Home Art Transparenz und Farbe – die Welt von Draga & Aurel

Transparenz und Farbe – die Welt von Draga & Aurel

von Markus Schraml
Draga & Aurel Porträt

Designbüros in Europa arbeiten hauptsächlich als Auftragnehmer für Firmen, während Studios in Großbritannien, Australien oder Nordamerika gerne auch selbst als Marken auftreten und ihre Kreationen eigenständig verkaufen. Innerhalb dieses beruflichen Möglichkeitsspektrums ist das Designerduo Draga & Aurel eine leuchtende Ausnahmeerscheinung, denn Draga Obradovic und Aurel K. Basedow sind sowohl im Bereich Industrial Design für Firmen wie Baxter, Visionnaire oder Wall&Deco tätig als auch in eigener Sache unterwegs mit Ausstellungen, die dem Collectible Design oder besser gesagt dem künstlerischen Design zuzurechnen sind. Mit ihren Exponaten in der Nilufar Gallery und Rossana Orlandi Gallery konnten sie stetig steigende Erfolge verzeichnen. Letzter Höhepunkt war ihre Installation „Apartement of Wonder“, das Herzstück der großen Ausstellung in der Galerie von Rossana Orlandi während der diesjährigen Mailänder Designwoche.

Das Konzept für das Apartment des Wunders erstellten Draga & Aurel gemeinsam mit dem Architekten Giuliano Andrea dell’Uva, mit dem die beiden in der Vergangenheit bereits an mehreren Projekten gearbeitet hatten. Sowohl dell’Uva als auch Draga und Aurel teilen ein großes Interesse für die Themen Transparenz und Farben. „Zuerst hat er einfach einige unserer Designs verwendet und dann haben wir gemeinsam an Projekten gearbeitet. Das erste war das Bett Lewit. Es entstand aus der Idee heraus, in einem historischen Raum mit Fresken ein transparentes Bett zu platzieren, damit die Fresken nicht verdeckt würden. Daraufhin haben wir das transparente Kopfteil entwickelt. Für diese Ausstellung an diesem wundervollen Ort wollten wir der Kollektion (Transperancy Matters – Anm.) weitere Stücke hinzufügen. Und wir wollten die Sicht Giulianos auf uns darstellen. So entstand das Apartement of Wonder“, erläutert Draga im FORMFAKTOR-Interview.

Lewit Bett von Draga & Aurel
Das Bett „Lewit“ mit transparentem Kopfteil. Foto © Marco Menghi

Die Beschäftigung mit Transparenz reicht weit in die Geschichte von Draga & Aurel zurück. Zu Beginn hatten sie Harz dazu verwendet, um ihre „Found Objects“ (gefundene Objekte) damit zu überziehen. Diesen Upcycling-Vorgang erforschte das Duo über viele Jahre. „Das Harz haben wir dazu verwendet, um kaputte Oberflächen zu reparieren. Wenn wir also einen Holztisch in schlechtem Zustand fanden und ihn mit Harz bearbeiteten, stellte dies die Schönheit der Beschädigung heraus. So wurde die Beschädigung zu einem Muster. Das war der Beginn“, erzählt Draga, die durch ihren Hintergrund als Textildesignerin sehr an Farben, Mustern und Drucken interessiert ist, was zu einer immer tieferen Erforschung dieser Technologie führte. In der Folge gaben sich die beiden Gestalter nicht mehr mit Beschichtungen zufrieden, sondern begannen das Harz zu gießen. Es ging also nicht mehr darum, etwas zu bedecken, sondern mittels Gussformen die Form selbst zu bestimmen.

Für das „Apartement of Wonder“ haben Draga & Aurel nicht nur mit Harz, sondern auch mit Lucite, einem Acrylharz gearbeitet. Der Unterschied besteht darin, dass bei letzterem die Objekte aus Schichten und Farbblöcken bestehen, die geschnitten und wieder zusammengeklebt werden. So entstehen drei unterschiedliche Ebenen von Transparenz: matt, transluzent und komplett transparent. „Das heißt, wir mögen es, mit den verschiedenen Ebenen von Transparenz zu spielen, auch im Verhältnis zu Farben. Es ist ein wundervoller, unvorhersagbarer, farbenfroher Effekt. Wir haben uns in diese neue Entdeckung wirklich verliebt“, schwärmt Draga.

