Am 20. Juli lädt die Bundesstiftung Baukultur zur Veranstaltung „70 Jahre Fußgängerzonen in Deutschland “ in der Stadt Kassel und dem KAZimKUBA (Kasseler Architekturzentrum im Kulturbahnhof) ein. In diesem Baukulturdialog geht es um die aktuelle Debatte im Hinblick auf die Weiterentwicklung der deutschen Innenstädte. Fußgängerzonen waren im 20. Jahrhundert ein zunehmend wichtigerer Teil dieser Entwicklung und werden es auch in Zukunft sein – womöglich in ausgeweiteter Form und ohne die Titulierung als Zone, also als eng begrenzter Bereich.
1953 waren die Treppenstraße in Kassel, die Holstenstraße in Kiel und ein Teilabschnitt der Schulstrasse in Stuttgart die ersten Fußgängerzonen in Deutschland. Heute gehören sie zur Grundausstattung nicht nur deutscher Innenstädte. Wobei in kleineren Städten (vor allem in der Nähe von Metropolen) der Erfolg zweifelhaft blieb. Oft sind sie schlecht besucht und abends sowieso verlassen. Mit dazu beigetragen hat auch die Ansiedlung von Einkaufszentren an den Stadträndern. Ist also die wirtschaftliche Kraft einer Stadt nicht optimal, ergibt dies leere Innenstadtbereiche. Größere Städte kennen dieses Problem nicht, dort ist genügend Potenzial vorhanden, wodurch Lagen in Fußgängerzonen sogar zu begehrten Orten für den Handel geworden sind.
Zukunft der Fußgängerzone
Bei der Veranstaltung in Kassel sollen Fragen gestellt werden, wie, welche Verfahren und Prozesse sind nötig, um die Fußgängerzone als städtebauliches Element in die Zukunft zu führen? Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, meint dazu: „70 Jahre Fußgängerstraßen in Deutschland sind ein tolles Jubiläum und Anlass für eine Debatte über die Zukunft unserer Zentren. Der Handel allein ist heute nicht mehr ausreichend, um dauerhafte Lebendigkeit in den Innenstädten zu schaffen. Bildung, Wohnen, Gastronomie, Kultur und Freizeitaktivitäten müssen die Zentren wiederbeleben. Aber auch blaue und grüne Infrastrukturen sind notwendig, um die Innenstädte in die Zukunft zu führen. All dies bündelt sich in einer neuen, zeitgemäßen Erschließung.“
In der Stadt Kassel sind die Fußgängerzonen eine Erfolgsgeschichte, zumindest für den Stadtbaurat der Stadt, Christof Nolda. Er sieht sie als Inseln des Verweilens. „Fußgängerzonen haben sich in den letzten Jahrzehnten als natürliche Verbündete des Einzelhandels erwiesen – nirgends sonst sind Ladenzeilen so begehrt und Mieten entsprechend hoch. Mit dem Wandel von Innenstadt, Quartierszentren und unserem Mobilitätsverhalten ist meine These, dass wir sogenannte Fußgängerzonen und Promenaden als ein Konzept zur qualifizierten Weiterentwicklung des öffentlichen Raumes auch außerhalb der eigentlichen Innenstadt einrichten sollten.“
Diese Vermutung des Kasseler Stadtbaurats würde auf den ersten Blick zu mehr Lebensqualität im öffentlichen Raum auch in anderen Bezirken und Quartieren führen. Andererseits muss hier mit Bedacht vorgegangen werden, um nicht gewachsene, im Grunde gut funktionierende Strukturen mit städteplanerischem Übereifer negativ zu übertünchen.
Baukultur im Dialog
Mit den Baukulturdialogen sucht die Bundesstiftung Baukultur das direkte Gespräch mit Entscheidern und Engagierten aus dem Baubereich. Die Dialoge finden in wechselnden Städten in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern statt. Anhand eines Beispiels vor Ort werden baukulturelle Fragestellungen diskutiert. So ermöglichen die Dialoge einen direkten Austausch zwischen einzelnen Akteuren aus Kommunen und Bauwirtschaft, Planungs- und Immobilienwesen. Insgesamt soll diese Veranstaltungsreihe für einen langfristigen Bedeutungszuwachs regionaler, baukultureller Themen sorgen.