holz und Gras
Im Thema Holz spielt die spezielle Technik des Brettschnitts eine wichtige Rolle. „Die klassischen Zierbretter, wie sie im Gosau-Gebiet genannt werden, wurden für Balustraden, für Fassaden verwendet. Wir setzen sie nun indoor ein und machen eine Möbelkollektion daraus“, erklärt Santorso. Aus der Pflanzenwelt kommt das „Rasch“. Das ist ein besonderes Gras, das im Sumpf-Waldgebiet wächst – in Buchberg am Attersee. Früher wurde es dazu verwendet, um Matratzen zu stopfen oder Häuser zu dämmen. „Übrig geblieben sind heute die Rasch-Patschen. Es gibt Damen, die dieses Handwerk noch beherrschen. Wir haben für unser Projekt das Rasch selbst gezupft, getrocknet und jetzt haben wir hoffentlich so viel, dass es reicht. Aus dem Rasch und Japanpapier werden KIM+HEEP eine Lampe gestalten.
Das dritte Thema ist die Textilwelt: Trachten, Stoffdruck, Stickereien – also alles, was im Salzkammergut sehr präsent ist. „Wir arbeiten dafür mit unserem oberösterreichischen Partner Vieböck-Leinen zusammen, dessen Stoffe wir verwenden. Dort werden Leinenstoffe, Leinen-Hanf-Stoffe in unterschiedlichsten Qualitäten und für verschiedenste Zwecke gewebt. Wir verwenden diese Stoffe für ein Betthaupt, das flexibel angepasst werden kann. Es soll dieses Zimmer-Konzept sozusagen repräsentieren“, betont Santorso. mischer’traxler wird ein Spiegelobjekt kreieren, das von der Tierwelt im Salzkammergut beeinflusst ist und inFABric ließen sich für ihr „Trinkritual“ aus Glas und Stein vom regionalen Salz bzw. Gestein, aus dem es gewonnen wird, inspirieren..
Handwerk aus der Region
Der Prozess des Findens der richtigen Unterkünfte erfolgte stufenweise und gipfelte in vier Salzkammergut-Touren, die die beteiligten Designer unternahmen, um die infrage kommenden Betriebe zu besuchen. Außerdem werden lokale Handwerksbetriebe eingebunden. Mit dabei ist zum Beispiel Trewit aus Scharnstein – das Unternehmen wird Bänke und Fauteuils fertigen -, Drucke von Mautner aus Altaussee, die Handweberei Sickinger aus Bad Ischl sowie die Tapetenspezialisten von Blut & Blume, die eine eigene Salzkammergut-Tapete kreiert haben. Der Kontakt zu den Salinen Austria, die sehr kooperativ waren und viele Materialien und Infos zur Verfügung gestellt haben, war in der Recherche äußerst hilfreich, wie Santorso berichtet.
Reise durchs Salzkammergut
Für Karin Santorso soll das gesamte Gebiet des Salzkammerguts erfahrbar gemacht werden. Dazu trägt auch das Projekt „Zimmer mit Aussicht“ bei. Sie wünscht sich: „Man soll – im Idealfall – eine Reise durch das Salzkammergut machen und immer wieder in diesen Zimmern nächtigen. Es ist ein dezentrales Hotelkonzept.“ Ein Konzept, das jedoch nicht auf das Kulturhauptstadtjahr beschränkt bleiben soll. Es gab bereits Gespräche mit Oberösterreich Tourismus, wo das Konzept von Lucy.D sehr gut angekommen ist und es Überlegungen gibt, es auszubauen.