Home Design Die Geschichte der Keramik-Farben von Roberto Sironi

Die Geschichte der Keramik-Farben von Roberto Sironi

von Markus Schraml
Die 12 Farben der Farbpalette umfassen gedeckte Farbtöne. Im Bild die Farbe „Babylonian Sand“, die auf die Sandfarben der mesopotamischen Kultur (Euphrat / Tigris) Bezug nimmt, die weit in vorchristliche Jahrtausende zurückreicht. © LAUFEN

Die Verwendung von Farbe in der Keramik reicht Jahrtausende zurück. In dreijähriger Arbeit hat der Mailänder Designer Roberto Sironi die Ausprägungen dieser Historie rund um den Globus erforscht. Als Ergebnis seiner wissenschaftlichen Reise erstellte Sironi in Zusammenarbeit mit dem Keramikspezialisten LAUFEN eine Palette von zwölf Farben, die von historischen Keramiken inspiriert sind. Im Rahmen einer Veranstaltung im LAUFEN space Wien präsentierte der Designer die „Colour Archaeology“ und ging näher auf seine erstaunlichen Erkenntnisse ein.

Zunächst definierte Sironi die 10 wichtigsten Kulturen in der Geschichte der Keramik. In zeitlicher Hinsicht begann der Designer seine Arbeit im Neolithikum (Jungsteinzeit, ab 9500 v. Chr.) und folgte den regionalen Entwicklungen bis zur japanischen Keramik des 15. Jahrhunderts. „Ich habe den Zeitraum bis zur Renaissance deshalb gewählt, weil danach durch den internationalen Handel die Farben sozusagen vermischt wurden. Davor hatte jede Region ihre eigenen Materialien, Pigmente und Farben“, erläutert Sironi im FORMFAKTOR-Interview. „Zum Beispiel wurde in Mesopotamien lokaler Ton verwendet, weshalb die Keramik immer den Farbton des dortigen Bodens hat. Oder die historischen Keramiken in Südamerika, die in den natürlichen Pigmenten der Erde gehalten sind: Braun, Rot, Ocker oder Purpur. Es gibt keine blaue oder grüne Keramik. Die Chinesen wiederum verwendeten sehr viel Grün, weil sie an die Kraft von Jade glaubten. Den Machthabern ging es darum, die Farbe der Jade in Keramik zu reproduzieren.“

Roberto Sironi erforschte drei Jahre lang die Farben in der Keramik verschiedener historischer Kulturen. © LAUFEN

Materialien und Farbe

Roberto Sironis Forschung führte ihn zu einigen der weltweit wichtigsten Museum im Feld der Keramik, wie das Larco-Museum in Lima (Peru), Akropolismuseum in Athen, Nationalmuseum in Tokio oder das Metropolitan Museum of Art in New York. Dabei kristallisierte sich zunehmend die zentrale Bedeutung von farbiger Keramik für Gesellschaften rund um den Globus heraus. „Farben sind auch deshalb wichtig, weil sie eng mit dem Thema der Materialien verknüpft sind. Die Geschichte der Materialien hat eine starke Verbindung zur Geschichte der Farben. Alte Techniken zur Materialgewinnung und zur Herstellung von Farbe sind Teil unserer Menschheitsgeschichte. Zum Beispiel die Ägyptische Fayence, die einen besonderen Blauton hat. Es handelt sich dabei um die erste Art von synthetischer Farbe. Und die Ägypter waren mit Recht sehr stolz auf diese Errungenschaft und statteten ihre Keramiken damit aus. Diese Farbe ist ein Ausdruck der zivilisatorischen Entwicklung einer Kultur“, erklärt Sironi.

Für den Designer sind Farben ebenso in Wissenschaften wie Archäologie oder Anthropologie wichtig und damit generell für den Menschen und seine Fortentwicklung. Farbe steht für Erbe, meint Sironi. In seiner Arbeit als Designer spielen Forschung und Prozesse wichtige Rollen. Auch in seiner Lehrtätigkeit am Politecnico di Milano, wo in das Thema Farbe weit tiefer eingetaucht und sie keineswegs als dekorative Oberfläche betrachtet wird. „Für mich ist Farbe eines der grundlegenden Elemente im Design. Ich glaube, dass Farbe heute eine größere Bedeutung hat als früher. Immerhin liegt eine sehr lange Geschichte der Farbe hinter uns und daraus ergibt sich ein riesiger Erfahrungsschatz. Zudem denke ich, dass wir in der heutigen Zeit, wo gerade so viele schlechte Dinge passieren, unbedingt Farben brauchen. Sie erhellen unseren Alltag.“

Auf die Frage nach seiner Lieblingsfarbe kommt Roberto Sironi wieder auf sein Projekt für LAUFEN zu sprechen. Aus der Palette der 12 Farben benennt er „Burnt Orange“, eine Art Ziegelrot, als seine Lieblingsfarbe. Es ist ein Ton, mit dem er als Italiener sehr vertraut ist. Stichwort: Terrakotta. „Die Römer zum Beispiel verwendeten Terra Sigillata. Das ist eine spezielle Keramik, die mit pulverisiertem Ziegelstaub hergestellt wurde. Ich mag diesen besonderen Rotton, den diese Keramiken haben.“

Gestern und Heute

Erstaunlicherweise passen die 12 historischen Farben sehr gut zur modernen Keramik von LAUFEN. Nach Sironi liege das daran, weil diese Farben bereits ausführlich getestet wurden, nicht gestern, aber vor Tausenden von Jahren und über lange Zeiträume verwendet worden waren. Roberto Sironi glaubt, dass in Zukunft auch wieder mehr Farbe in unsere Badezimmer einziehen und das dogmatische Weiß akzentuiert wird. Nachdem es seit einiger Zeit in der Möbelwelt generell wieder bunter zugeht, werde auch das Badezimmer folgen, denkt der Italiener. „Ich stelle mir vor, dass Architekten und Interieurdesigner dadurch mehr Möglichkeiten in der Gestaltung des Badezimmers erhalten – wie sie sie schon für die Ausstattung von Wänden oder den Boden erhalten haben.“

Roberto Sironi (Mitte) im Gespräch mit Patrick Lüth, Snøhetta Studio Innsbruck und Architekturkritikerin Manuela Hötzl während dem Event „Time Jump“, den LAUFEN im Zuge der Vienna Design Week organisiert hatte. © LAUFEN

Laut Sironi habe LAUFEN es geschafft – und das ist keine Kleinigkeit – die Originalfarben, die in früheren Zeitaltern von Künstlern und Handwerkern entwickelt worden waren, für einen industriellen Herstellungsprozess brauchbar zu machen, ohne den ursprünglichen Charakter zu verlieren. Einschränkend muss gesagt werden, dass es bei diesem Prozess noch einige Hürden zu überwinden gilt. Gerade das Einbringen von Farbe in Gleichmäßigkeit und Einheitlichkeit wie es für größere Stückzahlen etwa bei Hospitality-Projekten notwendig wäre, ist derzeit noch nicht zufriedenstellend möglich. Das LAUFEN-Team arbeitet hart daran die eigenen hohen Standards auch hier zu erfüllen. Einstweilen sind die attraktiven Farben der „Colour Archaeology“ für kleinere Projekte (Villen, Einfamilienhäuser etc.) verfügbar. Auftraggeber, die den weißen Einheitsbrei im Bad satthaben und lieber auf bunte Unikat-Qualität setzen wollen, finden sicher den perfekten persönlichen Farbton.



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