Home DesignSci-Fi trifft experimentelles Design – Felix Godards Psukhe

Sci-Fi trifft experimentelles Design – Felix Godards Psukhe

von Markus Schraml
Dieses Bild sagt alles - ein Sessel wie ein Auto. © Felix Godard

Designzugänge und Inspirationen können so verschieden wie Kleidungsvorlieben sein. Ein Designer, der sich eine recht ungewöhnliche Inspirationsquelle ausgesucht hat, ist Felix Godard. Der Franzose, der lange Zeit als Autodesigner tätig war, bewegt sich mit dem Projekt „Psukhe“ in die Welt des Möbeldesigns und bezieht sich dabei auf einen selbst verfassten Science-Fiction-Roman. Ein zunächst für dieses futuristische Universum entworfener, fiktiver Sessel, nimmt physische Form an. Der Background des Autodesigns ist diesem Möbel deutlich anzumerken. Es verleiht ihm eine ungemein futuristische Ausstrahlung.

Als Industriedesigner ist Godard für die Gestaltung des Innenraums des ersten Elektroautos von Porsche (2013, das später im Taycan mündete) und die Leitung des Designs der ersten wasserstoffbetriebenen Limousine Europas bei Hopium bekannt. Weitere Eckpunkte seiner Karriere sind seine Beiträge zur Automobilästhetik von Tesla (2016) und sein Design des Gothic-Korsetts, das Grimes bei der MET Gala 2018 trug, die sie mit Elon Musk besuchte. 2021 kehrte Godard nach Europa zurück, gründete seine eigene Agentur und arbeitete zum Beispiel an Red Bulls Hypercar oder an Alstoms neuen Hochgeschwindigkeitszügen.

Das erste Stück aus Godards Möbelprojekt „Psukhe“ wurde während der Mailänder Designwoche 2025 im Rahmen von LABÓ Cultural Experience präsentiert. Dort traf FORMFAKTOR den Designer. Im Interview erläutert er seinen außergewöhnlichen Designzugang und gibt Einblick in die Designprozesse innerhalb der Autoindustrie.


FORMFAKTOR: Sie kommen vom Autodesign und präsentieren hier ein Möbel. Wie kam es zu dieser Richtungsänderung?

Felix Godard: Ich habe über 12 Jahre lang in der Autoindustrie gearbeitet, wo ich mich auch mit dem Design von Concept Cars beschäftigt habe. Dabei lernte ich viel über das Handwerk und die Perfektion in Bezug auf Entwurfszeichnungen, 3D-Modellierungen und den Modellbau. Die meiste Zeit in der Autoindustrie habe ich in den Vereinigten Staaten, in Kalifornien, verbracht. Vor vier Jahren kam ich dann zurück nach Europa, um meine eigene unabhängige Agentur aufzubauen. Das erlaubte mir, mich vom Autodesign zu entfernen und neue Designfelder zu erforschen. Zum Beispiel: Hochgeschwindigkeitszüge, Boote, Robotik und eben Möbel. Die Idee hinter den Möbeln war, das nicht in einer Beratungsfunktion zu machen, sondern als meine eigene Marke.

FORMFAKTOR: Wie haben sich die Erfahrungen aus dem Autodesign auf ihre Möbelentwürfe ausgewirkt?

Felix Godard: Natürlich haben 12 Jahre in dieser Branche seine Spuren hinterlassen. Im Autodesign wird immer wieder versucht, auch futuristische Objekte zu entwerfen, aber mit einem konservativen Designprozess. In diesem Prozess hält der Designer das Heft in der Hand, umgibt sich aber mit einer Reihe von Experten. Genauso bin ich bei der Entwicklung des Möbels vorgegangen. Ich habe also mit herausragenden Spezialisten zusammengearbeitet. Im Autodesign sagt man gewöhnlich – zuerst kommen die Proportionen und dann die Details. Das heißt, der Sessel entwickelte sich sehr stark über das Verfeinern der Proportionen. Fühlt er sich zu breit oder zu hoch an – wie erreicht man die perfekte Balance. Im Autodesign gibt es einen zentralen Begriff, der im Möbeldesign kaum vorkommt: Stance (dt.: Haltung). Also zum Beispiel muss ein sportliches Fahrzeug breit genug sein und gut auf den Reifen sitzen. Das ist Stance. Es ist im Autodesign eine richtige Obsession, sich mit Stance und guten Proportionen zu beschäftigen. Genau diese Einstellung und dieses Konzept haben wir auf den Sessel angewendet. Wie erreichen wir die perfekte Silhouette, wie liegt er möglichst stabil auf dem Boden.

