Wie die Empa-Wissenschaftsredakteurin Anna Ettlin berichtet, haben es Forscher am Empa-Labor für „Advanced Fibers“ in der Schweiz geschafft, ein Epoxidharz zu entwickelt, das sich recyceln und sogar reparieren lässt. Epoxidharze sind sehr widerstandsfähige, vielseitige Kunststoffe. In Kombination mit Glas- oder Kohlenstofffasern werden sie zum Beispiel zur Herstellung von Bauteilen für Flugzeuge, Autos, Züge, Schiffe und Windkraftanlagen verwendet. Derart mit Epoxidharz faserverstärkte Kunststoffe haben hervorragende mechanische und thermische Eigenschaften und sind viel leichter als Metall. Das Problem: Sie sind nicht recycelbar. Doch dies könnte sich nun ändern.
Empa-Forscher um Sabyasachi Gaan haben einen Kunststoff auf Epoxidharzbasis entwickelt, der vollständig recycelbar, reparierbar und außerdem schwer entflammbar ist. Gleichzeitig behält er die günstigen thermomechanischen Eigenschaften von Epoxidharzen bei. Die Ergebnisse haben die Forscher in der Zeitschrift Chemical Engineering Journal veröffentlicht.
Duroplast vs Thermoplast
Das Recyceln von Epoxidharzen ist deshalb kaum möglich, weil diese Kunststoffe zu den Duromeren (oder Duroplaste) gehören. Das bedeutet, dass die Polymerketten engmaschig miteinander vernetzt sind. Diese Art von chemischen Verbindungen können nicht geschmolzen werden, denn wenn der Kunststoff ausgehärtet ist, lässt er sich nicht mehr verformen. Dieses Aushärten mittels Strukturveränderung des Moleküls ist nicht umkehrbar. Im Unterschied dazu lassen sich Thermoplasten, wie etwa PET, sehr wohl schmelzen und in neue Formen bringen, weil ihre Polymerketten zwar eng aneinanderliegen, aber nicht verbunden sind. Allerdings verfügen diese nicht über die hervorragenden mechanischen Eigenschaften von Duromeren.
Ein neuer Kunststoff
Die Errungenschaft der Empa-Forscher, die in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnern gelungen ist, besteht nun darin, dass dieses besondere Epoxidharz zwar eigentlich ein Duromer ist, sich aber wie ein Thermoplast schmelzen lässt. Um dies zu erreichen, wurde ein spezielles funktionales Molekül aus der Klasse der Phosphonsäureester in die Harzmatrix eingefügt. „Wir haben dieses Molekül ursprünglich als Flammschutzmittel synthetisiert“, erläutert Empa-Wissenschaftlerin Wenyu Wu Klingler, die diese Technologie miterfunden hat. „Heute sind faserverstärkte Kunststoffe praktisch nicht recycelbar, außer unter extremen Bedingungen, die die Fasern beschädigen. Haben sie einmal ausgedient, werden sie verbrannt oder in Deponien entsorgt. Mit unserem Kunststoff wäre es erstmals möglich, sie erneut in den Stoffkreislauf zu bringen.“
Die Bindung, die dieses Molekül mit den Polymerketten des Epoxidharzes eingeht, ist reversibel, lässt sich also unter bestimmten Bedingungen wieder lösen. Dies lockert die Vernetzung der Polymerketten, sodass sie sich schmelzen und verformen lassen. Solche Werkstoffe, auch Vitrimere genannt, sind erst seit rund zehn Jahren bekannt und gelten als besonders vielversprechend.
Kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe recyceln
Gruppenleiter Sabyasachi Gaan sieht es als eine Vision für die Zukunft, einen Verbundwerkstoff zu entwickeln, bei dem die Fasern und die Kunststoffmatrix komplett voneinander getrennt sind und wiederverwendet werden können. Vorteilhaft könnte sich diese Entwicklung laut dem Forscher zum Beispiel bei kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen erweisen, wie sie im Bau von Flugzeugen, Zügen, Booten oder Autos verwendet werden. „Die Herstellung von Kohlenstofffasern benötigt sehr viel Energie und setzt enorm viel CO2 frei. Wenn wir sie recyceln könnten, wäre ihr ökologischer Fußabdruck um einiges besser – und der Preis um einiges tiefer“, erklärt Gaan. Zudem könnten auch wertvolle Zusatzstoffe wie Phosphor aus der Polymermatrix zurückgewonnen werden.
Material nach Maß
Diese neue Entwicklung kann zudem vielfältig eingesetzt werden. „Wir haben nicht ein einzelnes Material für einen spezifischen Zweck entwickelt, sondern vielmehr eine Toolbox“, betont Gaan. „Der Flammschutz, die Rezyklierbarkeit und die Reparierbarkeit sind gegeben. Alle weiteren Eigenschaften können wir je nach Verwendungszweck optimieren.“
Um diese und weitere Anwendungen des Materials weiterzuverfolgen, suchen die Forscher nach Industriepartnern. Die Chancen für einen kommerziellen Erfolg stehen gut, sind sie überzeugt, denn neben all den vorteilhaften Eigenschaften ist das modifizierte Kunstharz außerdem günstig und einfach zu produzieren.