Mit dem S+T+ARTS-Preis zeichnet die Europäische Kommission Projekte aus, die Wissenschaft, Technologie und Kunst auf vorbildliche Weise miteinander verbinden. Für die Ausgabe 2024 gab es 1308 Einreichungen aus 81 Ländern. Nachdem die Jury Ende April im Linzer Art Electronica Center getagt hatte, wurden nun die beiden Hauptpreise bekannt gegeben. Der „Grand Prize – Innovative Collaboration“ geht an das Programm „Arts at CERN“, das die Zusammenarbeit von Künstlern und Forschern am Europäischen Kernforschungszentrum CERN in der Schweiz fördert. Mit dem „Grand Prize – Artistic Exploration“ wurde das Projekt „Calculating Empires: A Genealogy of Power and Technology, 1500 – 2025“ von Kate Crawford (Australien) und Vladan Joler (Serbien) ausgezeichnet. Dabei geht es um die Verstrickungen von Macht, Technologie und Kapitalismus in den vergangenen 500 Jahren.
Dialog mit Künstlern
„Arts at CERN“ ist das Kunstprogramm der europäischen Organisation für Kernforschung in Genf (CERN). Dort wird nicht nur hochwissenschaftlich gearbeitet, sondern seit 2012 auch ein Dialog mit Kunstschaffenden gefördert. Die Laborumgebung wird dabei zum kooperativen Feld, auf dem sich theoretische Modelle, mathematische Formeln und künstlerische Zugänge verbinden. Was kann Kunst zur Grundlagenforschung beitragen – wie kann wissenschaftliche Forschung die Kunst inspirieren? Das sind Fragen, denen mit „Art at CERN“ nachgegangen wird. Die künstlerische Reflexion von Fortschritten in Wissenschaft und Technologie ist ein wichtiger Rückkopplungspunkt im Hinblick auf die Auswirkungen der neuesten Entdeckungen und Entwicklungen.
In der Jurybegründung steht unter anderem: „Arts at CERN hat einen globalen Maßstab für Kunst-Wissenschafts-Initiativen gesetzt und Programme in Europa, Südkorea und Australien beeinflusst. […] In der heutigen, sich schnell entwickelnden Technologielandschaft, einschließlich der Fortschritte in den Bereichen KI, Quantencomputing und Chiptechnologie, ist die Integration von Kunst, Wissenschaft und Technologie von entscheidender Bedeutung.“
Technologie und Macht
„Calculating Empires“ von Kate Crawford und Vladan Joler ist ein visuelles Manifest, das im Jahr 1500 beginnt, einer Zeit, in der der Buchdruck erfunden wurde, neue Handelsrouten entstanden sind, die skrupellose Aneignung von Grund Boden sowie die systematische Auslöschung indigener Völker begonnen hat. Crawford und Joler sehen in den Technologie- und Militärindustrien des 21. Jahrhunderts eine Widerspiegelung dieser frühen Formen der Machtausübung / des Machtmissbrauchs. Das Ergebnis ihrer Untersuchung ist ein 24 x 3 Meter großes Diagramm, das gesellschaftlichen Machtkonstruktionen im Laufe der Zeit nachspürt. Die eine Hälfte der visuellen Datenaufbereitung konzentriert sich auf die Entwicklung von Kommunikationsgeräten, Infrastrukturen, rechnerischen Architekturen von Algorithmen und Hardware. Die andere Hälfte beleuchtet die Geschichte von Kontrolle und Klassifizierung in verschiedenen Bereichen: im Bildungswesen, in der Polizeiarbeit, in Gefängnissen, in Militärsystemen, im Umgang mit Körpern und Biometrie, bis hin zur Astrosphäre.
Zusammen veranschaulichen beide Karten, wie sich technologische und soziale Strukturen über Jahrhunderte hinweg entwickelt und gegenseitig bedingt haben. „Mit Calculating Empires erhält das Publikum eine detaillierte visuelle Darstellung der Beziehung zwischen Mensch, Ökologie und Technologie“, meint die Jury. „Sie zeichnet nach, wie Technologie und Macht über fünf Jahrhunderte hinweg durch Industrialisierung, Imperialismus und Automatisierung miteinander verflochten waren. Es zeigt sich, wie Praktiken des Kolonialismus, der Militarisierung und der Abschottung heute funktionieren und wie sie rückgängig gemacht werden könnten.“ „Calculating Empires“ arbeitet gegen die heute oft anzutreffende Geschichtsvergessenheit. Im Blick zurück werden heutige Vorgänge verständlicher. Als erklärendes Medium verlangen diese Karten ein intensives Einlassen seitens des Betrachters, als komplexes Kunstwerk funktionieren sie vom ersten Moment an.
Der STARTS PRIZE wird von Ars Electronica durchgeführt. Die fünfköpfige Jury bestand aus Francesca Bria (Italien), Miha Turšič (SI/NL), Fumi Hirota (Japan), Manuela Naveau (Österreich) und Katja Schechtner (Österreich). Beide Hauptgewinner sowie eine Auswahl aus den ebenfalls vergebenen 10 „Honorary Mentions“ und 18 „Nominations“ werden von 4. bis 8. September im Rahmen des Ars Electronica Festival 2024 in der POSTCITY Linz präsentiert.