Die visuelle Sprache von Jaime Hayon wird von organischen Formen bestimmt, die seinen Objekten eine enorm positive Ausstrahlung verleihen. In der Vorstellungswelt des spanischen Designers und Künstlers sind viele Dinge miteinander verbunden. So beeinflussen seine Erfahrungen in der Bildhauerei die Gestaltung seiner Möbel. Hayon ist fasziniert von Formen – egal ob sie eine Funktion besitzen oder völlig frei sind.
Im Jahr 2001 gründete Hayon sein eigenes Studio in Valencia. Über 20 Jahre später kann er auf eine Karriere zurückblicken, in der er mit Marken wie BD Barcelona, Baccarat, Cassina, Fritz Hansen, Lladró, Magis und Wittmann zusammenarbeitete, zahlreiche Ausstellungen bestückte, Preise wie den Spanish National Design Award einheimste und vor allem die Welt mit einzigartigen, zum Staunen bringenden Objekten bereicherte. Dabei verbreiten seine mehrere Meter hohen Skulpturen die gleiche positive Ausstrahlung wie seine Sitzmöbel, Vasen oder Modeaccessoires.
FORMFAKTOR traf Jaime Hayon in Mailand in der Fuorisalone-Ausstellung von Wittmann, wo der Spanier über die Welt als Code, das Verhältnis von Kunst und Design sowie sein Faible für Tierdarstellungen sprach.
FORMFAKTOR: Ich möchte mit Ihnen über Optimismus und Humor sprechen. Kaum ein Designer schafft es so wie Sie, mit seinen Objekten, Freude zu vermitteln. Steckt da eine bewusste Entscheidung dahinter, oder sind es Ergebnisse ihres Charakters? Sind Sie eben so?
Jaime Hayon: Ja, so bin ich eben. Das ist es. Aber ich glaube, Optimismus ist heutzutage enorm wichtig. Für mich ist Kreativität eine Möglichkeit, die Dinge positiver zu machen. Das versuche ich auf meine Weise auszudrücken. Eigentlich ist unsere Arbeit ja sehr ernst. Sie ist oft komplex und wir müssen hart arbeiten, damit alles stimmt. Das erfordert sehr viel Energie. Aber es gibt immer Momente, in denen wir uns daran erinnern müssen, dass es hier um Kreativität geht und das bedeutet, dass wir spielen dürfen. Das ist für mich wichtig.
FORMFAKTOR: In Vorträgen sprechen Sie immer wieder vom Dritten Auge. Was bedeutet das?
Jaime Hayon: Das Dritte Auge bedeutet, die Welt aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Möglichkeiten in einfachen Dingen zu sehen. Für mich bedeutet es, auf die Welt zu schauen und in allem einen möglichen neuen Beginn zu entdecken. Das macht für mich den Unterschied. Wenn ich an einem Design-Projekt, einem Kunst-Projekt oder was immer arbeite, betrachte ich die Welt als einen Code, den ich mir aneignen kann.

FORMFAKTOR: Sie sind Designer und Künstler. Unterscheidet sich Ihre Herangehensweise? Wie sehen Sie das Verhältnis von Design und Kunst in Ihrem Schaffen?
Jaime Hayon: Ich denke, die beiden Felder helfen einander. Ich bin jemand, der die Form liebt und Form kann eine Skulptur oder ein funktionelles Möbel sein. Wenn ich aber zum Beispiel ein Sofa aus Bronze machen würde, würde es wohl kaum jemand als Sofa benutzen. Es wäre ein Kunstwerk. Erkenntnisse aus der Malerei, der Bildhauerei, der Kunst im öffentlichen Raum helfen mir bei der Gestaltung von Möbeln oder anderen Objekten. Für mich ist alles miteinander verknüpft. Es hilft mir Farbe zu verstehen, Leichtigkeit oder Schwere, Prozesse, Materialität oder Inspiration. Beispielsweise geht es beim Kolinas-Sofa für Wittmann um Leichtigkeit, aber auch um die Volumen. Es hat etwas Elegantes und eine Präsenz. Für mich ist es fast eine Skulptur. Es gibt immer Momente, in denen sich die Dinge gegenseitig beeinflussen.
