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Das Geheimnis der Einfachheit – Carl Hansen & Søn

von Markus Schraml
Carl Hansen & Søn 2021

Das 11. Jahr in Folge konnte Carl Hansen & Søn trotz des schwierigen Jahres 2020 ein Wachstum und einen Rekord verzeichnen. Als Grund für den anhaltenden Erfolg gibt Knud Erik Hansen die Leidenschaft seiner Mitarbeiter*innen, der Familie sowie aller seiner Vorgänger*innen an. Das Unternehmen kann auf eine 113-jährige Geschichte zurückblicken. Knud Erik Hansen führt die Geschäfte seit 2002 in dritter Generation und freut sich darüber, dass schon die vierte auf dem Weg ist, wie er im Rahmen des digitalen Open House-Events zu Verstehen gibt.

Derzeit stellt Carl Hansen an die 135 verschiedene Produkte her. Viele davon sind seit Jahren erfolgreich auf dem Markt. In Zeiten, in denen das Thema Nachhaltigkeit in aller Munde ist, hat das Unternehmen den Vorteil, dass es nahezu ausschließlich mit dem Werkstoff Holz arbeitet. Carl Hansen bezieht es aus FSC-zertifzierten oder nachhaltig bewirtschafteten Forsten. In der Fabrik auf der dänischen Insel Fünen wird es hochwertig verarbeitet und dabei landen keinerlei Holzreste im Müll. Sie werden entweder zu Accessoires verarbeitet oder für die Heizung der Fabrik und rund 400 umliegender Gebäude verwendet.

Im formfaktor-Exklusivinterview spricht Knud Erik Hansen über das Geheimnis des Erfolges von Carl Hansen, den Open House-Event sowie die sorgfältige Abstimmung von Möbelklassikern und neuen Designs. Außerdem erzählt er die erheiternde Geschichte über das erste Zusammentreffen mit den Wiener Designern von EOOS, denen er bei Gerd Bulthaup in Aich begegnete. Durch sein Urteil ging die b2-Küche in Produktion, behauptet er.

formfaktor: Welches Resümee ziehen Sie von Ihrem digitalen Open House-Event?

Knud Erik Hansen: Wir haben das natürlich gemacht, weil es diesen April keine Messe in Mailand gab und wir eine Reihe von neuen Produkten trotzdem präsentieren wollten. Und wir wollten es in einer richtigen, gut organisierten Form machen. Ich muss sagen, das war enorm viel Arbeit. So etwas ist ein sehr großes Projekt, eine große Aufgabe, aber wir haben es geschafft und ein abwechslungsreiches Programm an zwei Tagen auf die Beine gestellt. Nach den Rückmeldungen zu urteilen, war es für uns ein großer Erfolg. Alles in allem haben wir die Kunden erreicht, die wir erreichen wollten und über unsere Neuheiten informiert. Bei uns gehen eine Menge Fragen dazu ein, auch nach dem Event. Das ist für mich der Beweis, dass wir damit erfolgreich waren. Ich bin jedenfalls sehr zufrieden.

Knud Erik Hansen leitet das Unternehmen seit dem Jahr 2002. Sein Bestreben ist, die DNA Carl Hansens in die Zukunft zu tragen und dabei das Programm durch neue Entwürfe zu ergänzen. © Carl Hansen & Søn

formfaktor: Wie wird das in Zukunft aussehen, wenn Messen wieder möglich sind. Wird es dann vielleicht sowohl digitale als auch Vor-Ort-Präsentationen geben?

Knud Erik Hansen: Ich glaube, wir werden beides haben. Ich denke aber, dass die meisten Menschen und die Möbelbranche zur Mailänder Messe gehen wollen und werden. Wir werden auf jeden Fall wieder dort sein. Es ist ein großes Vergnügen, mit unseren Kunden direkt zu verkehren und über Hygge (gemütliche Atmosphäre – red. Anm), über Nachhaltigkeit usw. zu diskutieren. Aber ich glaube, es wird eine Kombination sein. Die digitale Geschichte wird vielleicht nicht so groß sein wie dieses Jahr, aber es wird sie geben. Die geeignete Plattform kennen wir nun.

formfaktor: Werden Sie schon diesen September wieder in Mailand vertreten sein?

Knud Erik Hansen: Nein. Die Zeitspanne bis dorthin ist einfach zu kurz für uns, um eine Präsentation zu machen, die unseren Qualitätskriterien entspricht. Aber wir werden im April 2022 definitiv wieder dabei sein.

formfaktor: Carl Hansen & Søn ist seit Jahren erfolgreich. Was ist denn das Geheimnis Ihres Erfolgs?

