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Gegen den Strom – Walter Grill bringt Humor ins Design

von Markus Schraml
Walter Grill sind klassische Designwerte wie Ästhetik, dezente Materialnutzung und die Reduktion auf das Wesentliche wichtig. Aber auch der Humor spielt eine bedeutende Rolle. Foto © Christian Novak

Als junges Designtalent Erfolg zu haben, verlangt Durchhaltevermögen, außergewöhnliche Ideen und eine gehörige Portion Glück. Auf jeden Fall ist es kein leichter Weg, umso mehr, wenn eine unabhängige Karriere angestrebt wird. Auch in Österreich hängen die Früchte der Erfüllung für Designer hoch. Grundsteine dafür sie dennoch zu erreichen, sind kreative Einfälle, die sonst keiner hat, eine charakterstarke Gestaltungssprache und das gewisse Etwas. All diese Kriterien erfüllt Walter Grill. Er ist seit 2017 unabhängiger Designer und sein Karriereweg führte ihn über einige Umwege zu seinem Traumberuf.

Nach seiner schulischen Ausbildung an der KMD Herbststraße studierte Grill an der Angewandten in Wien, die er aber bald wieder verließ, weil ihm der technisch-visionäre Designansatz des neuen Lehrers (Ross Lovegrove) nicht zusagte. Er machte sich erstmals selbstständig, um einen Lenkbob für Stunts zu entwickeln. Ein Kindheitstraum. Er baute einen Prototyp, stellte in auf der Sportmesse in München vor und musste feststellen, dass die Idee, seine Designkarriere mit einem Lenkbob zu beginnen, doch nicht so schlau war.

Als nächste Station gründete Grill ein Start-up im Bio-Lebensmittelbereich. Ein weiterer Umweg hin zum eigentlichen Ziel, Designer zu sein: „Ja, das war ein riesiger Umweg, aber sehr lehrreich, da ich in diesen zwei Jahren alles Mögliche auf die Beine stellen musste: Bio-Zertifizierungen, die Produktion, Etiketten, Messestände, Website, Produktfotos etc. Es war eine wichtige und gute Vorbereitung auf den Designerberuf. Eine glückliche Fügung, kann man sagen“, erzählt Grill im Interview in Wien.

Letztlich erkannte Walter Grill, dass die Profitchancen der Biofood-Idee, ein veganes Schmalz aus der Rezeptkiste seiner Mutter, sehr gering sein würden – vor allem ohne Produktionspartner. Durch einige glückliche Zufälle und mithilfe von Unterstützern gelangte er schließlich zur Firma Verival, ein Unternehmen im Bio-Frühstückssektor. Dort wollte er seine Food-Idee nochmals präsentieren. Im Zuge eines Treffens erhielt er allerdings überraschenderweise einen Designauftrag und war damit endlich bei seinem eigentlichen Berufswunsch angelangt.

Utensilien fürs Frühstück

Der Auftrag war, ein Tablett für die Glaskaraffen von dottings zu gestalten und dafür auch die Produktion zu übernehmen. Diesen Alles-aus-einer-Hand-Ansatz verfolgt Grill seitdem in all seinen Projekten und bietet damit eine praktikable Option für Unternehmen, die selbst nicht produzieren wollen oder können. Nachdem das Tablett bei Verival sehr gut angekommen war, erhielt der Gestalter einen Folgeauftrag: die Kreation von schrägen Porzellanschalen für Frühstücksbuffets. Dabei war das Finden eines Herstellers, der die gewünschte Stückzahl produzieren konnte, eine Herausforderung. Durch einen Tipp von Sandra Haischberger (feine dinge) stieß Grill auf das deutsche Unternehmen Kober Porzellan, ein Hersteller, von dem Grill in den höchsten Tönen spricht. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Verival ging weiter und gipfelte im Design eines Transport- und Präsentationsmöbels, für das Grill den Austrian Design Award gewann.

