Jedes Jahr zeichnet Siemens herausragende Persönlichkeiten als „Inventors of the Year“ in sechs Kategorien aus: Newcomers, Open Innovation, Outstanding Invention, Lifetime Achievement, Design and User Experience sowie in diesem Jahr neu den PhD-Award. Die Erfindungen der Preisträger entstammen Bereichen wie Künstliche Intelligenz (KI), nachhaltigere Stromnetze, stabilere Bahn-Achsen und universellere Ladestationen für E-Autos. Die Ausgezeichneten kommen aus den Ländern USA, Großbritannien, China, Indien, Kasachstan und Deutschland.
Ein Leben für die Forschung
Der Preis für das Lebenswerk (Lifetime Achievement) wurde zweimal vergeben: Peter Speiers Erfindung des BioMatrix Beat Sensor macht Cardio-MRTs einfacher und für Patienten angenehmer. Eine Cardio-MRT ist eine medizinische Untersuchung, bei der genaue Bilder des schlagenden Herzens entstehen. Damit diese möglichst scharf sind, werden die Aufnahmen jeweils in der kleinen Pause zwischen zwei Herzschlägen aufgenommen. Der Zeitpunkt muss also auf den Herzschlag abgestimmt sein. Mit dem BioMatrix Beat Sensor geht das sehr viel einfacher.
Der zweite Award für das Lebenswerk geht an Thomas Hammer und sein berufliches Streben, Technologie umweltfreundlicher zu machen. Hammer hat in seiner 35-jährigen Berufskarriere bereits viele technische Innovationen mitentwickelt. Zusammen mit seinem Team sucht er zum Beispiel nach einer Alternative für das umweltschädliche Gas Schwefelhexafluorid. Zu Beginn seiner Berufstätigkeit war der Physiker auf der Suche nach Lösungen, die Umweltbelastung durch Abgase von Dieselmotoren zu vermindern. Danach arbeitete immer wieder an Projekten, in denen es darum ging, Technologien nachhaltiger zu machen, von der optimierten, emissionsarmen Gasturbine bis zur energetischen Nutzung von Biomasse.
Nachwuchs in der Wissenschaft
Eine der drei Newcomer-Auszeichnungen geht an Swathi Shyam Sunder, die eine generative Künstliche Intelligenz entwickelt hat, die dabei unterstützt, dass bei komplexen Fabrikanlagen alles zusammenpasst. Aus historischen Daten zu Produktkonfigurationen und Fakten zu Produkten und Komponenten werden Empfehlungen abgeleitet. Der Designprozess wird so einfacher und schneller. „Wenn ich nichts Neues mache und das Gleiche immer wiederhole, ist das für mich persönlich nicht zufriedenstellend. Und deshalb suche ich ständig nach neuen Problemstellungen, die ich lösen kann“, sagt Sunder zu ihrem Selbstverständnis als Wissenschaftlerin. Ein weiterer Newcomer ist Abhijit Kadam. Er hat ein Verfahren entwickelt, wie sich die Ladeelektronik an die Anforderungen der Fahrzeuge anpassen kann. Das Besondere an seiner Erfindung ist nicht nur, dass so alle Autos an der gleichen Ladesäule geladen werden können, sondern auch, dass beim Anpassen der Ladespannung (DC-DC-Wandler) kein Energieverlust durch das Schalten in der Elektronik (zero switching loss) auftritt.
„Für den Nachweis von Hook-Effekten in polyklonalen Glutinationstests, insbesondere im Urin, ist der Albumin-Kreatinin-Verhältnis-Test ein Durchbruch“, ist Aaron Kauffmann überzeugt. Für seine Entwicklung erhält auch er eine Auszeichnung als Inventor of the year 2023 in der Kategorie Newcomer. Zur Untersuchung des Nieren-Status von Patienten nehmen Ärzte meist eine Urinprobe, die dann im Labor analysiert werden. Damit wird erhoben, ob etwa zu viel Albumin (ein bestimmtes Eiweiß) enthalten ist. Gelegentlich kommt es dabei zu falschen negativen Testergebnissen, wenn die Albumin-Konzentration besonders hoch ist. In so einem Fall würde drohendes Nierenversagen eventuell zu spät erkannt. Dieses Phänomen wird High-Dose-Hook-Effekt genannt. Die Erfindung von Aaron Kaufmann minimiert den Hook-Effekt und verbessert so die medizinische Diagnostik.
