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Meissl Architects expandieren in Wien

von Markus Schraml
Meissl Architects eröffnet neues Büro in Wien

Das in Seefeld in Tirol beheimatete Architekturbüro Meissl Architects betreibt neben einer Zweigstelle in Hallein seit 1997 auch ein Büro in Wien. Der Standort im 7. Bezirk war mit der Zeit zu klein und ein Umzug notwendig geworden. Bedingung: Das neue Atelier sollte in relativer Nähe des ursprünglichen Standorts liegen. Die Architekten fanden schließlich passende Räumlichkeiten im 8. Bezirk in der Lange Gasse 29, einem Wohnstraßenabschnitt.

Chef Alexander Meissl will in Wien expandieren und dafür sind neue, größere Räumlichkeiten erforderlich. Sein Büro, das er gemeinsam mit Schwester Prof. Carola Meissl-Handle, Gordon Grusdat und Thomas Wawris als Partner führt, hat sich auf Hotelprojekte spezialisiert, ein Bereich, in dem schon Vater Ernst Meissl einflussreich tätig war. Auch Privathäuser im Luxussegment und Bauten sowie Sanierungen im Gesundheitsbereich gehören zu den vorrangig bedienten Architekturfeldern. Am Rande der Eröffnungsveranstaltung sprach Alexander Meissl im formfaktor-Interview über Hotel-Kitsch, die Zusammenarbeit mit Matteo Thun und die steigende Bedeutung von Sanierungen.

 

formfaktor: Meissl Architekten in Wien an einem neuen Standort, in einem neuen Büro. Warum war das notwendig geworden?

Alexander Meissl: Wir haben das gemacht, weil in unserem alten Büro im 7. waren wir mit sieben Leuten eigentlich voll. Und wir haben das Problem, dass wir in Tirol keine Architekten mehr bekommen. Das heißt, wir müssen uns in Wien so aufstellen, dass wir hier expandieren können. Jetzt haben wir Platz für acht bis zehn Leute. Deswegen der Umzug.

formfaktor: Ich nehme an, man hat als Architekt einen ganz speziellen Anspruch – und natürlich das Wissen und Kontakte, die bei der Suche eines neuen Büros hilfreich sind. Was hat den Ausschlag für die Lange Gasse 29 gegeben?

Als wir entschieden hatten, dass wir wechseln, hat Thomas Wawris, mein Partner in Wien, den Auftrag bekommen, zu schauen, was es gibt. Wir haben dann gemeinsam ein paar Büros gefunden, wo wir gesagt haben, das könnten wir uns vorstellen. Und wir wollten auch vom alten Standort nicht allzu weit weg. Auch deshalb fiel die Entscheidung für diesen Standort.

formfaktor: Ein Atelier ist ja eine Art Visitenkarte.

Schon. Schon. Also wir wären jetzt nicht in ein dunkles Kellerloch gegangen. Im alten Büro hatten wir ein Dachgeschoß. Und jetzt haben wir gesagt, wir wollen etwas haben mit Luft, Licht und Sonne. Was uns hier besonders gut gefällt, ist – wenn man raus geht – diese Wohnstraße, die Lange Gasse. Das ist sehr charmant. Wir sind gestern schon gesessen und haben sozusagen geübt, wie das ist – das Leben in der langen Gasse. Und es gibt ja für uns nur zwei Möglichkeiten: Entweder findest Du etwas Altes mit Charme (das haben wir) oder etwas Neues mit Qualität und das ist ganz ganz schwer. Ein 0-8-15-Bürohaus mit Glasfassade – das wollten wir nicht. Wir lieben das hier: Wir gehen um die Ecke was Essen, was Trinken und leben mit der Stadt mit. Wir wollen ja nicht nur kommen, arbeiten und wieder gehen. Das Drumherum muss man auch ein bisschen kultivieren.

formfaktor: Was waren entscheidende Zeitpunkte, wo Sie gesagt haben, jetzt eröffnen wir ein Büro in Wien? Jetzt eine Zweigstelle in Hallein?

