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Daylight Award 2020 – Tageslicht in der Architektur

von Markus Schraml

Der Daylight Award 2020 wird an drei Persönlichkeiten verliehen, die sich auf unterschiedliche Art mit dem Thema Tageslicht auseinandersetzen. Die aktuellen Preisträger sind Juha Leiviskä, Russell Foster und Henry Plummer, der eine Auszeichnung für sein Lebenswerk erhält. (eine Besonderheit in diesem Jahr). Der Finne Leiviskä wird für seine Arbeiten im Feld Architektur geehrt, in denen er eine „einzigartige Fähigkeit beweist, Tageslicht zu einem integralen Bestandteil seiner Gebäude zu machen“. In der Kategorie Daylight Research wird Russell Foster aus Großbritannien für seine klinischen Studien ausgezeichnet, in denen er „wichtige Fragen zum Thema Licht untersucht“ und dessen Auswirkungen auf den Menschen. Der Lifetime Achievement Award für Henry Plummer ehrt den US-Amerikaner für seine außergewöhnlichen Fotos und Schriften über Tageslichtphänomene. Diese Auszeichnung wurde 2020 einmalig aus Anlass des 40. Jahrestages des ersten Daylight Awards verliehen.

In der Begründung der Jury heißt es: „Während der Preisträger Russell Foster die Wissenschaft hinter den Auswirkungen von Tageslicht auf das physische und psychische Wohlbefinden des Menschen studiert, beschäftigen sich die Preisträger Juha Leiviskä und Henry Plummer intuitiv durch architektonische Gestaltung, fotografischen Ausdruck und verbale Vermittlung dieser menschlichen Reaktionen mit den Auswirkungen und Begleiterscheinungen von Tageslicht. Die Preisträger des Daylight Award 2020 zeigen uns die Kraft des natürlichen Lichts, indem sie die neuronalen Effekte des Lichts erklären oder aber die poetische Essenz des Lichts ansprechen.“

Daylight in Architecture: Juha Leiviskä

Juha Leiviskä gehört zu den bedeutendsten Architekten Finnlands. Er kombiniert Funktionalität, Emotionen und die subtile Präsenz von Licht als Teil der räumlichen Erfahrung. Besondere Relevanz erhält Leiviskäs Arbeit im Hinblick auf aktuelle Fragestellungen in der Architektur, die sich um die Nutzung natürlicher Ressourcen, nachhaltigen Komfort und die Umwelt generell drehen. „Tageslichtlösungen in der modernen Architektur basieren normalerweise auf Variationen des Zenitlichts oder schmalen Dach- oder Wandschlitzen, um das Licht an den Oberflächen des architektonischen Raums entlangzuführen. Leiviskäs Licht ist ein schräges Licht, das sowohl direkt auf vertikale Oberflächen trifft als auch reflektiert wird, um Erfahrungen von geschichtetem Licht mit einem ausgeprägten Eindruck von Tiefe zu erzeugen. Sein Licht beleuchtet nicht nur Oberflächen, es scheint auch im architektonischen Raum selbst zu entstehen und lebendig zu existieren. Ein besonders subtiler Effekt in seinen Lichtartikulationen ist die Verwendung von reflektierter Farbe, die Farbe zu einem sich ständig ändernden, kinetischen und pulsierenden Phänomen macht. Die Farben werden heller und verblassen dann, erscheinen und verschwinden je nach Intensität und Richtung des Sonnenlichts, wie beim Atmen“, erklärt die Jury.

Leiviskä wurde nach den 1970er Jahren durch eine Reihe außergewöhnlicher und emotionaler religiöser Gebäude international bekannt. Seine Kirchen sind meisterhafte Instrumente des Tageslichts. Während er sich unter anderem von bayerischen Barockkirchen inspirieren ließ, folgen seine planaren orthogonalen Kompositionen den Prinzipien des visuellen Kontrapunkts von De Stijl. Sein Umgang mit Licht spiegelt vor allem die natürlichen Lichtverhältnisse in nordischen Wäldern, insbesondere das Gegenlicht, durch Laub gesehen, wider.