Knud Erik Hansen: Erstens produzieren wir seit vielen vielen Jahren Möbel. Und zwar in Dänemark, ein Land, das für gute Produktqualität steht. Ganz unbescheiden behaupte ich, dass Carl Hansen eine der qualitativ hochwertigsten Produkte in Dänemark herstellt. Außerdem ist Nachhaltigkeit bei uns ein Thema, weil unsere Möbel Generationen überdauern können. Das ist sehr wichtig. Wir haben über die letzten sieben bis neun Jahre eine Reihe von Unternehmen gekauft, die aufgrund ihrer Qualität gut zur DNA von Carl Hansen passen. Zudem haben wir viele Architekten des Golden Age des dänischen Möbeldesigns – zwischen den 1930er- bis 1980er-Jahren – bei uns. Das heißt, unser Portfolio ist extrem stark. Wir verwenden ausschließlich natürliche Materialien: Holz, Wolle, Leder (und ein bisschen Edelstahl) und alle Holzreste werden zur Beheizung der Fabrik und der umliegenden Häuser verwendet. All diese Dinge bilden einen Wettbewerbsvorteil für unsere Produkte. Die Menschen legen heute viel mehr Wert auf Nachhaltigkeit und wollen nicht mehr ständig alles wegwerfen. Deshalb werden zunehmend Produkte in hoher Qualität gekauft. Das ist zum Beispiel ganz deutlich auf dem US-amerikanischen Markt, aber auch in Europa zu spüren. Ich bin also ziemlich überzeugt davon, dass wir das Richtige tun.

Die Hans J. Wegner & Ilse Crawford Special Edition zeigt Möbelklassiker des dänischen Meisters erstmals in Farben, die mithilfe der britischen Designerin ausgewählt wurden. © Carl Hansen & Søn, Foto: yellows.dk

formfaktor: Sie haben eine ganze Reihe von Möbelikonen etwa von Hans J. Wegner, Børge Mogensen oder Kaare Klint im Programm. Viele davon verkaufen sich bis heute gut. Warum, glauben Sie, passen diese Klassiker noch immer in zeitgenössische Interieurs?

Knud Erik Hansen: Ich glaube, es hat mit der Einfachheit zu tun. Kaare Klint, der etwa von Beginn des 20. Jahrhunderts an bis in die 1950er tätig war, hat in seinen Möbeln alle Ornamente entfernt, sie funktionaler gestaltet und die Form an den menschlichen Körper angepasst. Als Lehrer (Königlich Dänische Kunstakademie – red. Anm.) hat er seinen Schülern diese Philosophie der Möbelgestaltung mitgegeben. Diese Einfachheit wurde also weitergegeben und das macht die Möbel interessant, weil sie dadurch fast überall hineinpassen. Hans J. Wegner führte das noch einen Schritt weiter, indem er alles rund machte. Dadurch sind seine Entwürfe, ich muss es so sagen, menschlich. Sie sind einfach schön anzusehen – wie eine Skulptur. Einige junge Designer beziehen sich auf diese Ideen, respektieren sie und kombinieren sie mit ihren eigenen Vorstellungen. Dadurch werden diese Ansätze Stück für Stück weiterentwickelt. Und das ist das Geheimnis: Es ist ein hochqualitatives, einfaches und menschliches Design.

formfaktor: Wenn Sie junge Designer*innen engagieren, wie suchen Sie diese aus? Denn die neuen Produkte müssen ja zu den Klassikern passen.

Knud Erik Hansen: Das ist nicht leicht und das kann nur eine einzige Person entscheiden. Und das bin ich. Mir ist es ganz wichtig, dass die DNA von Carl Hansen nicht verwässert wird. Die neuen Entwürfe müssen also dieselbe DNA in sich tragen, dürfen aber keine Kopien sein. Wir bekommen sehr viele Vorschläge und nur sehr wenige passen zu uns. Und selbst an jenen, die passen, müssen die Designer oft lange arbeiten, bis wir sagen können, jetzt ist es richtig. Manchmal kann das bis zu neun Jahren dauern.

Rikke Frost ist eine der zeitgenössischen Designerinnen, mit der Carl Hansen zusammenarbeitet. Im Bild – die neue RF200 Leuchte der Dänin. © Carl Hansen & Søn

formfaktor: Ein Designstudio, mit dem sie seit Jahren kooperieren, ist EOOS. Warum? Und wie kam die Zusammenarbeit ursprünglich zustande?

