Home Craftsmanship Leon Jakimič (Lasvit) über Handwerk, Tradition und Moderne

Leon Jakimič (Lasvit) über Handwerk, Tradition und Moderne

von Markus Schraml
Lasvit, Leon Jakimic

Das tschechische Unternehmen Lasvit als Leuchtenhersteller zu bezeichnen wäre ein Euphemismus, denn die faszinierenden Lichterlebnisse, die Lasvit seit 2007 weltweit umgesetzt hat, gleichen künstlerischen Rauminstallationen, die die Emotionen der Menschen ad hoc aktivieren. Die Begegnung mit einer Lichtlösung des Unternehmens in einem Luxushotel oder Konzertsaal Asiens löst sofort Staunen aus. Dabei geht es Gründer Leon Jakimič um eine Verschmelzung von böhmischer Glastradition und Moderne. Und um eine Weiterentwicklung des handwerklichen Know-hows, das dahinter steht. Dass daraus Kreationen entstehen, die luxuriösen Innenräumen rund um den Globus Glanz verleihen, ist den Ideen renommierter Designer, Architekten und Künstler wie Kengo Kuma, Oki Sato (nendo), Yabu Pushelberg oder David Rockwell zu verdanken. Allen voran steht die kreative Wucht von Art Director Maxim Velčovský.

„Miles“ von Yabu Pushelberg ist eine Kollektion, die von den Parallelen zwischen dem Musizieren und dem Glasblasen inspiriert ist. © Lasvit

Gleichzeitig ist das Wissen der Handwerker (vor allem der Glasbläser) von entscheidender Bedeutung. Sie kennen die traditionellen Fertigkeiten, sind aber immer offen dafür sie auch für fortschrittliche Projekte einzusetzen und weiterzuentwickeln. Die Wichtigkeit dieses Zusammenspiels von Designern und Handwerkern betont Leon Jakimič im FORMFAKTOR-Exklusivinterview immer wieder. Wir trafen den Gründer und CEO am Lasvit-Messestand während der diesjährigen Euroluce in Mailand.


FORMFAKTOR: Was sind die größten Herausforderungen für ein Unternehmen wie Lasvit aktuell?

Leon Jakimič: Die größte Herausforderung ist, immer originell zu sein, also etwas Unerwartetes zu präsentieren. Es gibt so viele Firmen, die sich mehr oder weniger gegenseitig kopieren. Wir sind anders. Ich werde oft gefragt: warum verwendet ihr so teure Materialien, warum diese extreme Detailversessenheit, aber ich denke, das ist der einzige Weg, um originell zu sein.

FORMFAKTOR: Lasvit ist für außergewöhnliche Glaskreationen bekannt. Wie sieht ihr Zugang zum Thema Materialien aus?

Leon Jakimič: Wir verwenden Stein, Metall, Glas und Holz, kein Plastik, denn wir mögen keine künstlichen Materialien, sondern natürliche. Es geht um die natürlichen Materialien, originelle Designs, aber auch um Handwerk, Konzept und Kultur. Lasvit-Art Director Maxim Velčovský nennt das – unsere drei Cs (Concept, Context, Craftmenship) und ich selbst füge das vierte C hinzu – Culture (Kultur). Originell zu sein ist nicht leicht, denn in der Geschichte des Designs gibt es bereits sehr vieles. Maxim ist in dieser Beziehung wie ein wandelndes Lexikon. Er betrachtet ein Design und weiß sofort: Das gibt es schon. Er ist sehr gut im Erkennen von etwas Neuem, von etwas, das noch nie gemacht wurde.

Art Director Maxim Velčovský mit einem Element seiner Glasinstallation „Cloud“. © Lasvit

FORMFAKTOR: Sie sprachen von Kontext. Wie ist das zu verstehen?

Leon Jakimič: Das Wort Kontext bezieht sich darauf, dass wir für jede Designaufgabe den richtigen Designer auswählen müssen. Nicht jeder Designer kann mit Lasvit arbeiten. Wir sind ein Unternehmen aus Böhmen und wir mögen Dinge, die mit der Geschichte der Region in Verbindung stehen. Zum Beispiel kommt der Sand aus der Gegend, in der wir leben. Das heißt, unsere Designer müssen unsere Werte, unsere Geschichte und unsere ästhetische Vision verstehen. Wichtig dabei ist auch die Einstellung des Art Directors. Ich würde sagen, Maxim hat ein mittelstarkes Ego, was gut ist. Denn ist das Ego zu groß, will der Art Director alles selbst designen, ist es zu klein, lässt er den Designern zu viel Freiheit. Mit einem mittleren Ego kann er dafür sorgen, dass eine Reihe von passenden Designern beteiligt wird, dass aber immer auch die Lasvit-DNS erhalten bleibt.“

FORMFAKTOR: Die böhmische Glasbläserkunst hat eine lange Tradition. Die Kreationen von Lasvit sind bei all ihrem Glamour aber durchaus fortschrittlich …

Leon Jakimič: … Wir interpretieren die Tradition auf eine neue Art. Meine Vision ist es, die Handwerkskunst für zukünftige Generationen zu erhalten.

FORMFAKTOR: Ist das Handwerk in Gefahr?

