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Die Stadt unter der Stadt – Groundscape Architecture

von redaktion
Groundscape Architecture

Vergangenen Herbst fand der erste Gratis-Onlinekurs MOOC (Massive Open Online Course) unter der Federführung von Dominique Perrault statt. (formfaktor berichtete) Der 6-wöchige Kurs mit Informationen zur Theorie und Praxis von Groundscape Architecture – also allem was unter der Oberfläche von Städten machbar ist – beinhaltete auch die Teilnahme an der Groundscape Design Competition. Die Sieger dieses Wettbewerbs, bei dem es um neue Möglichkeiten der Untergrundgestaltung ging, wurden nun bekannt gegeben. Die Jury (gleichsam die Lehrenden des Kurses) musste sich unter 48 Einreichungen aus 25 Ländern entscheiden. Und die Wahl von Perrault sowie Juan Fernández-Andrino, Ignacio Ferrer und Richard Nguyen fiel auf zwei Ex aequo-Sieger: Alexis Peyer und Ernesto Ibáñez.

Alexis Peyer (Frankreich) präsentierte eine Vision für die Place de la Concorde in Paris und nimmt sich dafür die Originalpläne von Ange-Jacques Gabriel für diesen prominenten Platz vor, der zur Zeit von den Parisern wenig genutzt wird und eine Art Niemandsland des städtischen Lebens darstellt. Der Vorschlag öffnet das Gelände durch einen Einschnitt in die Oberfläche im Osten des Platzes an der Schnittstelle zum Jardin des Tuileries auf Höhe der beiden von André Le Notre entworfenen Terrassen. Auch im ursprünglichen Plan von Gabriel umrahmte ein Graben den Platz, der im Zuge der Neugestaltung Mitte des 19. Jahrhunderts zugeschüttet wurde. Durch das teilweise Aufbrechen des Bodens entstehen zusätzliche kleinere Räume, die einen Gegensatz zur großen Dimension des historischen Platzes bilden, an dem während der Französischen Revolution die Guillotine sehr vielen Menschen den Garaus machte. Gleichzeitig bleibt der gewohnte, großzügige Eindruck an der Oberfläche gewahrt. Die Einschnitte bieten neue Nutzungsmöglichkeiten und verbinden die Metro, das Museum Jeu de Paume sowie das Orangerie-Museums und würden einen Pier an der Seine schaffen.

Bestehende Plätze neu zu interpretieren und zusätzliche Nutzungen zu ermöglichen war auch die Intention von Ernesto Ibáñez (Spanien), der sich das geflügelte Wort von Bernard Tschumi „Um Architektur wirklich zu schätzen, müssen Sie vielleicht sogar einen Mord begehen“ auf die Fahnen heftet. Sein (selbst)mörderischer Vorschlag kommt einem kleinen Sakrileg gleich, denn er möchte die Kirchenvorplätze in Spanien umgestalten. Das Potenzial ist enorm. Jede Stadt, jedes Dorf, jeder Stadtteil hat mindestens eine Kirche mit einem Platz davor. Dem Thema entsprechend bleiben die Oberflächen weitgehend unberührt, nur der Untergrund wird bearbeitet, um neue Möglichkeitsräume in den gesättigten urbanen Gefügen zu schaffen. Das Ziel ist, den derzeit rein kontemplativ-religiösen Charakter dieser Plätze in einen gesellschaftlich aktiven, relevanten zu verwandeln. Die Rollen werden vertauscht – der Platz wird zum Hauptdarsteller, die Kirche zur Kulisse. Der Vorschlag ist in verschiedene Ebenen aufgeteilt, beginnend bei kleinen geschlossenen Plätzen für vielfältige Aktivitäten, die sich mit der Zeit verändern, bis hin zu großen offenen Räumen, die den öffentlichen Platz erweitern und als Ort des Austauschs fungieren.

Die Jury der Groundscape Design Competition sprach zusätzlich sechs Honorable Mentions und eine Special Mention aus. Die Preisträger kommen aus Argentinien, Australien, Deutschland, Frankreich, Spanien und den USA.

Die nächste Ausgabe des MOOC zur Groundscape Architecture findet in diesem Frühjahr statt. Der zweite Onlinekurs beginnt am 15. April 2019. Der Kurs soll 10-11 Wochen in Anspruch nehmen (5 bis 6 Wochenstunden) und theoretische sowie praktische Informationen zur Untergrundarchitektur beinhalten. Es ist wiederum eine Kooperation von Dominique Perrault und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (Ecole polytechnique fédérale de Lausanne, EPFL), wo seit 2013 das Laboratory of underground architecture (SUB) situiert ist. Der „Groundscape Architecture“-Kurs wird über die Non-Profit Online-Lernplattform edX abgewickelt. Hier geht es zur Registrierung.

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