Wien ist aus einem Zufall heraus entstanden. Ich habe in Tirol jemanden kennengelernt, der zu mir gesagt hat „willst Du für mich in Niederösterreich etwas bauen“. Wir haben damals in der Nähe von Wiener Neustadt eine große Villa gebaut und so sind wir nach Wien gekommen. Da haben wir 1997 dann das Büro in Wien eröffnet und sind seither auch personell permanent in Wien vertreten. Momentan haben wir sechs Leute in Wien – mit dem Ziel, dass wir Richtung zehn gehen. Dann ist für uns der Standort Wien ausreichend entwickelt. Hallein ist auch durch Zufall passiert. Durch eine Studienkollegin, die nicht den Mumm gehabt hat, etwas alleine zu machen. Da habe ich gesagt, dann machen wir es halt gemeinsam. An jedem Standort haben wir jemanden, der den Standort auch betreibt und führt. Meine Schwester arbeitet nur mehr bedingt mit – sie kümmert sich als Professorin mehr um den Nachwuchs. Und ich fetze von Westen nach Osten – alle zwei Wochen.

formfaktor: Wie wichtig ist es, dass man als Architekt vor Ort mit einem Büro vertreten ist?

Das Büro ist wichtig. Ich sage immer, wenn man sozusagen keine Telefonnummer hat, ist man nicht vorhanden. Für uns ist das ganz wichtig, ohne Telefonnummer ist es nur eine Briefkastenfirma. Eine Firma muss leben. Ich muss dort hingehen können. Ich muss Leute empfangen können. Ich kann das nicht alles nur virtuell machen. Bauen funktioniert nur, wenn man sich an einen Tisch setzen und kommunizieren kann. Wir machen Videokonferenzen, wir machen das alles, aber leben tut das Ganze vom persönlichen Kontakt. Wenn ich ein Projekt präsentiere, muss ich meinem Gegenüber in die Augen schauen, muss ich sehen, wie der reagiert: kritisch, ablehnend, zustimmend, begeistert. Wenn ich das nicht spüre, kann ich dem Kunden nichts Gutes tun.

formfaktor: Sie haben Erfahrungen in der Umsetzung von Projekten in Österreich, Deutschland und Italien. Wie groß oder klein sind die Unterschiede bei den Regularien oder in der Zusammenarbeit mit den Bauherren in den jeweiligen Ländern?

Der größte Unterschied ist die Nord-Süd-Spange. Wenn wir zum Beispiel in Bayern bauen, dann ist das ein Land, in dem mit Effizienz und Effektivität am besten umgegangen wird. Die machen immer nur das Notwendigste und das machen sie perfekt. Der Italiener ist genau das Gegenteil. Er macht immer das, was er will, und Raum und Zeit sind eher relativ. Wenn ein Italiener Ja sagt – das habe ich lernen müssen – dann meint er immer nur Vielleicht. Nein sagt er nicht, weil Nein unhöflich ist. Wenn man als Österreicher gewohnt ist, auf ein Ja zu reagieren, dann ist man zunächst verwundert, warum die jetzt nix machen. Von den Regularien her – das kann man lernen, das kann man nachlesen. Das Thema sind eher die kulturellen Unterschiede. Die Verbindlichkeit ist bei den Italienern weniger ausgeprägt als bei uns Österreichern und bei den Kollegen in Deutschland. Vom Engagement her brauchen wir Österreicher uns nicht verstecken. Wir tun oft viel viel mehr für unsere Kunden. Das ist nicht nur unser Büro, das ist einfach die Schule, durch die wir gehen.

formfaktor: Hotelarchitektur im alpinen Raum – Was fällt Ihnen dazu als Erstes ein?

Viel Kitsch. Viel Schmarrn und wenig Gutes. Das Gute allerdings, das leuchtet richtig kräftig. Wir haben uns auf Hotelarchitektur spezialisiert. Unser Vater hat auch sehr viele Hotels gebaut. Wir haben das dann unterbrochen, weil wir uns in dem Metier nicht wohlgefühlt haben. Weil wir es nicht für gut befunden haben, dass man da diesen Bayern-Barockstil und diese Lederhosen-Architektur macht. Die aufgeblasenen Almhütten. Davon halten wir nichts und damit kann man sich auch nicht profilieren. Als dann seitens der Hoteliers das Verständnis da war, dass man eigentlich Hotel-Persönlichkeiten schaffen muss, dass sich die Hotels unterscheiden müssen, dass sie Alleinstellungsmerkmale brauchen, dann wurde das Thema für uns wieder interessant. Wir machen keine Hotels, wo wir glauben, das wird so eine 0-8-15-Geschichte. Wenn jemand kommt und sagte, er will 20 Zimmer dazu bauen und hat aber keinen wirklichen Grund dafür – dann machen wir es nicht.

formfaktor: Die Architektur im alpinen Raum hat sich schon seit einiger Zeit verändert.

