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Die Schönheit des Rests – Studio Barbara Gollackner

von Markus Schraml
Studio Barbara Gollackner

Vor fünf Jahren gründete Barbara Gollackner ihr eigenes Studio, nachdem sie 10 Jahre lang als Duo im Designbüro „undpartner“ gearbeitet hatte. Der Ursprung ihres Schaffensdrangs liegt wohl in der Familie, denn die Salzburgerin verbrachte den Großteil ihrer Kindheit in der familieneigenen Tischlerei. Ihr Ausbildungsweg führte sie ins Textil-, Produkt- und Möbeldesign. Mit der Zeit entwickelte Gollackner einen tiefgehenden Gestaltungsansatz, mit dem sie stets hinter die Kulissen des schönen Scheins blickt. Dabei trifft sie immer wieder auf Themen wie Überfluss und Nachhaltigkeit.

Einen neuen Aspekt in diesem Spannungsfeld greift sie mit ihrer Kollektion R.I.B (Rest in Beauty), die im Rahmen der jüngsten Vienna Design Week (VDW) vorgestellt wurde, auf. Es ist eine Serie von kleinen Tischen, die aus Restmaterialien bestehen. Die Idee dazu entstand im Zuge ihrer Arbeit, bei der Gollackner immer wieder Einblick in Herstellerlager erhält, in denen sich viele ungenutzte Materialien angesammelt haben. Warum dieses Übrig gebliebene, aber Neuwertige nicht weiternutzen?, fragte sie sich. Das war der Funke, der schließlich zu R.I.B. führte.

Barbara Gollackner hat in den letzten Jahren, vor allem in den Bereichen Interieur- und Produktdesign, zahlreiche Projekte umgesetzt. Ein Faible entwickelte sie für die angemessene Präsentation von Speisen und Getränken. Hervorragende Beispiele dafür sind die Conference-Serie, das einfach-raffinierte Teadisplay oder ein roh wirkendes Kaffeebecher-Set aus Porzellan (Da Salzburger). Jüngst kooperierte sie mit Kelly und Ökobusiness Wien für ein modulares Möbelsystem, ein Projekt für die VDW 2023.

Im FORMFAKTOR-Exklusivinterview spricht Gollackner über die Gründung des eigenen Designstudios, nachteilige Kompromisslösungen und ihre Vorliebe für den kleinen Maßstab.


FORMFAKTOR: Was war der Ausgangspunkt für das Gestalten mit Restposten-Materialien?

Barbara Gollackner: Ich beschäftige mich nicht nur mit Produkt-, sondern auch mit Interior Design. Dabei ist es tägliche Praxis, dass man zu den Betrieben geht und dort sieht, wie viel Materialien im Lager eigentlich vorhanden sind. Das sind keine Materialien, die etwa schlecht wären oder schon einmal verwendet wurden, sondern die völlig neu sind. Beispielsweise fehlt bei einem Stein nur ein kleines Eck oder etwas hat dem Kunden nicht gefallen und es ging zurück. Oder es wurde zu viel bestellt. Das heißt, die Lager sind voll mit neuwertigen schönen Materialien. Das war der Ausgangspunkt.

FORMFAKTOR: Die Kollektion heißt dementsprechend R.I.B – Rest in Beauty. Es scheint eine ganz neue Art der Wiederverwendung oder besser gesagt der Doch-Noch-Verwendung zu sein.

Barbara Gollackner: Dabei handelt es sich weder um Recycling noch um Reuse. Es sind ganz neue Materialien, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht verwendet wurden. Es ist ja eigentlich unglaublich, dass hier lauter neues Zeug herumsteht, das keiner mehr verwendet. In der Vergangenheit habe ich öfter mal versucht, Kunden zum Beispiel zu sagen, wir hätten hier diese Eiche, die zwar von jemandem bestellt, jedoch nicht verwendet wurde …, aber das will keiner. Sie wollen sich unbedingt etwas Neues aussuchen. Deshalb ist es auch so schwierig, diese Restmaterialien in einem anderen Kontext weiter zu verwenden oder zu verarbeiten.

FORMFAKTOR.: Es ist tatsächlich überraschend, dass so viel Materialien ungenutzt gelagert sind. Wie kommt das zustande?

Barbara Gollackner: Ein klassisches Beispiel ist Stein für Küchenarbeitsplatten. Es kommt vor, – wir sind alle nur Menschen und machen Fehler – dass die Spüle falsch zugeschnitten ist. Dann hat diese ganze Platte einen einzigen falschen Ausschnitt und kann nicht mehr verwendet werden. Das ist der Klassiker. In der Tischlerei, würde ich sagen, ist es eher eine Geschmackssache. Das heißt, es wird etwas bestellt und dann sieht es anders aus, als sich das der Kunde vorgestellt hat und will es nicht. Ich muss auch sagen, es ist bei jedem Betrieb anders: Der Steinmetz hat ganz besondere Restmaterialien, der Schlosser eher Standardmaterialien: Abschnitte vom Alublech oder Schwarzstahl zum Beispiel.

