Wie werden die Menschen in Zukunft wohnen? In einem Zeitalter der Mega-Metropolen, in denen die Preise für Wohnraum in schwindelerregende Höhen vorgedrungen, die Einkommen der Durchschnittsbürger*innen aber kaum gestiegen sind. Bereits jetzt sind entsprechende Entwicklungen zu beobachten, wie zum Beispiel der Trend hin zu immer kleineren Grundrissen – den sogenannten Mikro-Appartements oder Microhomes. Die Herausforderung für Architekten dabei ist, Konzepte und Systeme zu erfinden, die auf einer kleineren Fläche dieselben Funktionen ermöglichen, wie anno dazumal in der Drei- oder zumindest Zwei-Zimmer-Wohnung. Ein Wettbewerb, der von Bee Breeders ausgeschrieben wurde, beschäftigte sich genau mit dieser Frage. Nun wurden die Sieger des erstmals durchgeführten Microhome-Awards für Nachwuchsarchitekten*innen bekanntgegeben.
Die Organisatoren sehen in dieser Initiative den Beginn einer Bewegung, die der Architektur für kleine Räume mehr Wertschätzung entgegenbringt. Die Ausschreibung verlangte die Entwicklung einer unabhängigen, modularen Struktur, in der zwei Personen Platz finden. Die Gesamtfläche durfte maximal 25 m² betragen. Besondere Berücksichtigung bei der Bewertung fand neben der Ästhetik auch der Einsatz von neuen Technologien und innovativen Materialien.
Unter den Einreichungen finden sich die unterschiedlichsten Ansätze: Modulare Häuser, Fertigteil-Häuser, schwimmende Häuser, gemeinschaftlich genutzte Gebäude, Häuser, die ihre eigene Energie produzieren und sogar fliegende Häuser. Viele Beiträge legten den Fokus auf konkrete Städte, etwa in Vietnam, Indonesien, Kanada, Großbritannien, den USA, Mexiko, Japan etc. Die Siegerprojekte zeugten allesamt von der Zuversicht der Gestalter*innen, zukünftige Entwicklungen positiv beeinflussen zu können und boten nachhaltige Lösungen mit unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten und Umsetzungsvarianten.
Der 1. Preis ging an ein Projekt aus Kanada. Jerry Liu und Jesse Basran (Bla Design Group) überzeugten die Jury mit ihrem Konzept „Shifting Nests“. Die jungen Architekten nehmen dabei Bezug auf die zunehmende Wohnungskrise in Vancouver, einer Stadt, die paradoxerweise nicht sehr dicht bebaut ist und viele freie Flächen aufweist. Viele dieser Flächen wurden in den letzten Jahren in Gemeinschaftsgärten umgewandelt, wobei die Flächennutzung nicht optimal sei, so der Ausgangspunkt von Liu und Basran. Diese Flächen könnten besser genutzt werden, in dem man dort kostengünstige Kleinstwohnung aufstellt, sogenannte „Nester“. Dabei handelt es sich um vorgefertigte Gebäude mit einer simplen Rahmenstruktur aus Sperrholz, Metallverkleidung und gewelltem Polycarbonat. Die Jury zeigte sich beeindruckt von der „vernünftigen linearen Grundrissgestaltung, die in Zonen zum Ausruhen, Baden, Kochen, Wohnen/Essen und einem Bereich für Gemüseanbau unterteilt ist.“ Für die beiden Kanadier ist Architektur Problemlösung. „Ein guter Architekt kann mit einem eleganten Konzept viele unterschiedliche Probleme gleichzeitig lösen. Architektur steht mit der Gesellschaft in Verbindung und beeinflusst die Erfahrungen jedes einzelnen Menschen sowohl direkt als auch indirekt – jeden Tag.“
Der zweite Platz des Wettbewerbs, gleichzeitig der BB Student Award ging an ein Duo aus Bulgarien. Bilyana Apostolova und Slavena Todorova von der Universität für Architektur, Bauingenieurwesen und Geodäsie entwickeln mit ihrem Projekt „Mikado“ eine kreisförmige Wohnform in der Tradition von Jurten und Tipis, die auf einem Stützpfosten sitzen. In den Darstellungen wird dieser Entwurf über einer Wasserfläche angesiedelt, er funktioniert aber auch im städtischen Raum oder unwegsamem Gelände. Das Wassersammelsystem auf dem Dach ist mit einem Speicher für Frischwasser kombiniert. Solarzellen sind in eine gekrümmte Glashaut integriert. Die Jury hebt den offenen runden Entwurf und die bemerkenswert reifen Zeichnungen der beiden Studentinnen hervor. „Wir sehen Architektur nicht nur als Planung, sondern als eine Synthese von Wissenschaft und Kunst. Wir glauben, dass Architektur einen großen Einfluss auf die gesellschaftlichen Prozesse und die kulturelle Entwicklung, aber auch auf Emotionen haben kann“, betonen Bilyana und Slavena.
Der dritte Preis des Microhome-Wettbewerbs geht an das „Compact House“ von Raina Kanari, die derzeit in Schweden lebt. Dieses Haus ist einfach aufzubauen und bietet eine Reihe von Möglichkeiten, sich unterschiedlich einzurichten. Die vier Grundelemente – Schlafzimmer, Büro, Toilette und Küche – sind über einen zentralen Multifunktionsraum miteinander verbunden. Das Gebäude ist mit Photovoltaik-Modulen, einem Regenwassersammelsystem und einer Komposttoilette ausgestattet. Die modularen Regale tragen dazu bei, dass sich der Raum trotz seiner Kleinheit relativ offen anfühlt.
Schließlich geht der BB Green Award an das Projekt „Tiny Home – Big Impact“ von Eric Weber. Der Student der Universität von Illinois, Urbana-Champaign sieht in der Gestaltung von kleineren Wohneinheiten eine Möglichkeit, die negativen Auswirkungen des Bauwesens zu minimieren. In seinem winzigen Haus gehen die einzelnen Bereiche ineinander über und sind multifunktional. Jeder Zentimeter wird verwendet und übernimmt eine Aufgabe. Heizung und Kühlung liefert die Sonne, wobei das Häuschen so designt ist, dass je nach Sonnenstand ein anderer Bereich mit Energie versorgt wird. Eine doppelte Glaswand nimmt Pflanzen auf, die im Winter bei der Wärmespeicherung helfen. Außerdem verwendet Weber Hanf-Beton, was ebenfalls der Isolation dient und das Haus im Sommer kühl und im Winter warm hält. Als Baumaterial wird großteils Holz eingesetzt. Das Dach ist so geneigt, dass es Regenwasser in einen Tank leitet, wo es als Brauchwasser entnommen werden kann. „Als Architekten haben wir die Verantwortung, Räume zu gestalten, die das Leben der Bewohner verbessern. Wir müssen auf die Umwelt achten und nachhaltig agieren sowie bereits Gebautes mit Respekt behandeln“, meint Weber.
Durch diesen und ähnliche Wettbewerbe will der Organisator Bee Breeders eine Bibliothek von Gestaltungsideen aufbauen, die sich dem kleinen Maßstab widmen und das Potenzial haben, die Welt positiv zu verändern. Es stellt sich die Frage, ob es ausreicht, einfach auf bestehende oder nahende Situationen zu reagieren, oder ob man nicht vielmehr diese Entwicklungen generell und grundsätzlich in Zweifel ziehen sollte. Aber das ist natürlich nicht die Aufgabe der Architekten, sondern der Politik bzw. politisch aktiver Gruppen. Andererseits – wer hat nochmal gesagt, Architektur sei politisch? (unter anderen Helmut Schmidt)