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Das Geheimnis der Farben

von Markus Schraml
TASCHEN, The Book of Colour Concepts

Was ist Farbe? Laut Definition ist es eine durch Lichtstrahlen bestimmter Wellenlänge hervorgerufene Erscheinung vor dem Auge. Oder nach Duden eine „mit dem Auge wahrnehmbare Erscheinungsweise der Dinge, die auf der verschiedenartigen Reflexion und Absorption von Licht beruht.“ Die Farbwahrnehmung ist eine subjektive Empfindung, die mitunter recht stark ausfallen kann. Seit der Antike wird versucht, dieses faszinierende, allgegenwärtige Phänomen zu beschreiben und wissenschaftlich zu erfassen. In der Veröffentlichung des TASCHEN-Verlags „The Book of Colour Concepts“ begeben sich die Historikerinnen Alexandra Loske und Sarah Lowengard auf eine Reise in die Geschichte der Farbtheorie. Anhand von über 65 Werken und mehr als 1.000 Abbildungen beleuchten sie die vielen Facetten des Themas, das Künstler, Wissenschaftler und Literaten in ihren Bann zog.

„Farben entgleiten uns leicht, sie verändern sich mit dem Licht, sehen je nach Tageszeit anders aus, verblassen, werden dunkler und können unkalkulierbar sein, wenn sie kombiniert, gemischt oder nebeneinandergesetzt werden. Darüber hinaus sind sie schwer nachzuahmen …“, schreibt Alexandra Loske in der Einleitung und macht klar, dass hier keine umfassende Darstellung der weltweiten Farbtheorie vorliegt, sondern das Thema aus unterschiedlichen Teilperspektiven beleuchtet wird.

Die Antike war bunt

Farben durch Sprache beschreiben zu wollen, wurde und wird immer wieder versucht, wobei das Scheitern mehr oder minder elegant ausfällt. Deshalb sind viele der Annäherungen an das Thema von bildlichen Darstellung begleitet. Die frühesten Farbillustrationen tauchen in Form von Diagrammen Ende des 17. Jahrhunderts auf. Schriftliche Farbtheorien hingegen reichen bis in die Antike zurück. Dennoch gingen Forscher bis vor wenigen Jahren davon aus, dass Skulpturen und Strukturen im alten Rom und Griechenland farblos oder weiß waren. Das passte auch perfekt ins Bild der edlen Antike. Mittlerweile hat sich jedoch die Meinung durchgesetzt, dass die griechische und römische Bildhauerei sowie Baukunst polychrom war.

Von der kunsttheoretischen Abhandlung „Über die Malkunst“ (1435) von Leon Battista Alberti über die Gedanken Leonardo da Vincis bezüglich des Sehens und der Wahrnehmung von Farben oder Isaac Newtons „Opticks“ (1704) bis herauf zu den Farbdiagrammen des 18. und 19. Jahrhunderts, werden in dem Buch unterschiedlichste Protagonisten und farbtheoretische Herangehensweisen dargestellt. Entscheidende Einschnitte in der Beziehung des Menschen zur Farbe kamen jedoch aus der Praxis, wie etwa der Erfindung des Buchdrucks. Vor allem das frühe 20. Jahrhundert ist von Mechanisierung geprägt – auch in der Farbherstellung. Dazu kamen „…Fortschritte in der Erforschung des Farbensehens und speziell der Anatomie des menschlichen Auges, die Elektrifizierung der Welt, die daraus resultierenden Möglichkeiten der künstlichen Beleuchtung und der radikal neue Einsatz von Farbe als Mittel des Ausdrucks in der Kunst, besonders in der Malerei“, schreibt Loske.

Spannende Aspekte, die im Buch beleuchtet werden, sind etwa der Zusammenhang von Farbe und Musik oder die Bedeutung von Farbe in Okkultismus sowie Spiritismus. So ordnete zum Beispiel der Anthroposoph Rudolf Steiner seine Bild- und Glanzfarben bestimmten geistig-seelischen Wesenszuständen zu. Damit schneidet er das Thema der Wirkungen von Farben auf die Menschen an, wie sie in der Farbpsychologie intensiv untersucht werden. Auch im Bauhaus war das Thema Farbe enorm wichtig: Paul Klee beschäftige sich in seiner Zeit in Weimar intensiv damit und Johannes Itten versuchte ein verlässliches didaktisches Farbsystem zu entwickeln und schuf einen zwölfteiligen Farbkreis. Seine Ideen basierten auf der Farbenlehre seines Lehrers Adolf Hölzel. Sowohl Hölzel als auch Steiner waren stark von Goethes „Zur Farbenlehre“ beeinflusst.

Frauen in der Farbtheorie

Die Autorinnen Loske und Lowengard waren bemüht, der Unterrepräsentation von Frauen in der Geschichte der Farbtheorie entgegenzuwirken und nahmen deshalb fast vergessene Farbtheoretikerinnen und Künstlerinnen in das Buch auf. In diesem Zusammenhang sollte auch auf die Arbeit der niederländischen Designerin Hella Jongerius hingewiesen werden, die für Vitra seit 2007 die Colour & Material Libary entwickelt hat. Es ist ein System, das vielfältige Kombinationen der unterschiedlichen Materialien und Farben in der umfangreichen Produktkollektion des Unternehmens ermöglicht. Über diese komplexe Tätigkeit schrieb Jongerius das Buch „I don’t have a favorite colour“.

Keine allgemeingültige Farbtheorie

Die Versuche der Menschen, Farbe zu erklären und zu systematisieren, indem man sie in Kreise, Quadrate oder Linien presst, hat eine lange wissenschaftliche Tradition, die bis heute anhält. So hat der Künstler Ólafur Elíasson seit 2009 eine Reihe von großen Farbkreisen geschaffen, in denen die Farben, ähnlich wie in einem der Farbkreise aus dem 1861 erschienenen Atlas von Michel-Eugène Chevreul, nahtlos ineinander übergehen. Und trotz der jahrhundertelangen Bemühungen, dem Phänomen Farbe auf die Spur zu kommen, ist eine endgültige Farbtheorie bisher ausständig. Es bleibt also noch viel zu tun.

The Book of Colour Concepts. Alexandra Loske, Sarah Lowengard, Hardcover, 2 Bände im Schuber, 24,3 x 30,4 cm, 6,15 kg, 846 Seiten, € 150. ISBN 978-3-8365-9565-0 (Mehrsprachige Ausgabe: Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch). Verlag: TASCHEN



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