Daylight Award 2020 für Forschung: Russell Foster

Der Neurowissenschaftler Russell Foster ist Direktor des Nuffield Laboratory of Ophtalmology und Leiter des Instituts für Schlaf- und zirkadiane Neurowissenschaften an der Universität von Oxford. Er ist Autor von an die 200 wissenschaftlichen Publikationen und erhielt 2015 den Orden Commander of the Order of the British Empire, CBE. Fosters wichtigste wissenschaftliche Entdeckung ist eine spezielle Zelle im Auge, die als Lichtsensor fungiert und welche die Körperuhr und den Schlaf-wach-Rhythmus auf den Tag-Nacht-Zyklus ausrichtet. Ohne diese spezielle Zelle würde unsere Synchronität mit dem Tagesrhythmus verloren gehen. Diese Entdeckung hat fundamentale Grundsätze des Wissens über die Auswirkungen von Licht auf biologische Systeme und die menschliche Physiologie verändert. Die Jury würdigt Russell Fosters Arbeit, in der die „kurz- und langfristigen gesundheitlichen Folgen von Licht ermittelt werden.“ Seine Forschung gibt Antworten darauf, wann und wie Licht verstärkt und wann es reduziert und verdunkelt werden sollte.

Daylight Award – Lifetime Achievement: Henry Plummer

Als Architekturwissenschaftler hat sich Henry Plummer der Erforschung des Tageslichts in der Architektur gewidmet. „Durch umfangreiche Kritik und fotografische Untersuchungen liefert er eine durchdachte und eindrucksvolle Bewertung unzähliger Gebäude der Geschichte. Sein einzigartiger Ansatz zur Aufdeckung der transformativen, metaphysischen Qualitäten des Tageslichts besteht darin, seine Fähigkeit zur narrativen Analyse mit seinem herausragenden Talent als Architekturfotograf zu verbinden. Auf diese Weise hat sein umfangreiches Werk Generationen von Architekten dazu inspiriert, die Erfahrungsaspekte des Tageslichts in der Architektur zu zelebrieren“, meint die Jury. Plummer hält sowohl das Beschreiben als auch das Abbilden für wichtige Teile des Ganzen: „Worte untersuchen Ideen und Gedanken, Beobachtungen und Analysen in Bezug auf Licht, während Bilder die Phänomene selbst darstellen. Vor diesem Hintergrund sind die Fotografien nicht als Textillustrationen gedacht, sondern als eigene Untersuchungsmethode. Diese versucht, die metaphysischen Aspekte der Architektur, deren Bedeutung weitestgehend über den Bereich der Worte hinausgeht, sorgfältig zu untersuchen“, erläutert Plummer.

Henry Plummer hat eine ganze Reihe bemerkenswerter Bücher veröffentlicht. Beginnend mit seinen frühen Beiträgen zur japanischen Zeitschrift ‚Architecture + Urbanism‘, wie „The Poetics of Light“ (1987), „Light in Japanese Architecture“ (1995) und „Masters of Light“ (2003). Letzteres ist ein umfangreicher Katalog (420 Seiten) mit über 50 architektonischen Meisterwerken des 20. Jahrhunderts, der die erste umfassende Analyse des Tageslichts in Architekturprojekten von Aalto bis Wright darstellt. Es folgten Bücher wie „The Architecture of Natural Light“ (2009), „Stillness and Light: The Silent Eloquence of Shaker Architecture“ (2009), „Nordic Light: Modern Scandinavian Architecture“ (2012) und „Cosmos of Light: The Sacred Architecture of Le Corbusier“ (2013). In seinem 2016 erschienen Buch „The Experience of Architecture“ hebt er die multisensorischen Erfahrungen von Licht in der Architektur hervor – insbesondere vertieft er hier das Zusammenspiel von Stille und Licht.

Der Daylight Award

Der Daylight Award wurde von den Stiftungen VILLUM FONDEN, VELUX FONDEN und VELUX STIFTUNG ins Leben gerufen und wird alle zwei Jahre in zwei Kategorien verliehen: Daylight Award für Forschung und Daylight Award für Architektur. 2020 werden ausnahmsweise drei Preisträger ausgezeichnet. Der Lifetime Achievement Award wird zur Feier des 40. Jubiläums des allerersten Daylight Award verliehen. Es handelt sich um persönliche Preise, die jeweils mit 100.000 Euro dotiert sind.


 

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