Immer mehr Autokonzerne stellen ihre konkreten Ziele im Hinblick auf die Einführung von Elektroautos vor. Nun waren die Renault Group und Volvo Cars (Geely) an der Reihe. Die beiden wichtigen, wenn auch unterschiedlich großen Player im internationalen Autobusiness sehen das Jahr 2030 als Grenzmarke für ihre jeweilige Elektromobilitätsstrategie. Volvo will bis dahin nur mehr vollelektrische Fahrzeuge verkaufen und verfolgt damit das ambitioniertere Ziel im Vergleich zu Renault mit bis zu 90 % E-Autos.
Im Rahmen der Veranstaltung „Renault eWays“ präsentierte die Renault Group die wichtigsten Pfeiler der E-Strategie: Sie beinhaltet eine umfassende Modelloffensive, den neuen Elektro-Industriepol „Renault ElectriCity“ in Nordfrankreich, die E-Powertrain MegaFactory in der Normandie, die strategische Partnerschaft mit Envision AESC zum Bau einer Batterie-Gigafactory in Douai sowie ein gemeinsames Projekt zur Entwicklung nachhaltiger Batterien mit dem französischen Start-up Verkor.
Batterien günstiger machen
Eine zentrale Rolle in der E-Mobilitätsstrategie der Renault Group spielen NMC-Batterien. Die relativ weit verbreiteten Akkus liefern bei wettbewerbsfähigen Kosten bis zu 20 % mehr Reichweite als andere Batterielösungen und lassen sich auch leichter recyceln. In allen künftigen E-Fahrzeugen der Renault Group sollen sie zum Einsatz kommen. Außerdem will die Renault Group in weniger als zehn Jahren die Kosten von Batterie-Packs schrittweise um 60 % senken. Ziel sind weniger als 100 Dollar/kWh im Jahr 2025 und weniger als 80 Dollar/kWh mit der ab 2030 geplanten Einführung der Feststoffbatterien in der Allianz Renault-Nissan-Mitsubishi.
Bis 2025 will Renault zehn neue vollelektrische Modelle auf den Markt bringen und einen E-Anteil von über 65 % erreichen. Hierzu zählen der neue Renault 5 sowie ein aktuell als „4ever“ bezeichnetes Modell, eine weitere Neuauflage eines Renault-Klassikers. Ab 2024 soll eine vollelektrische Alpine folgen. Generell möchte die Renault Group zu einem Schlüsselakteur vor allem im Bereich erschwingliche E-Mobilität werden. Was für die Durchsetzung der E-Mobilität in der Breite entscheidend sein wird.
Technologie-Strategie für die E-Zukunft
Ganz anders Volvo. Das Unternehmen hatte bereits angekündigt, bis 2030 zum vollelektrischen Premium-Automobilhersteller werden zu wollen. Im Zuge der „Volvo Cars Tech Moment“-Veranstaltung gewährte Volvo nun detaillierten Einblick in seine zukünftige Technologie-Strategie. Ein wichtiger Aspekt ist die Aussage, künftig die Softwareentwicklung im eigenen Haus zu bewerkstelligen. Der Grund dafür sei die wachsende Bedeutung Software-gesteuerter Funktionen in modernen Fahrzeugen. So wird die nächste Volvo-Modellgeneration, die auf einer ausschließlich auf Elektroantrieb ausgelegten Technik-Plattform entstehen wird, das eigene VolvoCars.OS Betriebssystem nutzen. Es dient als übergreifendes System für elektrische Volvo-Fahrzeuge und integriert die verschiedenen Betriebssysteme im Auto sowie in der Cloud. Zu den zugrunde liegenden Betriebssystemen gehören Android Automotive OS, QNX, AUTOSAR und Linux.
