Eine Marktposition wie diese, haben nur wenige Marken in ihrem Segment. Der Name Miele steht für kontinuierliche Zuverlässigkeit in der Produktqualität und Kompetenz bei technologischen Innovationen. Diese Dualität steigert den Komfort des Gerätehandlings Jahr für Jahr und sichert dem Gütersloher Hersteller die Marktführerschaft im Premiumbereich. 2019 feiert das Familienunternehmen seinen 120. Geburtstag. Der Weg von 1899 – als Carl Miele und Reinhard Zinkann den Grundstein legten – bis heute, war von wichtigen Entscheidungen geprägt, die sich als goldrichtig erwiesen und zu langfristigem Erfolg geführt haben. Im formfaktor-Exklusivinterview spricht Urenkel Markus Miele darüber, warum Premium eigentlich gar nicht so teuer ist und die Zukunft des Onlinehandels.
formfaktor: Gab es im Lauf der 120-jährigen Geschichte von Miele Zeitpunkte, wo Sie im Rückblick sagen würden, „Ja, da haben wir die richtige Entscheidung getroffen – die langfristig den Erfolg sicherte“?
Dr. Markus Miele: Was wir in die Wiege gelegt bekommen haben, das war sehr hilfreich. Als Carl Miele die Idee hatte, diese Buttermaschine zu verbessern, da hat er gleich mit Reinhard Zinkann die beiden Worte „Immer Besser“ draufgeschrieben. Er hat gesagt, die soll länger haltbar sein, ich brauche aber auch einen höheren Preis. Dieses Thema Premium ist bei uns also mit in die Wiege gelegt worden. Aber es gab immer wieder in der Folge, Entscheidungen, die das Ganze in die richtige Richtung gebracht haben. Wir haben zum Beispiel zwischen 1912 und 14 Autos produziert. 143 gebaut, 125 verkauft – und dann war die Frage, macht man mit Autos weiter: ja – nein. Damals war man schon erfolgreicher mit Waschmaschinen und hat dann gesagt, wir bleiben bei Waschmaschinen, wir haben nicht die Kapazität, beides zu finanzieren. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, ist das eine gute Entscheidung gewesen, weil wenn wir eine Automobilmarke geworden wären, wüsste ich nicht, ob wir heute noch unabhängig wären, oder nur eine Marke von vielen. So gibt es immer wieder in der Historie Entscheidungen, wo ich heute sage, das ist glücklich gewesen. In der Generation meines Vaters und Peter Zinkann wurden lange Fahrräder und Motorräder gebaut. Sie haben dann in den 1960ern mit den Fahrrädern aufgehört. Wir brauchten die Kapazität in Bielefeld für die Geschirrspüler, die boomten. Das war auch eine richtige Entscheidung, weil ich glaube, dass wir damit erfolgreicher gewesen sind. Man muss auch bei manchen Dingen Nein sagen oder sagen, das machen wir jetzt nicht mehr.
formfaktor: Wo haben Sie Nein gesagt?
Markus Miele: Denken darf man immer. Das ist immer gut. Es ist ja die Frage, was erwartet man in der Zukunft. Ist es etwas, dass dann tatsächlich auch einschlägt, boomt und ein ganz tolles Produkt ist. Da gab es gute aber auch schlechte Dinge. Wir haben zum Beispiel Müllkompaktoren, also Müllpressen gemacht, weil in Europa Müll nach Volumen bezahlt wird. Man hat eine Tonne und da kommt alles rein. Die Idee war also, man presst das, dann wird es zwar schwerer, aber das Volumen bleibt gleich. Das ist aber von der Gesetzgebung verboten worden. Wir haben also Geräte gebaut, die dann verboten wurden. Okay – kann passieren. Wir haben auch schon mal Baureihen auf den Markt gebracht, die nicht so erfolgreich waren. Ich kann mich an eine Staubsauger-Baureihe erinnern, die nicht erfolgreich war. Aber dann denke ich auch immer, wenn man es nicht versucht, dann weiß man nicht, was herauskommt. Manchmal muss man eben auch Dinge ausprobieren, die dann nicht funktionieren. Das ist trotz intensiver Marktforschung und Testhaushalten nicht zu verhindern. Manchmal ist man auch überrascht über Dinge, die besser laufen, als gedacht und manchmal eben darüber, dass sie nicht laufen, obwohl man das vorher angenommen hatte.
