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Zwischen Leidenschaft und Obsession – Sneaker sammeln

von Markus Schraml
Sneaker Collectors, TASCHEN

Die Welt der Sneakerheads ist bunt und voller Faszination für einen Schuh, der früher entweder nur für Sportzwecke angeschafft wurde oder weil er billiger war als herkömmliche Schuhe aus Leder. Sneakerheads sind Fans von Turnschuhen. Bei manchen geht die Leidenschaft dafür so weit, dass sie diese Schuhe sogar sammeln und Dutzende, Hunderte oder sogar Tausende Paare ihr eigen nennen. Im Taschen-Verlag ist ein Buch erschienen, das den weltgrößten Sneaker-Sammlern gewidmet ist. Darin hat der Gründer und Herausgeber des Magazins „Sneaker Freaker“, der Australier Simon „Woody“ Wood, sein gesamtes Wissen einfließen lassen und 2.500 besondere Sneaker und viele Hintergrundinfos zusammengetragen.

Der Grund, warum jemand zum Sneaker-Sammler wird, unterscheidet sich kaum von denen anderer Sammler, die sich für Dinge wie etwa Schallplatten, Gemälde oder Gläser interessieren. Es ist die Liebe für eine Produktkategorie, deren Ursache wiederum in persönlichen Erlebnissen und Begegnungen fußt. Um nach der ersten Faszination konkrete Taten folgen zu lassen, die auch mit nicht unerheblichen monetären Aufwendungen verbunden sind, braucht es den Akt der Selbstfindung, meint Autor Simon Wood. Wissen muss aufgebaut werden, um zu erkennen, worauf man sich dabei einlässt. Ist dies geschehen, „stehen Ihnen alle möglichen persönlichen Dilemmata, Zwickmühlen, finanzielle Dramen und subjektive Opfer bevor, die Sie endlos durcharbeiten müssen“, meint Woody und fügt hinzu, dass genau dies den Spaß ausmache.

Sneakerqueen Julia Schoierer inmitten ihrer Vintage-Sneaker-Sammlung in Berlin. © Julia Schoierer

Im 752-seitenstarken Werk listet Woody 38 Sammler bzw. Sammlergruppen auf, die sich auf unterschiedlichste Bereiche spezialisiert haben. Was einem Paar Schuhe Sammlungswürdigkeit verleiht, ist meist seine Seltenheit oder Besonderheit. An der Spitze steht der jeweilige „Heilige Gral“, also „der ultimative Sneaker, nach dem man schon immer gesucht hat, normalerweise exorbitant teuer, extrem selten und nirgendwo zu kaufen“, fasst Woody zusammen.

Jahrelange Recherche

Manchmal wird die Leidenschaft zur Obsession. So war Matt Kyte vom New Balance 997 (frühe 90er-Jahre) so besessen, dass er ein Jahrzehnt damit verbrachte, ein Archiv zu erstellen, das jede einzelne Veröffentlichung dazu detailliert aufführte. Das beinhaltete Informationen, die nicht frei verfügbar waren, weshalb Kyte in Sneaker-Foren, Katalogen, japanischen Blogs oder in praktisch nicht entzifferbaren Yahoo-Listings recherchieren musste. Während Kyte sich nur für ein einziges Schuhmodell interessiert, verfolgt Elliot Tebele die Karriere von Michael Jordan. In seiner Sammlung finden sich über 60 Paar Schuhe, die von Jordan während eines Spiels getragen wurden (authentifiziert) und von ihm signiert sind. Diese Kollektion von Player Exclusives reicht vom originalen Air Ship über den „broken-foot“ AJ1 mit „custom strapping“ oder einen AJ7, den Jordon beim Goldmedaillenspiel des Dream Teams in Barcelona getragen hatte, was mittels Foto bestätigt ist.

Der New Yorker Sammler Elliot Tebele mit einem Nike Air Ship von 1984. © TASCHEN

Zum Thema Sammeln sagt der New Yorker Tebele, der in seinen 30ern bereits eine 10-jährige Sammlerkarriere hinter sich hat, dass sich alles um die Jagd dreht (damit ist er nicht der einzige): „So eine Sammlung kann man nicht einfach kaufen. Es dauert unglaublich viele Stunden, die Nuancen jedes Paares zu erforschen und zu lernen, wie sich das auf den Wert auswirkt. Ich hatte auch großes Glück, dass ich da hineingekommen bin. Es war ja eine kleine Gruppe von Leuten, die diese im Spiel getragenen und signierten Michael Jordan-Schuhe sammelte. Und ich hatte das Glück, dort zu sein, als der Markt unterbewertet war.“ Aufgrund intensiver Recherchen gelang es Tebele, die meisten der Schuhe direkt von den Eigentümern zu kaufen.

In Paris ist Super Lalla eine erfahrene Sneakerhead mit einer Vorliebe für OG-Sneaker, Trailrunner und Nike ACG-Wanderschuhe. „Ich mag Schuhe aus einem einzigen Grund – meiner Liebe dafür! Die Leidenschaft, die Besessenheit, die Suche nach der perfekten Form, den perfekten Materialien, Farben und der Technologie hinter jedem Schuh … Manche Menschen sammeln Briefmarken und Steine. Ich sammle Turnschuhe“, betont Super Lalla.