Für ihre jüngsten Kreationen (hier die Beistelltische) verwendeten die Designer Lucite. Damit können neue Formen und Varianten von Transparenz – in diesem Fall matt – hergestellt werden. Im Hintergrund: ein farbenfrohes Werk von Aurel Basedow. Foto © Marco Menghi

Aurel K. Basedow ist Künstler und sieht in dem Thema Transparenz eine Mehrschichtigkeit, die man auch auf die persönliche Ebene beziehen kann. „Wir sind ehrliche Künstler. Wir wollen nicht irgendwie erscheinen, sondern wir kreieren aus dem Bauch heraus und bleiben uns immer treu“, betont Aurel, für den Transparenz das Spiel mit Licht impliziert. „Wir lieben das. Licht ist alles. Farbe existiert ohne Licht nicht. Durch Transparenz und Licht kann man sehr viele Effekte hervorbringen und entdecken. Welches Tageslicht in welchem Winkel einfällt, kann immer wieder zu neuen Überraschungen führen. Das stellen wir auch in unserem eigenen Haus und bei unseren eigenen Möbeln fest. Licht ist entscheidend.“

Reibung und Ergänzung

Die Zusammenarbeit zwischen Draga und Aurel ist wohl deshalb so befruchtend, weil sie mit verschiedenen Backgrounds an die jeweiligen Projekte herangehen. „Im Lauf der Zeit gab es verschiedene Phasen der Zusammenarbeit. Ganz am Anfang war es eher spielerisch und sehr materialbezogen. Wir haben zusammen gebastelt, könnte man sagen, um neue Dinge zu kreieren. Manchmal ist unsere Zusammenarbeit reibungsvoller, aber meistens besteht zwischen uns ein Ausgleich. Wir ergänzen uns überwiegend sehr sehr gut und stärken uns, wenn wir Probleme haben“, sagt Aurel und Draga ergänzt: „Anfangs waren wir nur zu zweit, heute sind wir 25. Das heißt, es gibt viel zu managen. Durch unsere frühe Kooperation mit Baxter haben wir jahrelang auch im Bereich Industrial Design gearbeitet und gelernt, wie Projekte mit großen Firmen umgesetzt werden müssen. Ich war glücklich damit, aber Aurel nicht so sehr. Er ist ja eigentlich Maler. Also sagte ich zu ihm, Du hast mir geholfen, genau das zu machen, was mich glücklich macht, also helfe ich Dir jetzt, dass Du auch glücklich wirst. Nach ungefähr einem Jahr begann er wieder zu malen“, erzählt sie.

Das war in den Jahren 2014/2015. Heute ergänzen sich die Designs und die Gemälde. „Letztlich ist es so, dass in unseren Installationen und Präsentationen die Designs und die Gemälde zusammenfließen – obwohl es nicht geplant ist. Das heißt, ich male meine Bilder und dann ist es überraschend zu sehen, wie die Dinge doch zusammenpassen“, meint Aurel. Dies könnte an dem gemeinsamen Designzugang liegen, den Draga und Aurel teilen, obwohl sich die jeweiligen Arbeitsmethoden unterscheiden. „Wenn Fragen in den Projekten auftauchen, entscheidet auch Aurel mit. Umgekehrt nehme ich sicher Inspirationen aus den Gemälden, die er macht, auf. Ich glaube, es gibt hier sehr viel unterschwellige gegenseitige Einflüsse, die uns gar nicht bewusst sind“, vermutet Draga.

Das „Apartment of Wonder“ ist ein wunderschön künstlerisch gestaltetes Projekt, das die ästhetische Welt von Draga & Aurel eindrucksvoll vermittelt. Doch was braucht es, um ein Interieur so perfekt zu designen? Aurel Basedow: „Ich würde schon behaupten, dass es in unseren Räumen sehr viel Perfektion gibt – und zwar aus mehreren Gründen: Einerseits weil der Gesamtklang stimmt, gleichzeitig ist aber auch jedes Einzelstück in sich selbst wertig. Wenn diese beiden Dinge in einem perfekten Modus zusammenkommen, plus passende Kunstwerke, dann kann man eine Schwingung von Perfektion erleben.“ Für Draga Obradovic geht es hauptsächlich darum, sich in den eigenen vier Wänden wohlzufühlen: „In diesen sehr schweren Zeiten habe ich persönlich zum Beispiel ein Bedürfnis nach Leichtigkeit und Farbe, um atmen zu können. Ich will mich mit Dingen umgeben, die mir etwas bedeuten, die erhebend sind, die diese besondere Schwingung haben.“

Die Schwingungen von Draga und Aurel jedenfalls scheinen stimmig zu sein. Ihre Vorreiterrolle im Hinblick auf künstlerisches Design resultiert aus einer inneren Harmonie heraus und aus dem Zusammenspiel zweier starker kreativer Persönlichkeiten. Die eine (Aurel) geht die Dinge analytisch an, die andere (Draga) verfolgt ihre Visionen mit vehementem Vorwärtsdrang. Der Ausgleich dieser beiden Positionen macht wohl das Erfolgsrezept von Draga & Aurel aus.



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