Stockholm im Winter? Aber ja, zumindest wenn die Stockholm Design Week auf dem Plan steht. Die Ausgabe 2025 rund um die zentrale Möbelmesse, die Stockholm Furniture Fair, brachte erneut spannende Einblicke in die skandinavische Designszene, die internationale Gestaltungstrends entscheidend mitprägt. Und auch wenn die 3daysofdesign in Kopenhagen (Juni-Termin!) in den letzten Jahren immer mehr zur eigentlichen TOP-Veranstaltung im Norden wurden, blieb der winterliche Enthusiasmus bei den Schweden erhalten – obwohl die Wirtschaftszahlen kaum optimistisch stimmen können. Die Statistikkurve zeigt nach unten.
11 Highlights
Die Höhepunkte aus Sicht der FORMFAKTOR-Redaktion fanden sich sowohl in Ausstellungen und Sonderprojekten als auch in der Präsentation der Möbelneuheiten. Allen voran der HidaHida-Sessel, den Kengo Kuma in Zusammenarbeit mit Gärsnäs entworfen hat. Der japanische Architekt und die schwedische Möbelmarke ziehen dabei an ein und demselben Strang was die Wichtigkeit von Handwerkskunst und Materialien betrifft. „Mit HidaHida wollte ich die Weichheit der menschlichen Körperform einfangen“, sagt Kuma. Der verwendete Filz macht die Rückenlehne bequemer, wobei der hängende Stoff an die Welt der Mode erinnert.
Zur Stockholm Design Week verwandelte Form Us With Love (FUWL) das eigene Studio in ein Testing Grounds Bistro. Die immersive Installation war dem sich Treffen, gemeinsamen Essen und Trinken gewidmet – bot also die Bühne für Dialoge und neues Kennenlernen. Unter den kuratierten Möbeln fanden sich der High Nest Chair, Torno sowie der neue Nest Club Chair – alles Designs von FUWL für den dänischen Möbelhersteller +Halle.
Die von Nordiska Galleriet betriebene NO GA Marke weitete ihre ohnehin schon umfangreiche Angebotspalette weiter aus. Mit dabei sind nun die Lamp 53 des Designers Axel Wannberg (die Zahl kommt vom 53-Grad-Winkel des Entwurfs) sowie der Empire Chair von Sami Kallio. Seine Form ist von der Architektur der 1920er Jahre inspiriert. Der Rahmen besteht aus FSC-zertifizierter massiver Esche, gepaart mit einer geflochtenen Sitzfläche aus speziell angefertigtem Gurtband.
Die „Arch“-Leuchte von Markus Johansson und Johan Lindsten wurde bereits in unterschiedlichsten Varianten veröffentlicht. Einen Bogen als Grundelement herzunehmen, das beliebig erweitert und kombiniert werden kann, ist eine ebenso pragmatische wie phänomenale Idee. Die jüngste Spielart dieses Designs für oblure heißt Arch Triplette und besteht – wie der Name nahelegt – aus drei Bögen.
Das Kääpä+ Projekt der jungen finnischen Designerin Mari Koppanen stellt eine völlig neue Art von Material vor: den Amadou-Verbundwerkstoff. Dabei werden Amadou-Stücke, die aufgrund ihrer geringen Größe normalerweise ungenutzt bleiben, mittels Formpresstechniken in ein biologisch abbaubares Verbundmaterial verwandelt. Als Bindemittel wird ein Zellulosederivat verwendet – ein ungiftiger und kompostierbarer natürlicher Klebstoff.

Typisch nordisch
Was könnte typischer skandinavisch sein als ein Holzstuhl. Bestes Beispiel für die Hochwertigkeit im Umgang mit Holz ist der attraktive Rod-Stuhl von Mavis – Design: Pierre Sindre. Das auf den ersten Blick simpel wirkende Möbel begeistert bei genauerer Betrachtung mit herausragender Detailarbeit. Allerdings – obwohl Mavis ein traditionelles schwedisches Unternehmen ist (gegründet 1917), werden die Möbel heutzutage nicht mehr in Schweden, sondern in Lettland und Litauen gebaut – und das bereits seit 2008.