R.I.B. Gollackner
Im selbstinitiierten Projekt R.I.B verwendet Gollackner Restposten-Materialien und macht daraus eine Reihe von einmaligen und sehr attraktiven Tischen. Foto © Kathrin Gollackner

FORMFAKTOR: Für die R.I.B-Kollektion wurden ausschließlich übrig gebliebene Materialien verwendet? Nichts anderes?

Barbara Gollackner: Es war mir ganz wichtig, wirklich nichts hinzuzufügen, sondern nur tatsächliche Restmaterialien zu verwenden. Die Versuchung ist ja groß, denn wenn man gestaltet, will man alles unter Kontrolle haben. Aber natürlich habe ich eine Auswahl getroffen. Ich wusste ja, es gibt die Eiche, diesen Stein, das Alublech. Das ist ein Zugang … so würde ich sonst nie arbeiten, mit einer derartigen Diversität an Materialien. Und deshalb habe ich mich dafür entschieden, nur eine Form zu machen. Alle neun Stücke haben nun dieselbe Form.

FORMFAKTOR: Dennoch sind es neun Einzelstücke, also Sammlerstücke.

Barbara Gollackner: Genau. So ist es gedacht. Es geht darum, dass dieser wertlose Rest zu einem ganz besonderen Einzelstück wird. Durch diesen neuen Kontext erhöht man das Material.

FORMFAKTOR: Wird diese Schiene weitergeführt?

Barbara Gollackner: Ja, sicher. Diese Dinge beschäftigen mich schon immer: Nachhaltigkeit, Überfluss, Resteverwertung. Und ich möchte das weiterführen. Als Designer geht es nicht darum, immer neue, shiny Objects zu entwerfen, sondern es geht auch um die Hintergründe und wie wir unsere Welt gestalten wollen.

R.I.B. Gollackner
Für das Design der Tische verwendete die Designerin ausschließlich Restmaterialien – ohne sonstige „Zutaten“. Foto © Kathrin Gollackner

FORMFAKTOR: Es gibt von Dir ein Projekt, das gemeinsam mit Kelly entstanden ist, für die Ausstellung „Re:Form“ im Rahmen der Vienna Design Week. Dabei ging es um ein modulares Möbelsystem.

Barbara Gollackner: Interessant ist, dass Kelly in puncto Nachhaltigkeit mehrere Schwerpunkte setzt, unter anderem auch auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter. Kelly hat eine große Kantine inklusive Terrasse, wo es im Hinblick auf die Gestaltung sehr viel Luft nach oben gibt. Wir haben eine Umfrage durchgeführt, in der es darum ging, was sich die Mitarbeiter von diesem Ort wünschen. Und wie so oft, wenn irgendwo viele verschiedene Menschen beteiligt sind, wünschen sie sich viele unterschiedliche Dinge. Raum, um sich zurückzuziehen, Plätze, wo man sich zu zehnt treffen und essen kann etc. Ich habe mich dafür entschieden, ein modulares Möbelsystem zu entwerfen. Es besteht aus vier bzw. fünf Teilen. Die zwei Grundformen: den Kreis und das Rechteck gibt es in zwei Höhen. Mit diesen Modulen kann man praktisch unendlich viele Konfigurationen zusammenstellen. Mir ging es darum, die unterschiedlichen Bedürfnisse in ein System zu übersetzen.

FORMFAKTOR: Wird das Projekt weitergehen?

Barbara Gollackner: Vom Entwurf her sind wir hier noch am Anfang. Jetzt gibt es einmal ein 3D-gedrucktes Modell. In der Folge soll ein 1:1-Modell gebaut werden, wo die Mitarbeiter ausprobieren können und sich zeigt, wie sie es annehmen.

Eine Kooperation mit Kelly und Ökobusiness Wien führte zu einem modularen Möbelsystem für die Kelly-Kantine. Aus wenigen Modulen können viele verschiedene Situationen kreiert und flexibel verändert werden. © Studio Barbara Gollackner

FORMFAKTOR: 5 Jahre Studio Barbara Gollackner: Was gab den Ausschlag, dass Du Dich selbstständig gemacht und Deine Karriere alleine fortgesetzt hast, nachdem Du 10 Jahre lang mit Michael Walder im Studio undpartner zusammengearbeitet hattest?

Barbara Gollackner: Der Ausschlag war einerseits privat, weil mein Mann und ich uns getrennt haben, aber ich wollte auch beruflich mein sozusagen „eigenes Ding“ machen. In einer Gemeinschaft zu zweit zusammenzuarbeiten ist voll schön, aber irgendwann gibt es einen Punkt, an dem man sein „eigenes Ding“ durchziehen und schauen will, ob und wie das funktioniert.