Mit drei Jahrzehnten Erfahrung in der Schuhbranche ist Super Lalla eine Veteranin der legendären Pariser Szene. Ihr Geschmack reicht von Air Max 1 bis hin zu OG-Reifenschuhen, jedoch sind ausgefeilte Trailrunner und Wanderschuhe aus der Nike ACG-Linie ihre wahren Lieblinge. © Pete Casta

Vom Sammler zum Profi

Es gibt Sammler, die ihre private Faszination zu einer Profession gemacht haben, wie etwa Dave Goldberg, dessen Leidenschaft für die Sneaker-Marke Ewings so weit ging, dass er das Unternehmen kaufte. Oder Gary Aspden, dessen Liebe für die drei Streifen in einer Unternehmenskarriere mündete, wo er die Geburt der originalen BAPE x adidas Kooperation hautnah miterlebte und die zum eigenen Spezial Sublabel führte. Ein Sonderfall sind auch die „Chicks with Kicks“, drei amerikanische Schwestern, die von ihren Eltern eine 6.000 Exemplare umfassende Sammlung exotischer Schuhe vererbt bekamen. Es blieb aber nicht bei der Verwaltung des Familienerbes, sondern Ariana, Dakota und Dresden Peters haben die Kollektion von seltenen Prototypen, unveröffentlichten Samples und historisch bedeutenden Player Exclusives erweitert. Mit ihrer laut Eigenaussage nicht nur größten, sondern auch qualitativ wertvollsten Sammlung der Welt haben sie sich für den Guinness World Record beworben.

In der Sammler-Community sind Menschen, die sich mit viel Geld einfach alles schnell kaufen können, nicht gerne gesehen bzw. werden nicht als vollwertiges Gegenüber betrachtet. Denn Sammeln – vor allem Sneaker – ist eine Leidenschaft, die auch mit Opfern verbunden sein muss. Oft ist es so, dass für das aktuelle Objekt der Begierde andere Schuhe verkauft werden müssen – ebenfalls Lieblinge, von denen man sich aus monetären Gründen trennen muss. Und das ist nicht leicht.

Gary Aspden (links), der Kurator des adidas „Spezial“-Labels und Mike Chetcuti inmitten eines Haufens verstaubter adidas-Boxen mit Trainingsanzügen aus den 80er-Jahren. © Neil Bedford

Sneaker-Welt als Investment

Nicht zuletzt sind Sneaker und alles drum herum auch zu einem Investment geworden. Bei Auktionen erwirtschaften manche Modelle Millionen. Spitzenreiter war im September 2022 Michael Jordans Jersey Shirt, das der Basketballer beim Eröffnungsspiel der NBA Finals 1998 getragen hat. Es wurde für 10,1 Millionen US-Dollar verkauft. Aber schon 2021 erreichte der OG Nike Air Yeezy Prototyp bei Sotheby’s 1,8 Millionen US-Dollar. Der jüngste Millionenbetrag wurde im April 2023 für einen Air Jordan 13S ´1998 NBA Finals Game bei Sotheby‘s ausgegeben – 2,2 Mio. US-Dollar.

Manche der bei Auktionen erzielten Summen werden für karitative Zwecke gespendet. So taten sich im Jahr 2022 Nike, Virgil Abloh und Louis Vuitton zusammen, um 200 Paare Air Force 1 zu kreieren. Die Gebote begannen bei 2.000 US-Dollar und erreichten für das einzige Einzelstück 352.000 US-Dollar. Die Gesamteinnahmen für alle 200 versteigerten Paare beliefen sich auf 25,3 Millionen US-Dollar, wovon ein Prozentsatz zur Unterstützung von Ablohs Stipendienfond für schwarze Studenten aufgewendet wurde.

Auf den über 700 Seiten enthält das Buch World’s Greatest Sneaker Collectors nicht nur Infos über die Big Two bei Sneaker-Sammlern: Nike und adidas, sondern über eine ganze Reihe von Marken und unterschiedlichsten Sammlerpersönlichkeiten, die ausführlich vorgestellt werden. Zudem enthält der Band einen praktischen How To…-Guide zu den Themen Reinigung, Lagerung, Fälschungserkennung usw.

Ein Buch für Sammler und welche, die es noch werden wollen: World’s Greatest Sneaker Collectors. Simon „Woody“ Wood, Hardcover, 21.0 x 31.5 cm, 3.21 kg, 752 S., Verlag: TASCHEN

Faszination, Leidenschaft, Wissen und ständige Recherche sind Eigenschaften, die für richtige Sammler unerlässlich sind. Oder wie Simon „Woody“ Wood es ausdrückt: „Was all diese Sammler gemeinsam haben, ist nicht nur die Liebe zu feinstem Schuhwerk – es ist ihr ungeheurer Wissensdurst“.


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