Home Design Die Seele des Baumes in Glas – Patrick Jouin iD

Die Seele des Baumes in Glas – Patrick Jouin iD

von Markus Schraml
Dieses Bild, in dem Glas über einen Ast gestülpt wird, verdeutlicht die enge Beziehung von Glas und Holz. Da jeder Baum unterschiedlich ist, sind auch die „Vera“-Leuchten nicht gleich. © Lasvit

Patrick Jouin gründete sein Designstudio im Jahr 1998, elf Jahre später widmete ihm das Centre Pompidou eine Soloausstellung. Für seinen „Pasta Pot“ für Alessi wurde er mit dem Compasso d’Oro ausgezeichnet, seine Solid-Serie (2004) fand Aufnahme in die Sammlung des MoMA. Es war die erste Möbelserie, die im 3D-Druckverfahren hergestellt wurde. Einige seiner bemerkenswertesten Projekte entstanden im Bereich der Beleuchtung. Etwa die von den subtilen Nuancen der Morgen- und Abenddämmerung inspirierte „LightMeTender“ für DCW ÉDITIONS oder „Axi“ für Italamp, wo Jouin eine simple Borosilikatglasröhre mit farbigen Glasblütenblättern mischt.

Jüngste Designs sind „Or“ für Leucos und „Vera“ für Lasvit. Letztere Kreation lebt von der intensiven Verbindung zwischen Glas und Holz. Im Zuge eines Besuchs in Tschechien und auf dem Weg durch den Wald zu den Glaswerkstätten Lasvits, fiel Jouin das viele Totholz in diesem wilden, unberührten Waldstück auf. „Ich wusste, dass man für die Glasproduktion Holz benötigt. Man verwendet praktisch die Energie der Sonne, die von den Bäumen eingefangen wurde, um den Schmelzprozess in Gang zu setzen, aus dem das Silizium hervorgeht. Ich wollte mit diesem Projekt die Seele des Baumes im Glas einfangen“, erklärt Jouin.

Patrick Jouin ist ein enger Freund von Wäldern und Bäumen. Man müsse ihnen zuallererst Respekt zollen. Durch einen mysteriösen Wald zu wandern, beflügelt die Gedanken, sagt er. „Vera“ strahlt diese tiefe Verbindung zur Natur des Waldes aus. Die Baumrinde ist in das Glas eingeprägt, was zu einer natürlichen Struktur führt. Verwendet werden technisches Glas und Schmelzglas, wo durch den Herstellungsprozess die organische Form der Rinde abgebildet werden kann.

Eine ganz andere Idee liegt der Leuchte „Or“ zugrunde, eine Neuheit, die Jouin für Leucos entwarf. Es ist die Geometrie des Kreises. „Eine geschmeidige Lichtlinie auf einer Fläche offenbart ihre Tiefe im Raum. Von vorne betrachtet ist es ein perfekter Kreis – eine reine und absolute Form. Doch sobald man sich bewegt, verändert sich die Wahrnehmung. Die Linie entfaltet sich, ein Teil nah an der Wand, der andere schwebend, wodurch ein unerwartetes Tiefenspiel entsteht. Dieses Zusammenwirken der sich kreuzenden und verbindenden Ringe bildet einen freien, zufälligen Weg“, beschreibt Jouin.

Ausgehend von einem scheinbar einfachen Kreis – verändert sich „Or“, wenn man sich um die Leuchte herum bewegt. © Patrick Jouin iD

Im Jahr 2006 gründete Patrick Jouin mit dem kanadischen Architekten Sanjit Manku das Büro Jouin Manku, das sich Architektur- und Innenarchitekturprojekten widmet. Eine beeindruckende Arbeit war die Renovierung des La Mamounia Hotels in Marrakesch, wofür sie sich mit Lasvit zusammentaten und den Tea Room sowie das italienische Restaurant mit glanzvollen Lichtinstallationen ausstatteten. Über seine Einstellung zum Thema Beleuchtung sagt Jouin: „Manchmal geht es darum, die Aufmerksamkeit der Menschen zu erreichen. Licht ist dann wie ein Zeichen, das die Menschen anzieht. Manchmal geht es um die Beleuchtung in einem Raum, wo man nicht genau sagen kann, woher das Licht eigentlich kommt. Im Grunde möchte ich Stimmungen erzeugen. Es ist oft ein Spannungsfeld zwischen dem Beleuchten und dem Erzählen einer Geschichte. Leuchten wie „Vera“ funktionieren auch, wenn das Licht ausgestaltet ist. Es sind einfach starke Objekte. Die Lichtquelle, der Schatten, die Stimmung, die Poesie – es sind unterschiedliche Kombinationen von Dingen, je nachdem welches Resultat man haben möchte“, betont Jouin.

Die geformten Glasstücke von AXI (Italamp) scheinen um die Röhre herum zu schweben. Sie spielen mit Licht, seinen Nuancen und Geheimnissen. © Thomas Duval Film

Die wichtigste Prämisse in jedem Designprozess sei jedoch die Intuition. „Am Beginn jedes Projekts steht die Intuition, weil sie schneller ist als ich selbst. Wenn meine Intuition mir etwas sagt, dann höre ich zu. Ich folge der Intuition, ohne es gleich zu verstehen. Während des Prozesses kann man es dann verarbeiten. Dann wird die Intuition seziert“, erläutert der Designer.

Mit der Patrick Jouin Édition präsentiert das Studio 2025 eine weitere Neuheit. Es ist eine Kollektion, in der Material und Handwerkskunst freien Lauf gelassen werden soll. Als intimes Labor konzipiert, soll diese erste Serie selbst initiierter Stücke Einzigartigkeit, exzellentes Savoir-faire und die Einladung zum Unerwarteten repräsentieren.


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