Home Innovation Roboter, die fühlen können – durch weiche Keramik

Roboter, die fühlen können – durch weiche Keramik

von Sebastian Zerlach
Empa-Forscher Frank Clemens und sein Team entwickeln weiche und intelligente Sensoren auf der Basis von Keramik-Partikeln. © Empa

Im Empa-Labor für Hochleistungskeramik entwickeln Forscher unter der Leitung von Frank Clemens Sensormaterialien auf Basis von weicher Keramik. Derartige Sensoren können zum Beispiel Temperatur, Dehnung, Druck oder Feuchtigkeit registrieren. Das macht sie für den Einsatz in der Medizin oder der sogenannten Soft Robotics interessant. Doch was bedeutet eigentlich weiche Keramik? Unter Keramik verstehen Materialforscher einen anorganischen nichtmetallischen Werkstoff, der in einem Sinter-Prozess unter hohen Temperaturen aus einer Ansammlung von losen Partikeln hergestellt wird.

Das Team um Frank Clemens arbeitet etwa mit Kalium-Natrium-Niobat, Zinkoxid oder Kohlenstoffpartikeln. Um aus diesen alles andere als weichen Materialien weiche Sensoren herstellen zu können, werden sie in dehnbare Kunststoffe eingebettet. „Wir arbeiten mit sogenannten hochgefüllten Systemen. Dabei nehmen wir eine Matrix aus einem thermoplastischen Kunststoff und füllen sie mit so vielen Keramikpartikeln, wie nur möglich, ohne die Dehnbarkeit der Matrix zu beeinträchtigen“, erklärt Clemens. Wenn diese Matrix dann gedehnt, komprimiert oder erhitzt wird, verändert sich der Abstand zwischen den Keramikpartikeln und damit die elektrische Leitfähigkeit der Sensoren.

Der Forschungsgruppe ist es gelungen, weiche Sensoren herzustellen, die selektiv nur auf Druck oder nur auf Temperatur reagieren. Diese Sensoren integrierten die Forscher in eine prothetische Hand. Diese Prothese kann die Beugung ihrer Finger „spüren“ und merken, wenn sie zum Beispiel eine heiße Oberfläche anfasst. Das wäre sowohl für Roboter-Greifwerkzeuge als auch für Prothesen für Menschen von Vorteil.

Zudem entwickelte das Empa-Team eine weiche „Roboterhaut“. Ähnlich wie menschliche Haut reagiert die mehrschichtige Kunststoffhaut auf Berührungen und Temperaturunterschiede. Um die komplexen Daten auszuwerten, wurde gemeinsam mit Forschern der „University of Cambridge“ ein KI-Modell erstellt und anhand von Daten aus rund 4500 Messungen trainiert.

Doch damit nicht genug. In ihrem neuesten Projekt konnten die Keramiksensoren mit künstlichen Muskeln kombiniert werden. Gemeinsam mit Forschern der ETH Zürich und der Universität Tokio haben sie einen Bio-Hybrid-Roboter entwickelt, der seinen Kontraktionszustand mit Hilfe eines weichen, biokompatiblen, Gewebe integrierten piezoresistiven Sensors erkennt.

Die Empa-Forscher wollen ihre weichen keramischen Sensoren noch feinfühliger und intelligenter machen. Dafür gilt es, neue keramische Materialien und weiche Polymere zu kombinieren und deren Sensoreigenschaften zu optimieren. © Empa

Laut Frank Clemens sei das Ziel, die sichere, harmonische Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. „Heutige Robotersysteme sind groß, klobig und sehr stark. Sie können für den Menschen gefährlich werden. Sollen wir unsere Arbeitsplätze in Zukunft vermehrt mit Robotern teilen, müssen diese schnell und feinfühlig auf Berührungen reagieren. Wenn man versehentlich einen anderen Menschen berührt, zieht man sich automatisch sofort zurück. Wir wollen Robotern denselben Reflex verleihen“, sagt Clemens. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Industriepartner aus dem Bereich der robotischen Greifsysteme gesucht.


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