Es muss nicht immer alles kühles Design sein, wenn man von zeitgemäßer Architektur spricht. Das kann auch etwas anderes sein. Wir haben aktuell drei Hotels in Arbeit, die alle reine Holzhotels sind. Also mit dem ökologischsten Baustoff, den wir zurzeit haben. Aber die sind von einer Formensprache geprägt, die eher zeitlos ist und nicht irgendwelche Klischees wiedergibt.

formfaktor: Derzeit arbeiten Sie an einem Luxushotel am Tegernsee. Sie finalisieren dort den Vorentwurf von Matteo Thun. Wie kam es dazu? Einerseits haben Sie übernommen, andererseits ist Thun noch immer gestalterischer Leiter. Wie funktioniert das?

Matteo Thun und ich haben uns zu diesem Projekt am Tegernsee kennengelernt. In der Zwischenzeit machen wir vier Projekte gemeinsam, und aus einer anfänglichen Skepsis ist eine ganz liebe Freundschaft und Kollegialität entstanden. Er weiß, was er kann und wir wissen, was wir können und zusammen sind wir – sage ich einmal – unschlagbar. Ich habe ihm damals versprochen, dass ich seine Architektur achte und nicht verstümmle. An das halten wir uns bis heute und deshalb funktioniert das auch. Man darf dabei nicht vergessen: Das Büro Thun in Mailand macht auch sehr viel Industriedesign und Interieur. Sie haben einfach andere Schwerpunkte und deswegen ergänzen wir uns auch so gut.

formfaktor: Was ist für Sie persönlich – als Hotelgast – wichtig? Was zeichnet für Sie ein gutes Hotel aus?

Was für uns in der Architektur wichtig ist, ist für mich als Person auch wichtig. Wenn ich in ein Hotel, das ich nicht kenne, hineingehe, ist für mich ganz wichtig, dass ich mich orientieren kann. Ich will nicht suchen müssen, wo was ist. Ich muss dem logischen Gedanken folgend, dort hinkommen, wo ich hin will. Aber das nützt alles nichts, wenn das Personal nicht gut ist. Das Gastgebertum ist in der Hotellerie die höchste Disziplin. Hoteliers, die es verstanden haben, außergewöhnliche Hotels zu machen, die haben interessanterweise oft auch besondere Mitarbeiter. Im Zimmer ist mir die Aufenthaltsqualität wichtig. Es gibt nichts Schlimmeres als ein kleines, dunkles Bad. Oder ein WC, wo der Reisende unerwünschte Geräusche mitbekommt. Es muss eine Mischung sein aus Intimität, gemeinsamem Urlaubserlebnis und der Aufenthaltsqualität innen sowie der Ausblick vom Balkon. Ein Zimmer ist heutzutage keine Schlafstätte mehr. Ein Zimmer in einem zeitgemäßen Hotel muss ein Aufenthaltsort mit einer bestimmten Qualität sein. Und – mittlerweile sind wir so weit, dass ein Hotelzimmer mehr bieten muss, als die Gäste von sich zu Hause gewohnt sind. Wir haben im Urlaub die schöneren Bäder, die schöneren Ausblicke. Wir haben das bessere Klima – wir haben alles. Im Urlaub muss es besser sein. Wenn ich keine Steigerung erlebe, brauche ich nicht auf Urlaub fahren. Und dafür ist das Gebaute wichtig, aber auch die Dienstleistung.

 

formfaktor: Sie entwerfen und bauen auch für den Gesundheitsbereich. Welche besonderen Anforderungen gibt es in diesem Bereich?

