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Textile Geschichten – Knit and Weave auf Schloss Hollenegg

von Markus Schraml
„Dirty Business“ ist eine Sammlung von Artefakten von Hana Tavčar, die sich mit der grundlegenden Ungleichheit auseinandersetzt, die in bestimmten Objekten verkörpert ist. Dazu verbindet sie die Welt des Reinigungspersonals mit den „Empfängern von Sauberkeit“. © Robert Ribic

Mit der Ausstellung „Knit and Weave“ auf Schloss Hollenegg geht das Aufklärungsprojekt von Alice Stori Liechtenstein in die nächste Runde. Von Anfang an ging es darum, den Fokus auf unterschiedliche Materialien zu legen. Aktuell werden Textilien und deren Bedeutung thematisiert. Die von Johanna Pichlbauer kuratierte Ausstellung stellt über dreißig aufstrebende Designtalente vor, die unterschiedlichste Teilaspekte aufgreifen bzw. Zugänge zu Textilien offenbaren. Wie schon in der Vergangenheit spielt auch in dieser Schau das Schloss selbst eine wichtige Rolle, denn das Gebäude ist eine wahre Schatzkammer für vielerlei Dinge – ebenso für Gewebtes und Gesticktes.

„Erst wenn man sich mit einem Thema, einem Material näher beschäftigt, entdeckt man, wie viel es davon eigentlich bei uns gibt“, sagt Alice Liechtenstein. „Das heißt, wir haben Textilgeschichte auch im Schloss. Zum Beispiel unsere Tapisserie, wozu wir gemeinsam mit Johanna intensiv recherchiert haben. Oder unsere Seidentapeten, die ich immer für chinesische Arbeiten gehalten habe, die in Wahrheit aber in Europa produziert worden sind. Es sind echte alte Chinoiserien, aber eben nicht aus China“. Für das aktuelle Projekt durchsuchte Liechtenstein Schränke, Kästchen, Kisten und Schubladen im Schloss nach Textilien, wählte die interessantesten aus, um sie in der Ausstellung zu zeigen. Darunter echte chinesische Stoffe, indische Schals und Seidenstrümpfe.

Was ist ein Textil?

Auf die Frage nach dem Stellenwert von Textilien für uns Menschen antwortet Kuratorin Johanna Pichlbauer: „Das Textil als Werkzeug der Pflege, das Textil als Geschichtenerzähler, das Textil als Skulptur, aber auch die Frage – wie wird das Textil überhaupt definiert? Trotz unserer alltäglichen Nähe zum Medium fällt es uns oft gar nicht leicht, zu sagen, was ein Textil ist und was nicht – in der Ausstellung beschreiben wir die Faser als Material, das dann in eine Ordnung gebracht und somit zum Textil wird.“ Den Aspekt des Geschichtenerzählens hebt auch Liechtenstein hervor. Tatsächlich kommt kaum eine Arbeit in der Ausstellung ohne spannende Hintergrundgeschichte vor. So erzählt Rosana Escobar die Geschichte einer speziellen Faser aus Kolumbien. „Sie macht hängende Skulpturen aus Fique (einer Pflanze aus der Agaven-Familie), deren Fasern ca. 1 Meter lang sind. (Baumwoll- oder Wollfasern sind sehr kurz und müssen erst zu einem Faden gesponnen werden.) Es ist schön, wie Rosana mit ihren Objekten, diese Fasern zeigt, die in Kolumbien beispielsweise traditionell für alles Mögliche verwendet wurden und werden, vor allem für Kaffeesäcke“, erläutert Liechtenstein.

Den Aspekt der Dreidimensionalität bringt die Online-Community Basketclub in die Ausstellung ein – mit einer Edition aus Körben. „Anhand von Körben lassen sich viele textile Technologien nachvollziehen und sie zeigen auch gut, dass Textilien eben nicht immer flach sind“, erklärt Pichlbauer. „Die Masche, Schlaufe, das Übereinander oder Untereinander eines Gewebes oder Gestricks ist die eine Dimension, die zweite und dritte sind Fläche, Körper oder Raum, die vom Textil gebildet werden“. Zudem wurde im Zuge des „Knit and Weave“-Projekts eine Musterbibliothek angelegt, in der kleinere Arbeiten gezeigt werden, deren Herstellungsprozesse stark experimentellen Charakter besitzen und wo oft mit ungewöhnlichen Materialien, von menschlichem Haar bis zu Reisspelzen, gearbeitet wurde.

Designers in Residence

Einen wichtigen Teil jeder Ausstellung auf Schloss Hollenegg machen die Ergebnisse jener Designer aus, die im Zuge des Residenzprogrammes eine Zeitlang im Schloss verbracht haben. So ließ sich Aoi Yoshizawa hauptsächlich von der Architektur des Schlosses inspirieren und nicht so sehr von den Textilien im Schloss. „Ich finde ihre Arbeitsweise interessant, weil es ihr mehr ums Werkzeug als um den fertigen Stoff geht und sie sich auch etwa um die Ästhetik der Webgewichte Gedanken macht“, bemerkt Pichlbauer.

Anna Resei wiederum hat Seidentücher entworfen. Sie ließ sich von den Farben und dem Interieur inspirieren, um ihre Muster zu entwickeln. Und Theresa Hartinger, die auch eine Zeit lang im Schloss zugebracht hat, gestaltete ein riesiges Banner, das an der Schlossfassade prangt. Teilweise entstanden die Projekte für die aktuelle Ausstellung in Kooperation mit Herstellungsbetrieben: „Unter unseren Partnern aus Handwerk und Industrie waren etwa Sattler, die Spezialtextilien wie Markisenstoffe und Planen produzieren, Wilhelm, Jungmann & Neffe, ein sehr altes Stoffgeschäft am Albertinaplatz in Wien, oder das Textilzentrum Haslach. Alle drei Unternehmen zeigen gut auf, dass Textilindustrie dort noch funktioniert, wo sie sich erstens stark spezialisiert, zweitens mit regionalen Gegebenheiten arbeitet und drittens Wissen bewahrt und vermittelt“, betont Pichlbauer und meint, dass der Erfolg von textilem Handwerk in Österreich sehr von der Wertschätzung dafür abhängt. Diese müsse gesteigert werden.

Wahrnehmung und Wertschätzung

Schließlich spielte für die Ausstellung auch der Aspekt der Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle, sagt Liechtenstein: „Wenn man weiß, wie viel Arbeit in einem Stoff, einer Decke oder einem Kleid steckt, dann verändert sich die Wahrnehmung. Ich wollte unbedingt kommunizieren, wie wertvoll Textilien sein können. Heute kostet ein T-Shirt nur ein paar Euro. Es wird nicht wertgeschätzt. Wenn man aber die Hintergründe kennt, dann wächst die Wertschätzung wieder“.

Von Textilien zu Metall

Das Thema für das Jahr 2026 ist Metall. Noch in diesem Jahr werden zwei Designer in Residence auf Schloss Hollenegg zu Besuch sein (jetzt im Frühling und im Herbst). Zusätzlich zu diesen beiden Fixpunkten muss Alice Liechtenstein ab Juni daran denken, das Programm für das kommende Jahr zu fixieren. Mit der Metall-Ausstellung wird der Material-Zyklus abgeschlossen sein. Zur Ausstellungstätigkeit danach gibt es schon Ideen, die allerdings noch nicht verraten werden.

Die Ausstellung „Knit and Weave“ läuft noch bis 1. Juni 2025.


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