Home Architecture Revitalisierung statt Neubau – die Baubranche muss umdenken

Revitalisierung statt Neubau – die Baubranche muss umdenken

von Markus Schraml
CSMM, Olympia Business Center

Architekt Benedikt Boucsein (BHSF Architekten u. Leiter der Professur f. Urban Design an der TU München) stellt in einem aktuellen Artikel auf der Architektur-Plattform Marlowes die Frage, wie Städtebau und Architektur im Angesicht der Klima- bzw. Biosphärenkrise aussehen könnten. Auf jeden Fall müssten Architekt*innen Haltung gegenüber potenziellen Auftraggeber*innen zeigen, auch auf die Gefahr hin, dadurch vielleicht Aufträge zu verlieren. Boucsein führt einige vielversprechende Ansätze der Branche an, wie etwa das Kollektiv „Rotor“ in Brüssel, das sich mit der Wiederverwendung von Bauteilen beschäftigt oder die Projekte von Lacaton & Vassal.

Also wie kann die Baubranche, die zum Beispiel in Deutschland für 30 % der direkten und indirekten Emissionen, fast 40 % des Energieverbrauchs und enorme 60 % des Abfallaufkommens verantwortlich ist, ökologischer werden, ohne sich gleich selbst abzuschaffen. Ein Teil der Antwort liegt in der Konzentration auf Revitalisierung und Sanierung, wie es beispielsweise CSMM in einigen Projekten vormacht. Das Münchner Büro versteht sich nicht nur als Architektur-, sondern auch als Beratungsunternehmen, deshalb ist es dem Team um Gründer Thimo Brehme wichtig, neue Wege aufzuzeigen, zu vermitteln und andere davon zu überzeugen: „In der Baupraxis geben Gebäudeplaner leider noch viel zu oft dem Abriss beziehungsweise Ersatzneubau den Vorzug vor dem ökologisch viel sinnvolleren Bestandserhalt mitsamt Sanierung. Dabei liegen insbesondere hier enorme Potenziale für ressourcenschonende Einsparungen und Klimaschutz“, erklärt Brehme seine Haltung. Was heutzutage in puncto Sanierung möglich ist, hat das Unternehmen zuletzt mit Projekten wie im Arabellapark, dem FRITZ-Bürokomplex oder dem Olympia Business Center in München gezeigt.

Klima schützen mittels Gebäude-Revitalisierung

In Deutschland sollen die CO2-Emissionen von Gebäuden bis zum Jahr 2030 auf 70 Millionen Tonnen gesenkt werden. Gerade Bestandsgebäude bieten in dieser Beziehung großes Potenzial. „Es geht nicht nur darum, Dämmung und Heizung auf den neuesten Stand zu bringen. Ganzheitlich gemacht ist Revitalisierung klimafreundlicher als Neubau“, erläutert Brehme. Seinen Beobachtungen zufolge sieht die Realität aber noch immer völlig anders aus. Denn nach wie vor werden relativ junge Bürogebäude abgerissen und neu gebaut. Laut Brehme müsse die deutsche Bauwirtschaft die Revitalisierungsquote verdreifachen (also von ein auf rund drei Prozent!), um „die Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zu erreichen“. Dieses ist im November 2020 in Deutschland in Kraft getreten.

Auch die Organisation Architects for Future Deutschland e.V., bei der CSMM Mitglied ist, sieht besonders in den Bestandsgebäuden der 1950er- bis 70er-Jahre enorme Möglichkeiten, den Energiebedarf im Gebäudesektor zu reduzieren. Die Architekturexperten wollen die ressourcenschonende Revitalisierung vorantreiben und damit einen Beitrag zur Energiewende leisten. Dabei müssen vor allem Gewerbegebäude in den Fokus rücken, denn sie werden viermal so häufig abgerissen wie Wohngebäude. „Allein schon der Rohbau eines neuen Gebäudes macht etwa 40 % der Baukosten aus, aber hierauf entfallen bis zu 80 % des Energieverbrauchs beim Bau“, weiß Brehme.

FRITZ-Bürokomplex: Revitalisierung, Entwurf und Planung CSMM. © Visualisierung: beyond visual arts

Cradle to Cradle

Ein entscheidender Faktor für die Energieeinsparung im Bausektor ist es, das Baumaterial wiederzuverwenden, anstatt es zu entsorgen. Dazu muss aber bereits bei der Konstruktion daran gedacht werden, dass sich Baustoffe sortenrein trennen lassen. Durch diesen „Cradle to Cradle“-Ansatz sinken Energieeinsatz und Ressourcenverbrauch beträchtlich, sagt Brehme.

Sven Bietau, Thimo Brehme, Malte Tschörtner und Reiner Nowak führen die Geschäfte von CSMM. Foto: Eva Jünger

Aktiver Klimaschutz durch Aufforstung

CSMM versucht Kunden zur Treibhausgaskompensation zu ermuntern. So bietet das Unternehmen etwa Waldpatenschaften und finanzielle Anreize an. „Wir fordern unsere Kunden zum Ausgleichen auf, indem wir ihnen einen Teil der Kompensationskosten schenken. Für den Innenausbau von Büro- und Verwaltungsgebäuden stellt dieser Ansatz bis heute ein Novum in der Branche dar“, betont Brehme und Reiner Nowak, Architekt und geschäftsführender Mitgesellschafter bei CSMM ergänzt: „Als Planer gestalten wir aktiv unsere Umgebung, sodass wir es als unsere Verantwortung sehen, mit ökologisch nachhaltigen und langfristig wirtschaftlichen Gesamtlösungen die Kunden zu unterstützen.“

Konsequenterweise hat CSMM auch den eigenen Treibhausgasausstoß gemessen. Mit einem komplexen Berechnungsverfahren wurden alle vier Standorte (München, Berlin, Frankfurt a. M. und Düsseldorf) unter die Lupe genommen. Die Summe der Emissionen beträgt pro Jahr rund 293 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente. Um sie auszugleichen, helfen die Architekten, intakte Naturräume zu bewahren und unterstützen Aufforstungsprojekte. Dafür kooperiert CSMM seit 2016 mit der Stiftung Wilderness International. Thimo Brehme erklärt: „Nicht alle Emissionen sind vermeidbar, aber sie lassen sich zumindest kompensieren, indem man unter anderem noch intakte Naturräume bewahrt – beispielsweise durch den Schutz lebender Biomasse in den von Wilderness International erworbenen Waldflächen. Zusätzlich engagieren wir uns beim Aufforsten, weil allein das Schützen der vorhandenen Urwälder noch nicht zu einer Abkühlung des Klimas beiträgt. Die Dringlichkeit ist höher, denn je.“

CSMM ist Mitglied des Expertenpools der „Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB“ sowie des Zentralen Immobilienausschusses – ZIA „New Ways of Working“. Zudem ist das Unternehmen im Forschungsbereich aktiv und kooperiert mit der Fakultät Architektur an der Ostbayerischen Technischen Hochschule und dem Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung.


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