Die Wahrheit ist – wenn man das einmal gemacht hat, dann kann man es. Das stellt man sich viel schwieriger vor, als es ist. Und das soll auch so bleiben, damit der Markt nur von wenigen Büros bedient wird. (lacht) Natürlich ist der Architekt in einem Krankenhaus weit weniger wichtig als in einem Hotel, privatem Wohnhaus oder einer Villa. Man ist teil eines Teams und hat sich da eher unterzuordnen. Das Schöne dabei ist, dass es eigentlich völlig egal ist, was Du im gestalterischen Bereich machst, weil die Ärzte und die Pflege interessiert nur ihre Arbeit. Den Bauherrn interessiert nur, dass es nicht zu viel kostet. Trotzdem kann man in dem bescheidenen Spielraum, den man hat, einiges tun.

formfaktor: Da spielen Sie Ihre Rolle jetzt etwas herunter. Sie haben doch immer behauptet, dass Architektur oder Innenarchitektur helfen können, den Heilungsprozess oder zumindest das Wohlbefinden in Gesundheitseinrichtungen zu verbessern?

Wir wollen Häuser bauen, die die Leute gesund machen und wo das Kranksein einfach nicht mehr im Vordergrund steht, sondern das gesund werden. Und da ist wichtig, dass die Qualität in einem Patientenzimmer gegeben ist. Es darf nicht alles eng sein, es muss offen sein. Wenn man zum Beispiel Mehrbettzimmer hat, muss es auch private Bereiche geben. Man kann mit Materialien, mit Farben, mit Qualitäten schon Effekte erzeugen. Und das hat nichts mit Geld zu tun. Das ist einfach Engagement. Dann wird aus einem stupiden grauen Patientenzimmer ein netter qualitätvoller Raum. Früher hat es nur PVC-Böden, weiße Wände, weiße Decke gegeben – gut abwaschbare Möbel – das hat sich geändert. Wir bauen mittlerweile zum Beispiel Krankenzimmer mit Parkettböden.

formfaktor: Im Bauwesen werden Renovierungen immer wichtiger. Hat sich das Renovieren zu einer für Architekten erstrebenswerten Disziplin entwickelt?

Wir leben im Zeitalter der Ökologie. Wir können nicht immer alles wegreißen. Das geht nicht. Alles, was so bis 1950 gebaut worden ist, hat so viel Qualität, dass es erhaltenswert ist. Dann gab es die 60er und 70er Jahre, das war weniger gut, da hat man Asbest verwendet – die gehören weg. Renovieren ist ein Riesenthema. Man muss sich ja überlegen: Vernichtung von Bausubstanz ist Vernichtung von Kapital. So bald ein Gebäude renovierungswürdig ist, sollte man es unbedingt machen. Ich glaube schon, dass die Renovierung immer wichtiger wird.

formfaktor: Seit 2017 bieten Sie auch Interieurgestaltung und visuelle Kommunikation an – und können damit Projekt noch umfassender betreuen. Ist das für sie der richtige Weg, dass man alles aus einer Hand bekommt?

Uns hat immer gestört – Du bemühst dich über Jahre hinweg zum Beispiel eine tolle Fassade zu machen, und dann pickt irgendjemand einfach eine Leuchtschrift auf deine Fassade, wo weder die Form noch die Farbe, noch der Stil passen. Deshalb haben wir gesagt, alles was der Mensch an einem Objekt sieht, beeinflussen wir. Das machen wir mittlerweile auch sehr erfolgreich, weil dann alles in sich stimmig zusammenpasst. Wir machen Piktogramme, Logos auf den Häusern – eben alles, was man sieht. Die Werbefirmen haben übrigens kein Problem damit, wenn wir sagen, die wenigen Dinge, die man am Gebäude sieht, wollen wir bestimmen. Wir machen das gemeinsam. Alles was man sieht, muss einfach stimmig sein.

formfaktor: Was wären Sie, wenn Sie nicht Architekt wären?

Alexander Meissl: Hätten Sie mich vor 30 Jahren gefragt, hätte ich wahrscheinlich gesagt – Anwalt. Heute würde ich sagen – Bauer.

formfaktor: Bauer? Wieso?

Weil ich der Meinung bin, dass in 30 Jahren die Landwirte Ferrari fahren werden und alle anderen Wirtschaftszweige sich zusehends schwerer tun. Also wer Landwirtschaft betreibt, gutes Essen produziert, Getreide, Gemüse, Früchte, auch Fleisch, der hilft der Menschheit zu überleben. Das wird in Zukunft ein Luxusgut sein. Und mich interessiert es, in der Natur zu arbeiten. Das ist einfach wunderschön.

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