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Frauen im Design – die Geschichte neu erzählen

von Markus Schraml
VDM, Spot On. Designerinnen in der Sammlung

Die einen sagen, gutes Design hat kein Geschlecht, es ist einfach gut. Andere wie etwa Ute Brandes wissen aber, dass Designprofis zumindest unbewusst ihr „Geschlecht“ in ihren Designs mittransportieren. In einer Welt, in der Erfahrungen und gesellschaftliche Prozesse von „Gender“ geprägt sind, sei es besser, sich der unausweichlichen „Genderisation“ bewusst zu sein, meint die Professorin für Gender und Design an der KISD (Köln International School of Design). Eine weitere Tatsache in der Branche ist, dass die Designgeschichte (wie die Geschichte generell) von Männern bestimmt wird. Und auch heute noch sind in der ersten Reihe weltbekannter Designer*innen hauptsächlich Männer zu finden. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass rund die Hälfte der Designstudenten weiblich ist. An der Design Academy Eindhoven sind es sogar zwei Drittel.

Designerinnen wahrnehmen im Vitra Schaudepot

Das es noch immer notwendig ist, auf die Leistungen von Frauen im Design explizit aufmerksam zu machen, mag frustrieren, sollte gleichzeitig aber auch Ansporn sein. In diesem Sinne lenkt das Vitra Design Museum die Aufmerksamkeit mit „Spot On. Designerinnen in der Sammlung“ auf die Rolle der Frauen im Möbeldesign. Im neuen Präsentationskonzept des „Schaudepots“ werden jährliche Themenschwerpunkte gesetzt, wobei der erste Designerinnen gewidmet ist. Dabei wird auch die eigene Sammlungspraxis hinterfragt. Denn – wie in vielen anderen Bereichen auch – werden die Werke von Frauen oftmals nur ungenügend gesammelt, erforscht, ausgestellt und also gewürdigt.

Gezeigt werden neben Neuerwerbungen von Designerinnen wie Inga Sempé, Reiko Tanabe, Matali Crasset oder Gunjan Gupta auch historische Archivbestände, etwa zur legendären Zusammenarbeit von Ray und Charles Eames. Darüber hinaus erzählt die Schau Hintergrundgeschichten zu Sammlungsikonen wie dem Mesa Table von Zaha Hadid oder dem Stahlrohrstuhl der Finnin Maija-Liisa Komulainen. Neben Lieblingsobjekten internationaler Gastkuratorinnen wie Khushnu Hoof werden auch Werke von Newcomerinnen, darunter Lisa Ertel und Anne-Sophie Oberkrome, vorgestellt. Ab September 2021 soll zudem die Dauerausstellung im Vitra Schaudepot um zahlreiche Stücke von Designerinnen ergänzt werden.

Das Vitra Design Museum sieht diesen Themenschwerpunkt als einen Auftakt zu einer langfristig angelegten Auseinandersetzung mit der Rolle von Frauen im Design. Der nächste Schritt dazu wird eine große Ausstellung im Hauptgebäude unter dem Titel „Here We Are! Frauen im Design 1900 – heute“ sein, die am 25. September 2021 starten und bis zum 6. März 2022 laufen wird.

Designgeschichte neu erzählen

Die Ausstellung wird Gestalterinnen der letzten 120 Jahre präsentieren und will vor dem Hintergrund des im Jahr 2021 noch immer laufenden Kampfes um Gleichberechtigung eine neue Designgeschichte erzählen. Gezeigt werden Werke von rund 80 Designerinnen, darunter Wegbereiterinnen wie Eileen Gray, Charlotte Perriand, Lilly Reich oder Clara Porset, Unternehmerinnen wie Florence Knoll und Armi Ratia, aber auch weniger bekannte Frauen wie die Sozialreformerin Jane Addams. Zeitgenössische Positionen werden durch Designerinnen wie Matali Crasset, Patricia Urquiola, Julia Lohmann oder das Kollektiv Matri-Archi(tecture) vertreten sein. Die chronologisch in vier Bereiche unterteilte Ausstellung wird von einem Programm aus Workshops, Online-Talks und Events auf dem Vitra Campus begleitet.

Diese Initiative des Vitra Design Museums will nichts weniger als einen neuen, zeitgemäßen Blick auf die Gestaltung und Designgeschichte eröffnen. Werden Fragen nach der Gleichberechtigung der Geschlechter gestellt und welche Rollen Frauen bisher gespielt haben und in Zukunft spielen sollten, ergeben sich völlig neue Perspektiven und Erzählungen. Das kann zu tiefgreifenden Veränderungen Anstoß geben, die für aktuelle Herausforderungen absolut notwendig sind. Es geht hier also keineswegs „nur“ um das Herausstellen der enormen Leistungen von Frauen in Geschichte und Gegenwart des Designs.


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