Knud Erik Hansen: Das ist eine schöne Geschichte. 2004 oder 2005 traf ich Gerd Bulthaup und wir wurden sehr gute Freunde. Eines Tages, an einem Freitagmorgen, rief er mich an und sagte, können Sie heute Abend um acht in Aich sein. Ich holte meine Frau ab und wir machten uns auf den Weg hinunter nach Aich. 10 Minuten vor acht Uhr trafen wir dort ein. Sechs oder sieben Leute saßen in einem großen Showroom um einen Tisch herum und aßen Dinner. Gerd kam zu mir und sagte, ich solle ums Eck gehen und mit den Leuten sprechen. Dort stand das EOOS-Team, Gernot und Martin (Gernot Bohmann, Martin Bergmann – red. Anm.). Sie zeigten mir die b2-Küche. Ich war fasziniert, auch darüber, wie sie über ihre Ideen zu dieser Küche sprachen. Meiner Meinung nach war das eine Revolution. Als Gerd Bulthaup mich fragte, was ich davon halte, sagte ich, dass ich diese neue Idee, dieses neue Konzept hervorragend fände. Und er sagte, OK – dann produzieren wir sie. Ich sagte, Nein, nein, das ist nicht meine Entscheidung. Er erwiderte aber, dass dies der Grund gewesen sei, warum er mich hergebeten habe. Wenn ich sie mögen würde, startet er die Produktion. So kam es, dass EOOS auch interessant für Carl Hansen wurde.

Bis es dann aber tatsächlich zu einer Zusammenarbeit kam, hat es noch einige Jahre gedauert. Bis uns EOOS eines Tages einen Holzrahmen mit sorgfältig abgerundeten Hölzern präsentierte. Das war es. Und dann kam die Polsterung. EOOS zeigte sie und ich sagte, Nein, so geht das nicht. Sie aber sagten, lass den Stuhl für einen Monat im Büro stehen, dann reden wir weiter. Ich kam also Tag für Tag ins Büro und sah mir diesen Stuhl an und mit jedem Tag gefiel er mir besser. Nach einem Monat sagte ich, OK, wir produzieren ihn so. Es war schließlich ein großer Erfolg und wir bauen bis jetzt noch immer auf diesem Konzept auf. 2021 habe wir ja das Embrace Sofa präsentiert. Uns verbindet mittlerweile nicht nur eine fantastische Freundschaft, sondern auch gegenseitiges Verständnis und Respekt füreinander.

formfaktor: Wie sehen die mittelfristigen Pläne bei Carl Hansen & Søn aus?

Knud Erik Hansen: 2022 werden wir zwei oder drei neue Produkte für das Contract-Geschäft herausbringen, die von unserer Fabrik in Vietnam hergestellt werden. Es ist nämlich so, dass wir in Bezug auf die Ausstattung von Hotels zum Beispiel oft mit der Möblierung des Lobbybereichs, eines Restaurants oder einer Bar beauftragt werden, aber wir werden nie mit dem Café oder Ähnlichem beauftragt, weil wir etwas zu teuer sind. Das heißt, viele würden auch andere Bereiche gerne mit Carl Hansen ausstatten, wenn die Möbel etwas günstiger wären. Seit 2017 haben wir unsere Fabrik in Vietnam, die wir auf die Produktion von Möbel für den Contract-Bereich ausgerichtet haben. Das Design der Möbel passiert hier in Dänemark. Tatsächlich wird gerade daran gearbeitet. Außerdem werden wir einige Produkte der dänischen Firma Vilhelm Lauritzen, die vom gleichnamigen Architekten 1922 gegründet wurde, herausbringen. Einige dieser Möbel sind wirklich fantastisch und ich freue mich darauf, sie Mitte 2022 zum 100-jährigen Jubiläum zu launchen.


Im Zuge der Einführungsworte von Knud Erik Hansen während des Open House-Events wurde ein Film gezeigt, der die Übernahme des Unternehmens durch Knud Eriks Mutter Ella Hansen im Jahr 1962 (nachdem ihr Mann Holger Hansen plötzlich gestorben war) zum Thema hatte. Eine bewundernswerte, unglaubliche Leistung für eine Frau in dieser Ära, die von enormer Willensstärke und Geschäftssinn zeugt. Der Film beginnt ca. bei Minute 4. © Carl Hansen & Søn

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