FORMFAKTOR: Zum Beispiel …
Jaime Hayon: In diesem Jahr habe ich sehr viel im Bereich Malerei, Bildhauerei und Keramik gearbeitet. Das hat mir geholfen, Möbel plötzlich auf eine andere Weise zu sehen. Das ist enorm bereichernd. Deshalb mag ich es, zwischen Design und Kunst hin und her zu wandern. Dasselbe gilt für die Bilderhauerei. Dort tauchen dann Codes auf, die ich woanders herhabe: von Textilien, von Keramik etc. Ich akzeptiere total, wer ich bin, das ist ein zeitgenössischer Künstler und Designer zu sein, der Konzepte entwickelt, die diese beiden Felder verbinden. Das Wichtigste ist, dass Menschen, die meine Arbeit betrachten, sofort erkennen, dass das von mir ist. Sie sehen eine bestimmte Form und wissen – das ist Jaime. Sie sehen ein Möbel und wissen – das ist Jaime.
FORMFAKTOR: Kunst und Design sind für Sie gleichwertig?
Jaime Hayon: Ja. Das hat sich vor allem im letzten Jahr gezeigt, wo ich wie gesagt sehr viel im Bereich der Kunstwelt gearbeitet habe. Ich hatte Aufträge von Städten, große Skulpturen zu kreieren – 14 Meter hoch, eine Millionen-Investition -, ich hatte eine Einzelausstellung in Miami, bei einer der weltweit wichtigsten Kunstmessen und so weiter. Ohne diese Erfahrungen im letzten Jahr könnte ich die Kunst, wie ich sie praktiziere, nicht machen, aber auch ohne Design, könnte ich meine Kunst nicht wirklich klar sehen.

FORMFAKTOR: Lassen Sie uns über Tiere sprechen. In ihrem Œuvre gibt es eine erhebliche Anzahl an Tierdarstellung und alle sehen sehr freundlich aus. Warum Tiere?
Jaime Hayon: Ich mag sie einfach. In meinem Kosmos befinden sich viele Dinge, nicht nur Tiere, aber Tiere sind sehr wichtig. Sie inspirieren mich. Sie sind Teil einer Welt von Charakteren. Es geht auch um die menschliche Fähigkeit zu kommunizieren, die seit Millionen von Jahren existiert. Ist es nicht verrückt, dass das Erste, was Menschen gezeichnet haben, Tiere waren. Das Animalische ist etwas Primitives, das mich ganz direkt inspiriert. Es impliziert das Erzählen von Geschichten, die viele Generationen zurückreichen. Als ich mit Design begann, machte ich das auf eine sehr intuitive Weise. Ich wollte meinen eigenen Spuren sehr nahe sein und sie in dreidimensionale Objekte verwandeln. Am Anfang waren da viele Tiere, Formen, die ich mochte. Nach und nach entwickelte ich daraus ein Konzept, aus dem etwas entstehen konnte. Als ich mit Wittmann damals am Vuelta Chair arbeitete, dachte ich an einen runden Stuhl, den man drehen und von allen Seiten betrachten konnte. Nun bei Kolinas dachte ich an Hügel, an ihre irgendwie angeschwollene Erscheinung. Die Beine des Sofas erinnern mich an Baumstämme in Versailles. Insgesamt vermittelt diese Gestaltung ein Gefühl. Niemals beginne ich ein Projekt, wenn ich nicht dieses Gefühl empfinde, dass ich einen bestimmten Gedanken kommunizieren kann. Wenn ich auf diese Weise beginne, kann ich Dinge verwandeln.
FORMFAKTOR: Abschließend: Was macht Sie glücklich?
Jaime Hayon: Jeden Tag mit einem Gefühl der Aufregung zu leben. Dieses andauernde Gefühl, dass ich mit großem Enthusiasmus etwas in dieser Welt verändern kann. Dabei habe ich immer auf eine gewisse Balance geachtet, zwischen Arbeit und Freizeit. Meine Lebensphilosophie ist Achtsamkeit. Also zu sagen, jetzt ist ein guter Moment, um zu arbeiten, jetzt ist ein guter Moment, um zu entspannen, jetzt ist ein guter Moment, um mit der Familie zu sein, um Urlaub zu machen. Ich glaube, dieser Ausgleich ist mir immer sehr gut gelungen. Ich arbeite im Design nun schon 30 Jahre lang und es wird immer aufregender. Die Leute reden von Burn-out und so. Ich kenne das nicht. Ich fühle mich jünger als vor 20 Jahren. Und zwar deshalb, weil ich es genieße. Es ist ein Genuss mit Menschen zu arbeiten, die man mag, an Dingen zu arbeiten, die hochqualitativ sind. Mein Glück liegt wirklich in dieser Philosophie des Wechsels.
Danke für das Gespräch!