„Indem wir uns intern um die Software kümmern, können wir die Entwicklungsgeschwindigkeit erhöhen und Volvo-Modelle schneller optimieren als heute“, erklärt Henrik Green, Chief Technology Officer (CTO) der Volvo Car Group. „Genau wie beim Smartphone oder Computer können neue Software und Funktionen durch Over-the-Air-Updates schnell eingeführt werden.“
Mehr Sicherheit durch Software, KI und Echtzeitdaten
Ein besonderer Schwerpunkt in der Technologie, die in den zukünftigen E-Autos von Volvo eingesetzt werden soll, gilt dem Thema Sicherheit – schon immer ein Kernthema des Unternehmens. So wird die nächste vollelektrische Generation des Volvo XC90, der 2022 vorgestellt wird, serienmäßig unter anderem mit den von Luminar entwickelten LiDAR-Sensoren und einem autonomen Fahrcomputer mit NVIDIA DRIVE Orin™ System-on-a-Chip (SoC) ausgestattet sein.
Diese Technik soll mit der Zeit immer leistungsfähiger werden und es dem Auto ermöglicht, den menschlichen Fahrer in sicherheitskritischen Situationen besser zu unterstützen. Während frühere Systeme hauptsächlich darauf ausgerichtet waren, die Fahrerin vor potenziellen unmittelbaren Gefahren zu warnen, soll die neue Sicherheitstechnik im Lauf der Zeit immer öfter eingreifen, um Kollisionen zu verhindern.
Zudem sollen Echtzeitdaten für ein noch besseres Sicherheitsniveau sorgen. „Mithilfe von Echtzeitdaten können wir unsere Entwicklungsprozesse beschleunigen und den Zeitraum von Jahren auf Tage verkürzen“, erläutert Ödgärd Andersson, CEO von Zenseact, der Software-Abteilung für autonomes Fahren von Volvo Cars. „Da die Echtzeit-Erfassung viel mehr Daten generiert, können wir bessere und qualitativ hochwertigere Datensätze erstellen. Diese ermöglichen uns, bessere und schnellere Entscheidungen über die nächsten Sicherheitsmaßnahmen zu treffen.“
Um die gesammelten Echtzeit-Verkehrsdaten zu verarbeiten, investieren Volvo Cars und Zenseact in eine gemeinsame Datenfabrik. Sie erhält in den nächsten Jahren mehr als 200 PebiBytes (225 Millionen Gigabytes) an Daten. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz können sie auch schnell ausgewertet werden. Die Kund*innen entscheiden selbst, ob diese Daten überhaupt gesammelt und unter Einhaltung der Privatsphäre zusammengeführt werden.
Mehr Reichweite durch bessere Batterien
Nach wie vor ist die Reichweite ein entscheidendes Thema bei der Akzeptanz von E-Autos. Volvo will sie deshalb kontinuierlich verbessern. Aus diesem Grund arbeitet das Unternehmen mit dem schwedischen Batteriehersteller Northvolt zusammen. Das Ziel ist, die Energiedichte in den Batteriezellen im Vergleich zu heute um 50 % zu erhöhen. Noch in diesem Jahrzehnt will Volvo Cars die Marke von 1.000 Wattstunden pro Liter (Wh/l) Energiedichte erreichen, um reale Reichweiten von bis zu 1.000 Kilometern pro Ladung zu ermöglichen. Damit einher geht die Prognose, das die Ladezeiten bis Mitte des Jahrzehnts dank besserer Batterietechnik und kontinuierlicher Verbesserungen der Software und Schnellladetechnik annähernd halbiert werden können.
Die Batteriezellen aus der geplanten Zusammenarbeit sollen mit 100 % erneuerbarer Energie hergestellt werden. Auch mit den anderen Batterielieferanten soll dies spätestens bis 2025 umgesetzt werden. Zudem sollen die Hochvoltbatterien wenn möglich wiederaufbereitet oder wiederverwendet werden. Second-Life-Anwendungen etwa zur Energiespeicherung werden derzeit geprüft. Werden Batterien schließlich recycelt, ist es das Ziel von Volvo, für kritische Materialien geschlossene Kreisläufe zu bilden, damit sie in zukünftigen Batterien nochmals eingesetzt werden können.
„Durch intelligente Innovationen und die Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern können wir den Kunden geben, was sie wollen: mehr Reichweite, schnelleres Aufladen und niedrigere Kosten. So lässt sich die Akzeptanz der Elektromobilität weiter steigern“, ist Henrik Green überzeugt.