Home Design Rapt Studios David Galullo über echte Beziehungen statt KI-generiertem Massenkonsum

Rapt Studios David Galullo über echte Beziehungen statt KI-generiertem Massenkonsum

von Markus Schraml
Rapt Studio Installation, Front View

Die Diskussionen über Chancen und Gefahren von Künstlicher Intelligenz nehmen in jüngster Zeit an Fahrt auf – auch in der Designbranche. Mit der Installation „Design is Language; Speak for Yourself“ warf das kalifornische Rapt Studio im Rahmen der Mailänder Designwoche 2024 einen kritischen Blick auf das Verhältnis von Design und KI. Die Ausstellung empfing ihre Besucher mit einer Reihe von KI-generierten Fotos, die einen Eindruck von unserer vom Massenkonsum geprägten Kultur vermittelten. Genau dieser Hyperkonsumismus sei es, der auch zu Veränderungen in der Designbranche geführt habe, meint David Galullo, CEO und Chief Creative Officer von Rapt Studio. An den dargestellten Objekten sei nichts Ungehöriges, aber wenn man sich die Details genauer ansehe, dann würden gewisse Dinge keinen Sinn ergeben im Hinblick darauf, wie dieses Objekt oder diesen Raum jemand nutzen würde.

„Wenn man sich die Menschen heute ansieht, wie sie im Internet nach den neuesten Trends suchen und diese dann bestimmen, wie sie über Design denken, führt uns das dazu zu sagen: Wir müssen die Menschen wieder in die Lage versetzen, sich die Kraft des Designs anzueignen, um ihre ganz persönlichen Geschichten zu erzählen. Um Design in einer Weise zu sehen, die genau auf sie zugeschnitten ist und ihre Beziehung zu Objekten und Räumen auf eine persönliche Art definiert“, betont Galullo. Dieser Anspruch der freien, individuellen Entscheidung und Unabhängigkeit ist hier zwar auf Design gemünzt, gilt jedoch für das Leben ganz allgemein.

In Bezug auf die Bilderwand mit den KI-Objekten meint Galullo nur kurz: „Hoffentlich ist das nicht unsere Zukunft.“ Denn das würde auch eine nicht gerade rosige Zukunft für den Beruf des Designers bedeuten. Das Aufkommen der Künstlichen Intelligenz habe bereits dazu geführt, dass viele Objekte oder auch Räume mit KI entwickelt würden. In der Ausstellung setzt Rapt Studio dieser Gleichmacherei von KI-generierten Dingen persönliche Geschichten von Menschen und deren Beziehungen zu ihrem Wohnumfeld entgegen.

„Als wir unsere Untersuchung starteten, haben wir uns im Studio über unsere eigenen Familien und Freunde Gedanken gemacht. Wir fragten: Was sind ihre wertvollsten Besitztümer? Es zeigte sich, dass es nicht die superteuren Dinge waren, sondern Dinge, die Bedeutung hatten und persönliche Geschichten implizierten. Zum Beispiel ein Schaukelstuhl, den sie in ihrer Kindheit benutzt hatten, der innerhalb der Familie weitergegeben wurde und der irgendwann zu ihnen zurückkam. Es sind Alltagsobjekte, die aber eine starke Hintergrundgeschichte in sich tragen. Oder eine Saftpresse, die in einem Secondhand-Laden gekauft wurde und mittlerweile Teil des Sonntagsfrühstücksrituals geworden ist“, erläutert Galullo das Ausstellungskonzept. Dieses sonderbare Museum besteht also nicht aus bedeutenden Kunstwerken, sondern aus Gegenständen, die voller persönlicher Geschichten und Bedeutungen stecken.

Im dritten Teil der Installation wird dieser Ansatz vertieft. Mittels einer imaginären Geschichte soll vermittelt werden, dass Räume Erinnerungen sozusagen speichern. Diese Erinnerungen speisen sich aus den Interaktionen der Menschen, die diesen Raum benutzen. „Unsere Installation ist eine Art Gegenpol zum klassischen Showroom. Wir verkaufen hier nichts, sondern wir wollen die Menschen dazu bringen, darüber nachzudenken, wie sie ihr Leben und ihre Umgebungen gestalten und wie Interaktionen untereinander und mit dem Raum eigentlich entstehen“, erklärt Galullo.