Im Hier und Jetzt

Auf die Frage, wie er seinen Designansatz beschreiben würde, antwortet Grill, dass er eher der bodenständige Typ sei, der leicht lesbare, aber doch smarte Designlösungen anstrebe. „Ich gestalte im Hier und Jetzt und nicht für eine ferne technoide Zukunft. Mein Designzugang ist analog. Ich entwerfe sehr viel im Kopf, skizziere und baue Dinge gerne selbst. Das Design muss nachvollziehbar sein, es muss ein Schmäh (Anm.: österreichisch für Witz) vorhanden sein, in der Art und Weise, wie es funktioniert. Oder es soll sogar etwas Humorvolles, etwas Unterhaltsames beinhalten, wie zum Beispiel bei meinem Sozial-Regal. Humor ist generell wichtig. Mit Humor kann man sich aus tristen Situationen heraus retten. Man sollte sich und das, was man tut, auch nicht immer zu ernst nehmen“, erläutert Grill sein Arbeitsverständnis.

Gegen den Strom der Zeit

Trotz aller Bodenständigkeit bewegt sich Grill mit seinem Sozial-Regal gegen den Strom der Zeit. Große Unternehmen werben heute vielfach damit, dass ihr Produkt ganz alleine und möglichst schnell aufgebaut werden kann. Die Intention des sozialen Regals ist auf das genaue Gegenteil ausgerichtet. Auf das gemeinsame Tun: „Das war der Plan. Wie kann etwas konstruiert sein, damit man möglichst viele Menschen braucht, um es aufzubauen. Das heißt, alles muss gleichzeitig in Position gebracht werden, damit das Ganze stabil ist. Das Endprodukt hat die volle Funktion, die volle Stabilität, aber der Aufbau soll eine Art Happening sein. Manchen wird es vielleicht ärgern, aber es bleibt auf jeden Fall ein soziales Event, an das man immer gerne zurückdenkt“, glaubt Grill. Ohne Zweifel macht der gemeinsame Aufbau Spaß, bleibt die Frage, wann und ob die Gesellschaft dazu bereit sein wird, auf eine radikale Idee wie diese einzugehen.

Möbel zum Anlehnen

Eine weitere unkonventionelle Idee entwickelte Grill mit seinem Anlehnmöbel. Es handelt sich dabei um einen Prototyp, der die Körperposition des Anlehnens in den Fokus rückt. In den Präsentationen des Projekts stellte sich heraus, dass die meisten Menschen nach anfänglicher Skepsis, ein tiefgreifendes Entspannungsgefühl erleben – wenn sie sich einfach mal anlehnen.

Die neue Art des Deckchairs

Das jüngste Grill-Projekt ist der Sessel „Eve“. Erste Skizzen fertigte der Designer während eines Urlaubs in Kroatien an. Zu diesem Zeitpunkt war es eine Liege mit Sitzfläche und Lehne. Daraus entwickelte er schließlich einen klappbaren Sessel. „Ein entscheidender Moment war eine Abbildung im Vitra Atlas des Möbeldesigns. Dort fand ich einen alten amerikanischen Entwurf aus dem 19. Jahrhundert mit einem Faltmechanismus, den ich zuvor noch nie gesehen hatte. Daraus entwickelte ich dann, über mehrere Schritte, meine jetzige Konstruktion“, erläutert Grill. Die Stabilität des „Eve“-Sessels kommt einerseits durch die Spannung des Stoffes, andererseits aber auch durch die Holzlehne, die auf dem unteren Beinpaar aufliegt.

Als Designer unabhängig zu arbeiten, verlangt viel Energie, über die Walter Grill zweifelsohne verfügt. Wie auch andere in der Branche übernimmt er einerseits Aufträge (Verival), andererseits versucht er mit selbst initiierten Projekten erfolgreich zu sein. Seine Erfahrungen im Hinblick auf die produktionstechnische Umsetzung werden ihm in Zukunft noch sehr hilfreich sein. Denn dadurch hat er vielen anderen etwas voraus.



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