formfaktor: Inwiefern unterscheiden sich Entscheidungen in einem Familienunternehmen wie Miele von Konzernentscheidungen, weil, wie sie einmal gesagt haben, geht es bei einem Familienunternehmen um das eigene Geld?
Markus Miele: Wir müssen langfristig denken. Das heißt, wir müssen heute schon nachdenken, was passiert in 10 oder 15 Jahren. Bei uns ist immer die Frage: Bringt uns das in eine bessere Position, wenn wir dieses Projekt, dieses Produkt jetzt machen. Man fragt sich, müssen wir jetzt diesen Aufwand wirklich betreiben, oder könnte man das nicht einfacher machen, können wir da nicht eine Abkürzung nehmen. Solche Fragen stellt man sich immer wieder, weil es sich eben um das eigene Geld handelt. Inzwischen sind das Gedanken, die auch unsere Kollegen in der Geschäftsführung mit inhaliert haben. Es ist jetzt nicht so, dass Reinhard Zinkann und ich da stehen und sagen, so, das ist unser eigenes Geld, sondern die anderen sehen das ja genauso. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten macht das jeder. Ich denke auch, es kommt ja kein Kunde in einen Laden und sagt, ich möchte ein Produkt von einem Familienunternehmen kaufen, sondern die wollen einfach ein gutes Produkt haben, das ein gewisses Preis-Leistungs-Verhältnis mitbringt. Das Thema Familienunternehmen ist eher relevant, bei der Frage, wie guck ich in die Zukunft, was erlaube ich mir an Investitionen für die Zukunft. Da unterscheiden wir uns, glaube ich, ein bisschen.
formfaktor: Welche Bedeutung hat Design bei Miele? Wie sieht die Gewichtung aus zwischen Entwicklung, Technik und Design?
Markus Miele: Design wird natürlich immer wichtiger, weil die Küchen weltweit immer mehr mit dem Wohnzimmer oder Esszimmer zusammenwachsen. Die Amerikaner sagen „Grand Room Concept“ und meinen eine große Fläche, wo ich koche, aber mich auch sonst aufhalte, Hausaufgaben mache, Wein trinke usw. Je wohnlicher das Ganze werden soll, desto höher sind die Anforderungen ans Design. Heute haben wir Geräte wie beispielsweise ArtLine mit grifflosen Geräten oder Geräte, die hinter Möbelfronten versteckt werden. Das heißt, das Design im Küchenumfeld ist viel wichtiger geworden. Bei der Waschmaschine geht es eher um Bedienbarkeit. Also wie gut, wie schnell kann ich sie bedienen, verstehe ich das intuitiv. Heutzutage wird bei der Formgestaltung auch schon darüber nachgedacht, wie entsprechende Linienfluchten aussehen sollen. Da nutzen wir die gleichen Werkzeuge wie im Automobilbau, vom CAD angefangen, um entsprechend gute Designlösungen zu finden. Aber die klassische Küche mit Edelstahl, die gibt es immer noch und ist nach wie vor wichtig. Design hat auch insofern Bedeutung, weil das User-Interface immer mehr von einer Smartphone-ähnlichen Bedienung abgelöst wird. Die Geräte haben mehr Einstellungsoptionen und die Kunden sind vom Smartphone her ans Tippen und Wischen gewöhnt und das möchten sie auch gerne in der Küche haben. Und da geht es natürlich um gutes Design und Bedienbarkeit.
formfaktor: Viele Geräte sind heutzutage mit dem Internet verbunden. Das bringt das Thema Sicherheit aufs Tapet. Können eine Miele Waschmaschine oder ein Miele Geschirrspüler gehackt werden?