Den erstmals verliehenen PhD Award erhält Yushan Liu. Sie erarbeitet in ihrer Doktorarbeit Möglichkeiten, wie Machine Learning-Verfahren außer guten Ergebnissen auch übermitteln können, wie sie ihre Entscheidungen getroffen haben, etwa durch logische Regeln oder eine graphische Darstellung der Entscheidungsfindung. Dies kann für viele Anwendungsfälle wichtig sein, beispielsweise in der medizinischen Diagnostik ober bei Sicherheitssystemen, wo das Nachvollziehen von Denkprozessen der Algorithmen das Verständnis bei den Menschen verbessert.
Der smarteste Uni-Campus der Welt
Der Award „Siemens Iventors of the Year 2023 / Open Innovation“ geht an ein Projekt, das Siemens gemeinsam mit der University of Birmingham verfolgt: den „intelligentesten Universitätscampus der Welt“. Mit Digitalisierung, also einer Kombination aus Sensortechnik, Simulation und Künstlicher Intelligenz, wird dort erforscht, wie Gebäude und einzelne Räume genutzt und aus den Ergebnissen Optimierungen abgeleitet werden können. Immerhin ist die University of Birmingham eine der größten Bildungseinrichtungen Großbritanniens. Auf dem Gelände finden sich 125 Gebäude. Bei dem Projekt geht es darum, das Leben der Menschen auf dem Campus möglichst effizient zu organisieren. Zudem soll der Energiebedarf gesenkt werden.
Sicherheit bei Zügen und im Web
In der Kategorie „Outstanding Invention“ wurden zwei Preise vergeben. Anna Palmin ermöglicht mit ihren Erfindungen für die Cybersecurity industrieller Produkte und Anlagen die Bereitstellung von verlässlichem, transparentem Wissen in Bezug darauf, welche Komponenten in einer Anlage genau verbaut wurden, wie sicher und vertrauenswürdig sie sind und wie die gesamte Anlage sicher betrieben werden kann. Mit der Erfindung, die sie 2019 gemeinsam mit ihrem damaligen Kollegen Xin Xie entwickelt hat, ist es auch möglich, die Identität der Komponenten unter Verwendung verschiedener Methoden zu prüfen und sie in einem zentralen Inventar zu registrieren. Dabei wird auch jedes Plagiat oder jedes manipulierte Gerät erkannt – völlig automatisch.
Die zweite „Outstanding Invention“ kommt von Werner Breuer, der sich mit der Sicherheit von Zügen beschäftigt. Schienenfahrzeuge haben sogenannte Radsatzwellen, an denen die Räder befestigt sind. Sie müssen das Gewicht des ganzen Fahrzeugs tragen. Zusätzlich können auf sie unter ungünstigen Bedingungen gewaltige Torsionsbelastungen wirken. Werner Breuer und Minyi Yu haben ein Verfahren entwickelt, die maximale Torsionsbelastung, die entstehen kann, zu berechnen, ohne aufwendige Simulationsverfahren verwenden zu müssen.
Kundenbindung durch User Experience
In der Kategorie „Design and User Experience“ wurde Molly Williams ausgezeichnet. Sie analysierte im Projekt Customer Heartbeat die komplexe Struktur von Siemens selbst sowie die Bedürfnisse und User-Wege seiner Kunden. Es ging darum, es Kunden leichter zu machen, sind in der vielfältigen Siemens-Welt zurechtzufinden. „Wir haben unser Projekt Customer Heartbeat genannt, weil wir herausfinden wollten, wie unsere Kunden ticken. Wir wollten verstehen, was sie inspiriert und motiviert und was den Kern ihrer Arbeit ausmacht“, sagt Williams. User Experience sei ein entscheidender Faktor, um Kunden zu gewinnen und zu halten.
Im Geschäftsjahr 2023 haben Siemens-Mitarbeiter 5.383 Erfindungen gemacht. Das sind 16 % mehr als im Vorjahr und etwa 24 Erfindungen pro Arbeitstag. Siemens hält weltweit insgesamt über 46.500 erteilte Patente. Seit dem Start des Europäischen Einheitspatents im Juni 2023 hat das Europäische Patentamt über 12.000 Anträge darauf erhalten – die meisten davon kamen von Siemens. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung betrugen rund 6,2 Milliarden Euro, das ist ein Zuwachs von fast 11 % im Vergleich zum Vorjahr. Über 51.000 Menschen arbeiten bei Siemens in Forschung und Entwicklung.
Unter diesem LINK finden Sie genauere Beschreibungen der Innovationen inkl. Videos mit den Erfindern.