Der direkte menschliche Kontakt

Rapt Studio mit Sitz in San Francisco ist international für seine Office-Gestaltungen bekannt, die es im Lauf der Jahre für so klingende Namen wie Google, HBO, Fender oder Dropbox umgesetzt hat. Der Inhalt der Installation in Mailand reflektiert die Erfahrungen des Teams rund um David Galullo, die sie mit ihren Lösungen für Arbeitsumgebungen gemacht haben. Denn auch dort geht es um Fragen der Identifikation der Menschen. Was müssen Büros im Jahr 2024 leisten, im Hinblick darauf, dass sich in den letzten Jahren (gezwungenermaßen) ein starker Trend in Richtung Homeoffice entwickelt hat.

„Was Menschen mit ihrer Arbeit verbindet, ist das Gefühl von Bedeutung. Ich glaube nicht, dass den Menschen Geld oder Prestige so viel bedeuten, sondern das Gefühl, einen Unterschied zu bewirken. Wenn wir mit Kunden wie Google, Warner Bros. oder CNN zu tun haben, geht es immer darum, wie man die Menschen zurück ins Büro bringen kann“, berichtet Galullo. Es gehe um menschliche Beziehungen und es sei bereits ein eindeutiger Trend zu beobachten, dass die Menschen wieder zurück in die Büros wollen, weil sie genau diese Beziehungen wollen. „Wenn man, wie wir es tun, Arbeitsplätze designt, geht es immer darum, Sinn und Zweck einer Organisation zu vermitteln. Es geht nicht um ausziehbare Tische oder große Cafés. Die Menschen haben realisiert, dass sie ihr ganzes Leben zu Hause leben können – auch arbeiten. Das heißt, ins Büro zu kommen, muss eine Bedeutung und einen vereinenden Zweck in Bezug auf das Unternehmen haben. Also versuchen wir, Orte zu schaffen, die genau diese Geschichte erzählen“, sagt Galullo.

Viele Unternehmen haben festgestellt, dass die Qualität der Arbeit ihrer Teams virtuell zurückgeht. Virtuelles Arbeiten mag zeiteffizient sein, aber die Performance leidet. Andererseits steigt sie, wenn in unmittelbarer Nähe zusammengearbeitet wird. Direkte Konversationen fördern den Arbeitsprozess. „Virtuelles Arbeiten war super, weil es viele Menschen dazu gebracht hat, mehr Zeit mit ihrer Familie zu verbringen. Aber es ging auch viel verloren. Durch die betäubende Wirkung eines Bildschirms ist es nie das gleiche wie eine Konversation von Angesicht zu Angesicht, wie wir beide sie jetzt haben. Das funktioniert einfach nicht. Ich tendiere sogar dazu zu glauben, dass wir nie an einen Punkt kommen werden, wo Technologie den direkten Kontakt zwischen Menschen eliminiert“, hofft Galullo.

Moderne Arbeitsumgebungen müssen Identifikation schaffen und sowohl ruhiges Arbeiten als auch Möglichkeiten des Austausches bieten. Beides in einem einzigen Raum unterzubringen, ist eine Herausforderung, weiß Galullo. Eine Lösung sei, unterschiedliche Räume anzubieten, die sich die Mitarbeiter je nach Vorlieben aussuchen können. Im Hinblick auf Großraumbüros sei es heutzutage so, dass es mehr Fläche pro Person gebe. Sie seien nicht mehr so dicht gestaltet wie früher. Heute gibt es mehr Platz zwischen den Arbeitsplätzen auch in offenen Büros, was die Qualität solcher Räume massiv erhöht habe. Galullo berichtet aber auch von vielen Studien, die gezeigt hätten, dass Großraumbüros zu keiner Zeit eine ideale Lösung gewesen seien. Es hing immer schon vom jeweiligen Zweck und den beteiligten Personen ab. Deshalb bedarf es stets einer individuellen Herangehensweise der Designer oder wie David Galullo es ausdrückt: „Unglücklicherweise ist es oft so, dass Klienten eine schnelle Lösung wollen und auf uns mit der Frage zukommen: Was ist die Lösung? Darauf können wir natürlich nur antworten: Es ist kompliziert.“



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