FORMFAKTOR: Welche positiven Momente gibt es nun im Rückblick auf die letzten fünf Jahre?

Barbara Gollackner: Das klingt jetzt superegoistisch, aber für mich ist alles positiv daran. Natürlich trägt man alleine die Verantwortung für die Dinge, die man umsetzt, aber ich glaube, oftmals ist ein Kompromiss nicht die stärkste Lösung. Ich habe sehr oft eine genaue Vorstellung davon, wie etwas am besten ist. Das mag vielleicht nicht immer das absolut Richtige sein, aber in meiner Welt ist es das. Natürlich gibt es immer wieder Mitarbeiter und Praktikanten. Das ist auch wichtig, aber grundsätzlich ist es einfach schön, meinen Kopf und meine Dinge durchzusetzen. Und es funktioniert ja auch sehr gut.

Gollackner ist auch eine hervorragende Interieurdesignerin. Ihre Arbeit für die Metzgerei Brandauer in Salzburg ist ein Vorzeigebeispiel, in dem sie maßgeschneiderte Möbel mit Designklassikern kombinierte. Foto © Kathrin Gollackner

FORMFAKTOR: Eine Sache, die in den letzten Jahren in Deiner Karriere immer wieder vorkam, sind Designdinner. Warum diese Kombination: Design und Essen?

Barbara Gollackner: Mich hat Kulinarik schon immer interessiert. Dazu kommt, dass meine beste Freundin, mit der ich in meiner ersten WG in Wien zusammenwohnte, Köchin / Food Designerin ist. Mittlerweile habe ich mehrere Freunde, die Köche sind und das funktioniert einfach sehr gut. Meistens ist es so, dass Menschen, die gerne gut essen, auch über ein Verständnis oder Interesse für Design und Ästhetik verfügen. Zudem gibt es Themen wie zum Beispiel Nachhaltigkeit, die uns beide betreffen. Beispielsweise macht Bernadette heute bei der VDW einen Cocktail aus Brotresten. Es handelt sich um vergorenes Brot, das zu einer Art Biergetränk wird.

Die Themen Reste und Überfluss beschäftigen Barbara Gollackner schon länger. So hat sie die experimentelle Tableware-Kollektion „Wasteware“ gestaltet, wo sie die Tonnen an weggeworfenen Lebensmitteln und Einweggeschirr thematisiert. Dazu gab es auch ein spannendes Wasteware-Designdinner: Foodwaste und Highend-Gastronomie. Foto © Kathrin Gollackner

FORMFAKTOR: Du hast viel im Bereich Tableware designt. Warum interessiert Dich die Gestaltung von Dingen, die man auf den Tisch stellt?

Barbara Gollackner: Ich komme aus einer Familie, in der Essen immer ganz wichtig war. Ich habe drei Kinder und gemeinsam zu essen, ist einfach ganz ganz wichtig. Das habe ich von klein auf gelernt. Dazu gehört auch, dass man nicht irgendwelches Geschirr auf den Tisch stellt. Wenn man schön essen will, dann geht das schlichtweg nicht. Der Genuss und der optische Genuss müssen zusammenpassen. Ich arbeite auch total gern in diesem kleinen Maßstab. Also Tassen und Teller – ich habe mehrere Tassenserien entworfen – das mag ich sehr gerne.

FORMFAKTOR: Dabei geht es stark ins Detail …

Barbara Gollackner: Ja, es geht sehr ums Detail. Gut daran ist auch, dass man es so schnell ausprobieren kann. Ich drucke die Produkte mit meinem 3D-Drucker und dann wird probiert: wie funktioniert es, wie liegt es in der Hand und so weiter.

Ein Händchen für Tableware: die „Conference“-Serie. Foto © Kathrin Gollackner

FORMFAKTOR: Welche aktuellen Projekte gibt es im Studio Barbara Gollackner?

Barbara Gollackner: Ich versuche neben den schönen Projekten, mit denen ich Geld verdiene, auch immer freie Projekte zu machen. R.I.B zum Beispiel ist so eines. Generell arbeite ich an ganz unterschiedlichen Dingen: derzeit zum Beispiel an einem Büro, ich mache einen Messestand und werde auch das Interior für ein Hotel machen. Zudem habe ich eine Art Dauerkunden – eine Kaffeerösterei in Salzburg, Familie Schärf. Für sie habe ich bereits drei Geschirrserien entworfen. Und jetzt mache ich mit ihnen einen mobilen Kaffeewagen. Das ist ein Super-Projekt.

Danke für das Gespräch!

Das Interview wurde während der Vienna Design Week 2023 geführt.


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