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Lebendige Stoffe aus alten Kimonos

von Markus Schraml
Kissen aus japanischem Sakiori-Stoff, der aus recycelten Kimonos besteht. © Ito Suzuki

Nendo-Chefdesigner Oki Sato sagte einmal in einem FORMFAKTOR-Interview, dass alte Handwerkstechniken in Japan langsam aussterben würden und dass es die Aufgabe der Designer sei, diese Techniken wieder zurück in den Blick der Öffentlichkeit zu bringen. Ein japanisches Designstudio, das sich genau damit beschäftigt, ist Public Crafts von Yuka Ito in Tokio. Die Designerin arbeitet daran, das Wissen über traditionelle Materialien zu erhalten bzw. wieder zu erneuern. Ziel ist es, die reichen, ausdrucksstarken Eigenschaften traditioneller japanischer Materialien in moderne Räume zu integrieren. Als Leitfaden dient dabei das typisch japanische Streben nach einer Harmonie mit der Natur.

Ein ganz spezielles Projekt ist der sogenannte „Sakiori“-Stoff. Sakiori-Weben ist eine traditionelle japanische Textiltechnik, die seit der Edo-Zeit überliefert ist. Im kalten Klima der nördlichen Tohoku-Region Japans fertigten die Menschen handgemachte Kleidung und Futondecken, um die harten Winter zu überstehen, indem sie alte Stoffe wiederverwendeten, insbesondere die seltene Baumwolle. Darüber hinaus wurden diese gewebten Stoffe zu einer Einkommensquelle für Frauen, die während der Winterflaute in der Landwirtschaft im Haushalt arbeiteten. Das japanische Konzept, alte Gegenstände zu schätzen und wiederzuverwenden, ist über 200 Jahre alt und seine Bedeutung wird nun wiederentdeckt.

Der Sakiori-Stoff wird in einer Sozialeinrichtung namens „Sora to Umi“ in Chiba, Japan, gewebt. Verwendung finden ausrangierte Kimonos und alte Stoffe. Diese Materialien werden dann in dünne Streifen zerkleinert, aufbereitet und handgewebt. Die Handwerker in der Sozialeinrichtung, Menschen mit geistigen Behinderungen wie Autismus, übernehmen die Produktion. Sie zeigen hohe Konzentration und ein außergewöhnliches Talent für so komplizierte Aufgaben wie dem Weben.

Gebrauchte Schönheit

Im Gegensatz zu herkömmlichen Stoffen, die mit der Zeit ausfransen und deren Farbe verblasst, entwickelt handgewebter Sakiori-Stoff eine reichere Textur und nimmt durch Gebrauch und Alterung eine schönere Form an. Public Crafts möchte die organische Textur von Sakiori-Stoffen in moderne Wohnräume und öffentliche Bereiche einführen – auch außerhalb Japans. Vergangenen Juni präsentierte das Studio seine Stoff-Innovation bei 3daysofdesign in Kopenhagen.

Kreativdirektorin von Public Crafts, Yuka Ito gründete das Unternehmen 2022. Sie schloss ihre Ausbildung an der Musashino Art University im Bereich Industrie-, Interieur- und Handwerkliches Design ab. „Unsere Mission besteht nicht nur darin, die Ästhetik von Oberflächen zu verbessern, sondern auch ein Produktionssystem zu etablieren, das darauf abzielt, die inhärente organische Schönheit japanischer Materialien zu bewahren“, betont Yuka Ito.

Yuka Ito gründete Public Crafts im Jahr 2022. Sie verbindet traditionelles Handwerk mit sozialem Engagement. © Public Crafts


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