Home Design Alltag aus den Fugen – Dekonstruktionen von Stefan Wewerka

Alltag aus den Fugen – Dekonstruktionen von Stefan Wewerka

von Markus Schraml
Der vielseitige M1-Tisch in Rot. Im Hintergrund sind die ikonischen Classroom Chairs von Stefan Wewerka zu sehen. © Tecta

Halbierte („Masse und Raum“, 1961), windschiefe (Grüner Stuhl, 1968) oder Comic-ähnlich verbogene (Classroom Chair, 1978/2008) Stühle waren das Markenzeichen des Künstlers Stefan Wewerka (1928 – 2013). Im Lauf der Jahre entwickelte der ausgebildete Architekt seinen dekonstruktivistischen Ansatz weiter und gestaltete sogar funktionelle Möbel, die allerdings viele Konventionen hinter sich ließen.

Im Jahr 1979 entwarf Wewerka den Stuhl B1, der von Tecta produziert wurde. Er ist Ausdruck der grundsätzlichen Überlegungen des Künstlers zu Alltagsobjekten. Dazu schreibt Stefan Wewerka: „Die Stühle, die es bis dahin gab, waren alle eindimensional gedacht: Man setzt sich, hat rechts und links eine Armlehne, schaut geradeaus, kann die Beine übereinanderschlagen oder sich rittlings setzen. Mehr Abweichungen gestattet ein solcher Stuhl kaum … Jede Drehung des Körpers hat ein unbequemes Sitzen zur Folge. Dieses Festgelegtsein hat mich immer gestört, und mit dem B1 konnte ich meine Vorstellung umsetzen, die verschiedene bequeme Sitzhaltungen erlaubt.“

Im selben Jahr entwarf Wewerka den Tisch M1. Die Idee dahinter war, durch eine fächerartige Platte ein „behagliches Zusammensein“ kleiner und größerer Gruppen zu ermöglichen. Dabei reichen die Einsatzoptionen über den Wohnbereich hinaus. Auch Arbeits- und Konferenzsituationen kann der M1 perfekt unterstützen. In Unterbau und Kasten können Gegenstände wie Geschirr, Gläser oder Flaschen, aber auch Büroutensilien untergebracht werden. Außerdem gibt es die Möglichkeit am Kastenende zusätzliche technische Kleingeräte anzubringen. Der von Tecta produzierte Tisch ist in Esche furniert, in Schwarz, Weiß oder Rot lackiert erhältlich. Auf Wunsch auch in RAL Sonderfarben.

Der Tisch M1 wertet jeden Raum auf, in dem er dem konventionellen Auge eine Überraschung bereitet. © Tecta

Mit dem asymmetrischen „Einschwinger B5“ (1982), damals ebenfalls bei Tecta erschienen, griff Wewerka das Thema Stahlrohr auf und entwickelte auf seine unverkennbare Art, einen Stuhl, der das „freie Sitzen“ unterstützen soll. Neben dem Design ungewöhnlicher Möbel verfolgte Stefan Wewerka auch Architekturprojekte, wobei das einzige größere Projekt, das auch umgesetzt wurde, die Bundesjugendherberge Bonn-Venausberg in den 50er-Jahren war. Herausragende künstlerische Arbeiten sind zum Beispiel die „Stadtverweiszeichen“ in München am Brudermühltunnel (1988) sowie der Wewerka-Pavillon in Münster (1987, Entwurf im Rahmen der documenta 8, Eigentümer ist Axel Bruchhäuser von Tecta).

Von 1977 bis 1993 lehrte Wewerka als Professor für Grundlagen im Fachbereich Kunst und Design an der Fachhochschule Köln. Am 14. September 2013 starb Stefan Wewerka in Berlin.

Fotos zu den erwähnten Entwürfen (die aus rechtlichen Gründen hier nicht gezeigt werden dürfen) finden Sie auf der Website des Wewerka-Archivs.



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