FORMFAKTOR: Wie sieht es mit den verwendeten Materialien aus?

Felix Godard: Für diese Kollektion haben wir eine sehr ruhige Farbpalette entwickelt. Einerseits gibt es dieses dunkle Blau, andererseits einen zurückhaltenden Lavendel-Ton. In Zukunft soll es auch farbenfrohe Varianten geben. Für diese erste Farbpalette wollten wir zudem unterschiedliche Texturen bieten. Für die blaue Variante verwenden wir dicke, gefilzte Wolle, die eine sehr dichte, taktile Qualität bringt, für die helle Version verwenden wir einen feinen, von Sportbekleidung inspirierten Netzbesatz. Das heißt, es sind nicht nur zwei sehr unterschiedliche Farben, auch die Texturen unterscheiden sich erheblich, wenn man sie berührt.

FORMFAKTOR: Das Möbelprojekt Psukhe reicht weit zurück und nimmt Bezug auf eine Science-Fiction-Story, die sie geschrieben haben – mit dem Titel Psukhetele.

Felix Godard: Das war 2008. Ich arbeitete im Autodesign, aber ich war schon immer bestrebt, auch für andere Felder Dinge zu erfinden. Ich nahm also alle meine verrückten, futuristischen Ideen und steckte sie in einen Science-Fiction-Roman, der mehrere Jahrhunderte in der Zukunft angesiedelt ist. Es ist eine utopische Vision, inklusive Vorstellungen von KI, aber auch Philosophie und das Leben in einer EU im Jahr 2400. Übrigens ist der Roman noch unvollendet und befindet sich nach wie vor in Arbeit.

FORMFAKTOR: In welcher Verbindung steht der Roman zum Möbelprojekt?

Felix Godard: Psukhe kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet Seele – deshalb Psukhetele. Die Idee ist – ausgehend von Science-Fiction – zu einer physischen Kollektion zu kommen. Im Roman habe ich mir 1000 Ideen vorgestellt: Architektur, Mobilität, Fahrzeugdesign, Möbel … alles. Ein ganzes Universum. Aus diesem Universum, aus diesen Tausenden von Ideen habe ich eine extrahiert – und das ist das Möbelprojekt. Dieses fiktive Universum, dieses Narrativ ist einerseits eine Erzählung, aber gleichzeitig funktioniert es wie ein Ideenpool, aus dem Dinge herausgezogen werden können, um in der physischen Welt Gestalt anzunehmen. Das ist der Designprozess.

FORMFAKTOR: Wie schätzen Sie den Stand des Autodesigns ein? Wohin entwickelt sich die Branche gerade?

Felix Godard: Ich glaube, dass Autodesign derzeit mehr in Richtung Möbel-Ästhetik geht. Hier bei diesem Projekt ist es ja genau umgekehrt, Autodesign-Ästhetik fließt in ein Möbel ein. Generell denke ich, dass das Autodesign heute in einer kleinen Identitätskrise steckt. Meiner Meinung nach geht es in eine dystopische Richtung, mit Inspirationen aus der Cyber-Welt. In manchen Designs sieht man sehr harte, eckige, aggressive Linien. Als ich für Porsche arbeitete, ging es immer um das Bildhauerische, um das Muskulöse, aber auch Sanfte. Das heißt, es ist nie eine einfache geometrische Form, sondern etwas sehr Feines und Verfeinertes. Das ist eine Kultur, die von den besten kommt (von Porsche zum Beispiel), aber es gibt einige Tendenzen, bei denen diese Kultur verloren zu gehen droht. Mein Vorbild für ein Autodesign war immer der menschliche Körper. Wie er sich bewegt, wie er reagiert.

FORMFAKTOR: Was ist für Sie ein perfektes Auto?

Felix Godard: Oh, eine gute Frage. Porsche-Autos sind beispielsweise sehr sinnlich. Man will sie angreifen. Das ist, glaube ich, sehr wichtig, diese Sinnlichkeit nicht zu verlieren.

FORMFAKTOR: Was sind Ihre nächsten Pläne mit dem Möbelprojekt?

Felix Godard: Die Idee ist, eine sehr kleine Möbelserie herauszubringen, die auf Bestellung produziert wird. Das ist eine Herausforderung. Da der Sessel sehr experimentell ist, wollen wir nicht zu viele davon herstellen. Er bewegt sich zwischen Möbel und Kunst und ist sicher ein Sammlerstück.

Danke für das Gespräch!


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