Leon Jakimič: Sicherlich, sehr viele Dinge werden heutzutage von Robotern erledigt. Oder von Arbeitern, die Maschinen bedienen. Der Unterschied ist, dass der Arbeiter seine Hände verwendet, der Handwerker verwendet seine Hände und sein Hirn und der Handwerkskünstler verwendet seine Hände, sein Hirn und sein Herz. Nur sehr wenige Menschen können Handwerkskünstler sein. Und ich glaube zutiefst, dass, wenn etwas mit Herz gemacht wird, dann strahlt das Produkt eine besondere Energie aus. Selbst in einem dunklen Raum kann man diese Energie spüren. Das fühle ich nicht bei einem von Maschinen produzierten Gegenstand.

FORMFAKTOR: Welchen Anteil hat das Handwerk an Ihren Kreationen?

Leon Jakimič: Die Handwerkskünstler arbeiten mit den Designern zusammen. Meistens kommt der Designer mit einer Idee, aber das Endprodukt ist stets eine 50:50-Leistung. Zum Beispiel wissen die Handwerker wie etwas zu 99 % so aussieht wie die Ur-Idee, aber nur die Hälfte kostet. Sie finden Techniken, die sehr viel Aufwand einsparen helfen.

FORMFAKTOR: Das eine ist die Handarbeit, aber gerade bei Leuchten spielt Technologie eine wichtige Rolle …

Leon Jakimič: … Erstens wollen wir die Handwerkskunst nicht nur erhalten, sondern auch weiterentwickeln. Gerade deshalb müssen wir Technologien mit einbeziehen und nicht dagegen ankämpfen. So kann die neueste Lichttechnologie zum Beispiel sehr gut Stimmungen beeinflussen. Unsere Entwicklungsabteilung hat bestimmte Rotlichttöne erforscht, die die Stimmung und die Qualität des Lichts positiv beeinflussen können. Auch im Hinblick auf den Tagesablauf. Das heißt, die Lichtquelle hinter unseren Materialien, da sehe ich großes Potenzial. Wir haben auch kinetische Installationen, die auf die Bewegungen der Besucher oder auf Klang reagieren. Ein Beispiel dafür ist die Installation Neurons im Konzertsaal der Mahidol-Universität in Thailand. Ein Schwerpunkt der Universität ist die Hirnforschung, deshalb haben wir unsere Installation als ein Netz von Neuronen gestaltet. Die Lichter in der Lobby reagieren auf den Klang der Musik. Das heißt, selbst Menschen, die außerhalb des Konzertsaals sind und die Musik nicht hören, können durch den Rhythmus die Musik nachempfinden.

FORMFAKTOR: Welchen Stellenwert hat Forschung & Entwicklung bei Lasvit?

Leon Jakimič: In unserem Forschungsteam arbeiten 23 Leute, was relativ viel ist für ein Unternehmen mit insgesamt 320 Mitarbeitern. Sie arbeiten sowohl an der Lichtquelle als auch an den Materialien und an der Kombination von beidem. Das Team arbeitet an langfristigen Projekten, aber auch als Teil der Designabteilung an aktuellen Aufgaben. Wichtig ist das Experimentieren speziell mit natürlichen Materialien. Dabei darf man keine Angst davor haben, immer wieder herausfordernde Projekte anzugehen, die wirklich nur gute Handwerkskünstler umsetzen können. Gleichzeitig sollten sie bis zu einem gewissen Grad auch in Serie produziert werden können und nicht bloß Einzelstücke sein. Ich meine nicht Hunderttausende, sondern einige Hundert oder Tausend Stück pro Jahr.

FORMFAKTOR: Lasvit ist für außergewöhnliche Lichtlösungen, für Einzelstücke bekannt. Aber sie sagten schon im vergangenen Jahr, dass sie mehr und mehr in den Consumer-Markt gehen wollen. Wie hat sich dieser Bereich entwickelt?

Leon Jakimič: Dieser Bereich ist gewachsen und liegt jetzt bei etwa 15 %. (Anm. von 7 auf 15 %) Eigentlich sollte die Consumer-Produktlinie bei 50 % liegen. Es ist ja beinahe unnatürlich, den Großteil seines Einkommens mit Custom-Produkten zu machen.

FORMFAKTOR: Egal ob Consumer-Produkt oder Einzelstück – in beiden Fällen steckt Handarbeit dahinter, was den Kreationen Charakter verleiht, denke ich …

Leon Jakimič: … Originalität bedeutet nicht nur das Produkt selbst zu verkaufen, sondern auch das was dahinter steht. Also die Liebe, die vielen Stunden der Forschung, die Ingenieurskunst, die Handarbeit. Wenn ich zum Beispiel eine „Frozen“-Hängeleuchte (Design: Maxim Velčovský) über meiner Kücheninsel montiert habe und sich Reflexionen davon an der Decke abzeichnen, dann denke ich jedes Mal wenn ich sie sehe nicht nur an das Stück selbst, sondern auch daran was dahinter steckt. Die Handwerkskünstler, die das heiße Glas über die Metallform gießen. Schicht für Schicht bis das Stück fertig ist. Sie haben aber keinen Einfluss darauf, wie sich die Schichten letztendlich verbinden. Das heißt, jedes Stück ist ein Unikat.

FORMFAKTOR: Gerade Glas zu blasen ist ja keine leichte Arbeit.

Leon Jakimič: Sie arbeiten dort wie in einer Sauna, 40.000 Grad. Die Arbeit ist schweißtreibend, sie stehen um vier Uhr früh auf und arbeiten bis 14 Uhr. Sie trinken Leichtbier, weil Wasser zu dünn wäre. Ich glaube, die Glasarbeiter sind die einzigen, die hier eine versicherungstechnische Ausnahme bilden und Alkohol bei der Arbeit trinken dürfen.

Danke für das Gespräch!


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