Markus Miele: Theoretisch kann das passieren. Auf jeden Fall. Wir hatten vor zwei Jahren den Fall im Bereich Professional bei Desinfektion und Sterilisation für Krankenhäuser, wo Geräte ins Netzwerk des Krankenhauses eingebunden sind. Da hatten wir tatsächlich ein Problem bei einer Webserver-Applikation. Wir haben dass dann durch ein Update gelöst. Aber wir sind dadurch ein gebranntes Kind. Wenn man mit IT-Spezialisten spricht, ist das Ganze immer so eine Art Wettlauf. Je besser die Geräte werden, je mehr Rechenkapazität ich habe, desto höher sind die Anforderungen an die Sicherheitsmechanismen. Da haben wir inzwischen nicht nur eine eigene kleine Abteilung, sondern wir werden auch von externen Experten zertifiziert, die uns danach beurteilen, wie gut unsere Geräte abgesichert sind. Weil natürlich die eigenen Geräte nur Sie selber bedienen können sollen.
formfaktor: Welche Bedeutung und Besonderheiten hat der österreichische Markt für Miele?
Markus Miele: Österreich ist ein sehr wichtiger Markt. Wenn ich mir den Umsatz pro Einwohner anschaue, dann sind die Österreicher vor den Deutschen. Deswegen werde ich nicht müde, den Deutschen zu sagen, schaut mal nach Österreich. Es gibt die eine oder andere Spezialität. Zum Beispiel sind bei unseren Automatikprogrammen manche Namen anders. Die Österreicher bezeichnen Lebensmittel oft anders: Paradeiser kennen wir nicht in Deutschland, Karfiol und so weiter. Es gibt auch andere Gerichte. Deshalb sehen die Automatikprogramme etwas anders aus als in Deutschland. Es gibt auch Varianten, die auf bestimmte Länder zugeschnitten sind, weil man weiß, das die Leute etwas anderes damit machen oder bestimmte Dinge anders handhaben. Das heißt, obwohl Österreich und Deutschland vergleichsweise nah beieinanderliegen, gibt es doch oft die Konstruktionsausführung Deutschland und bei manchen Geräten dann eben die österreichische Spezialität.
formfaktor: Miele ist Premiumhersteller, aber natürlich streben Sie auch nach neuen Zielgruppen. Sie bieten etwa Aktions- und Einstiegsgeräte an, um neue Zielgruppen zu erschließen. Welche Maßnahmen setzen Sie beim Thema Wachstumspotenziale?
Markus Miele: Wir haben in den letzten Jahren das eine oder andere ausprobiert und damit durchaus auch neue Zielgruppen erschlossen. Gerade wenn ich an den Geschirrspüler denke, da haben wir in den letzten drei, vier Jahren einiges an Programmänderungen und letztlich auch Preisaktionen gemacht, die uns definitiv einige neue Kundengruppen erschlossen haben. Das hat gut funktioniert. Generell kann man sagen, wenn man die Miele-Qualität in Betracht zieht, dass so ein Gerät gar nicht so teuer ist. Man investiert zwar am Anfang mehr, aber hat dafür auch länger Freude daran. Aus meiner Sicht ist das also eine gute Investition. Gerade Österreich zeichnet sich durch einen hohen Miele-Marktanteil aus. Insofern gibt es viele intelligente Österreicher. Für uns ist es wichtig, unsere Qualität – sprich die 20 Jahre – beizubehalten. Einen gewissen Materialeinsatz, eine gewisse Komplexität in einem Produkt, muss man haben. Wir wollen jetzt nicht in den Massenmarkt runterrutschen, das würde für uns nicht funktionieren. Dafür sind wir nicht aufgestellt: weder mit der Produktion in Deutschland noch in der Entwicklung. Auch der Vertrieb in Österreich ist nicht auf den kompletten Massenmarkt eingestellt. Oder wie es Sandra Kolleth (Geschäftsführerin Miele Österreich, Slownien und Kroatien. Anm.) sagt: Premium für viele. Das finde ich eine gute Formulierung.