Ein ganz anderes Kaliber, was die Tradition betrifft, ist das Unternehmen Gemla. 1861 gegründet, wurde hier erstmals in Schweden die Wiener Bugholztechnik angewendet. Nach wie vor produziert Gemla seine Möbel in der Heimat und ist stolz darauf. Eine der Neuheiten im Programm 2025 kommt von Designer David Ericsson: der BIO Armchair. BIO ist von Gemlas Geschichte in der Herstellung von Kinosesseln im frühen 20. Jahrhundert inspiriert. Entworfen, um sich in Hotelzimmer und Lounges einzufügen, funktioniert er genauso gut im Büro oder Wohnzimmer. Der Lehnstuhl ist aus massiver Esche gefertigt, wobei die Armlehne in einem einzigen Stück von Hand dampfgebogen und in ihre umhüllende Kurve geformt wird.
Das viel beschäftigte Architekturbüro Studio Stockholm kann im Jahr 2025 mit einer ganzen Reihe von Möbeldesigns aufwarten. Unter anderem haben die Designer des Büros für Karl Andersson & Söner die Opera-Tische entworfen. Es handelt sich dabei um eine Tisch-Kollektion in unterschiedlichsten Größen und Formen. Gemeinsames Merkmal sind die stilisierten Pilaster (streifenförmige Wandpfeiler in der Architektur mit Basis und Kapitell), die als Tisch-Basis einen sehr expressiven Charakter annehmen. Der Decadent Lounge Chair ist das erste Stück einer Zusammenarbeit von Studio Stockholm mit Dusty Deco. Das Möbel wurde offensichtlich vom klassischen Clubsessel inspiriert. Seine skulpturale Form ist mit einem strukturierten Wollmischgewebe bezogen, was sowohl Textur als auch Tiefe bewirkt. Der FSC-zertifizierte Holzrahmen trägt einen weichen Sitz, der mit hochdichtem Schaumstoff und natürlichen Federn für viel Komfort sorgt.
Dass Loungemöbel auch leicht sein können, beweist der norwegische Designer Andreas Engesvik, der für Fogia den Pico-Loungesessel entworfen hat. Er ist leicht, aber dennoch stabil, temperamentvoll, aber dennoch flexibel. Pico fühlt sich wesentlich größer an, als er aussieht. Mit anderen Worten: Er braucht nicht viel Platz. Picos dünner Stahlrohrrahmen verringert sein Gewicht radikal, sodass er wie ein Hocker bewegt werden kann. Auch Fogia produziert nicht in Schweden, sondern in der eigenen Fabrik in Gdansk, Polen.
Die Rezession holt die Möbelindustrie ein
Laut jährlichem Statistikbericht des schwedischen Holz- und Möbelherstellerverbands TMF wirken sich die globalen Wirtschaftsturbulenzen weiterhin negativ auf die Möbel- und Einrichtungsbranche in Schweden aus. Nach dem starken Anstieg in den Coronakrisenjahren (2021, 2022) zeigen die Zahlen nun das zweite Jahr in Folge nach unten. Die Produktion fiel von 27,4 Mrd. Kronen im Jahr 2023 auf 26 Mrd. Kronen (2,4 Mrd. US-Dollar) im letzten Jahr, der Export auf 20,8 Mrd. Kronen (2023 – 22 Mrd.). Erik Haara, CEO von TMF, wünscht sich von der Politik mehr Unterstützung für schwedische Möbelexporte: „Die Regierung sollte Business Sweden beauftragen, im Rahmen der Exportstrategie ein spezielles Exportprogramm aufzulegen, um die schwedische Möbelindustrie zu fördern. Als Inspiration könne man sich zum Beispiel an der norwegischen Exportinitiative Hele Norge eksporterer orientieren“, meint er.
Die nächste Stockholm Design Week findet vom 2. bis 8. Februar 2026 statt.