formfaktor: Wie sieht die Entwicklung des Onlinehandels, der Onlineshops aus? Welches Potenzial sehen Sie hier?
Markus Miele: Online ist ein großes Thema. Auf jeden Fall. Generell ist es einfach Convenience, denn wenn ich sonntags abends noch etwas bestellen will, dann ist das online möglich. Es ist ein guter Vertriebskanal, wenn ich genau weiß, was ich will. Unsere Kunden sind ja online und das wird sicher noch zunehmen, da bin ich fest überzeugt. Das zeigt sich in anderen Branchen, wie weit das gehen kann. Das hat auch etwas mit Einfachheit, mit Schnelligkeit zu tun. Dabei geht es für uns nicht nur um den Geräteverkauf, sondern auch im Systemgeschäft um das Nachbestellen der Verbrauchsmaterialien über die App. Es wird angezeigt, wenn etwas zur Neige geht und dann hat man die Bestelloption. Das wird eine spannende Entwicklung in der Zukunft sein. Ich sehe weltweit, wenn man sich Online-Marktanteile anschaut, dass die Weiße Ware nach wie vor wächst. Es gibt Länder, die sind sehr weit hinten, bei 3 – 4 % und es gibt manche, die schon bei 30, 40% sind. Die große Herausforderung für uns ist, denn Mehrwert von Miele zu zeigen. Wir haben eben ein anderes Preisschild und da muss man auch online erklären können, warum kostet das mehr. Das ist eine große Herausforderung für unseren Vertrieb, das online entsprechend darzustellen. Die steigende Bedeutung von online wirkt sich auch auf den stationären Handel aus, denn der Kunde kommt schon vorinformiert und mit konkreten Wünschen und stellt oft punktgenaue Fragen. Das heißt, der Verkäufer muss detaillierter Auskunft geben können und muss detaillierteres Wissen besitzen.
formfaktor: Wo geht die Reise in den nächsten 5 bis 10 Jahren hin? Welche Entwicklungen und Trends erwarten Sie im Bereich Technologie und in puncto Benutzung von Haushaltsgeräten?
Dr. Markus Miele: Ich glaube, dass sich im Bereich User-Interface und Sensorik noch viel entwickeln wird, wo man dem Kunden noch mehr entgegenkommen kann, ihn noch besser unterstützen kann. Angefangen vom Rezept, über Lebensmittel bis hin zu den Einstellungen, bis hin zu Convenience-Food – was auch immer. Da gibt es viele Ideen. Das Schöne ist ja, dass die Kunden so unterschiedliche Dinge machen und so unterschiedliche Ansprüche haben, dass es meines Erachtens nicht eine Einheitslösung geben wird, sondern es wird für den ambitionierten Hobbykoch etwas anderes geben, als für denjenigen, der sagt, ich will nur sättigen. Ich glaube, dass man dem Kunden noch mehr an die Hand geben muss, wenn er sich nicht hundertprozentig auskennt. Wie schaffe ich es, ihn so zu unterstützen, dass er trotzdem mit seinem Gerät ein gutes Ergebnis bekommt? Das gilt für das Kochfeld genauso wie für den Backofen und auch meinetwegen die Geschirrspülmaschine, die in Zukunft vielleicht erkennen kann: jetzt sind nur Gläser in der Maschine und wählt dann das entsprechende Programm. Das wäre ein Traum – funktioniert aber noch nicht.
Vielen Dank für das Gespräch.