Um den Verkehrssektor umweltfreundlicher zu gestalten, ist es von entscheidender Bedeutung, dass der öffentliche Verkehr attraktiver gestaltet wird. Aus diesem Grund digitalisieren die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) das Schienennetz. Mit dem Partner Siemens Mobility soll das Ziel erreicht werden, bis zum Jahr 2040 die Leistungsfähigkeit des österreichischen Bahnsystems zu verdoppeln. Ein erster Schritt ist die 57 km lange Strecke zwischen Linz und Vöcklabruck (Oberösterreich). Diese wurde nun mit dem digitalen Zugsicherungssystem ETCS (European Train Control System) ausgestattet, der modernsten Technologie für den Bahnbetrieb. Das System kontrolliert Abstände, die Fahrtrichtung und die Geschwindigkeit der Züge in Echtzeit. So ist es möglich, auf dem Streckenabschnitt mehr Züge, Personen- wie Güterverkehr, zuverlässiger, pünktlicher und sicherer fahren zu lassen.
Als Basis für die Schienennetzmodernisierung wurde ein Rahmenvertrag zwischen der ÖBB-Infrastruktur AG und Siemens Mobility abgeschlossen. Darin ist der Ausbau des hochrangigen Schienennetzes in Österreich mit dem Zugbeeinflussungssystem ETCS Level 2 geregelt. Dazu gehört die Einrichtung sogenannter ETCS-Streckenzentralen, die künftig redundant ausgelegt werden, sowie die Instandhaltung dieser Einrichtungen. Im Zuge des weiteren Verlaufs sind bis 2038 insgesamt 21 ETCS-Streckenzentralen geplant, mit denen das hochrangige Streckennetz Österreichs ausfallsicher abgedeckt werden soll.
Als erste Inbetriebnahme startete Anfang dieses Monats ETCS Level 2 auf den Streckenabschnitten Linz-Wels-Vöcklabruck bzw. Wels-Haiding. Die dafür zuständige ETCS-Streckenzentrale befindet sich in Wien. Die digitale Überwachung erfolgt von Linz aus. „Um die zu erwartenden Verkehrssteigerungen und die Verlagerung von der Straße zu bewältigen, setzen wir umfassend auf digitale Initiativen – ETCS Level 2 ist für die Bahn der Zukunft ein enorm wichtiger Baustein. Der Rahmenvertrag mit Siemens Mobility basiert auf einer europaweiten Ausschreibung und wir freuen uns jetzt darauf, mit dem Bestbieter weitere Strecken mit Level 2 auszustatten“, betont DI Dr. Johann Pluy, Vorstand der ÖBB-Infrastruktur AG.
Mit „elektronischer Sicht“ durch mehrere Streckenblöcke
Bei ETCS Level 2 werden Daten von der ETCS-Streckenzentrale (Radio Block Centre, RBC) per GSM-R-Zugfunk an den Zug übertragen. Datenbalisen im Gleis werden dazu verwendet, um die Position des Zuges zu bestimmen und unveränderliche Streckendaten weiterzuleiten. Das zugehörige Stellwerk überträgt die Gleisfreimeldung und andere Informationen an das RBC. Dieses generiert dann die Fahrgenehmigung und sendet sie an das Fahrzeug. Dadurch erhöht sich der Streckendurchsatz erheblich – kurze Taktungen bei maximaler Geschwindigkeit werden so möglich.
Ohne ETCS müssen die Züge aufgrund der langen Bremswege große Abstände einhalten. Durch genaue Hightech-Ortung der Fahrzeuge und Mobilfunk-Kommunikation können die Züge mit dem ETCS in engeren Abständen fahren und somit können mehr Menschen und Güter transportiert werden. „Der Einsatz von ETCS-Streckenzentralen und unserer innovativen softwarebasierten Sicherheitsplattform DS3 ermöglicht eine erhebliche Erhöhung der Streckenkapazität, wodurch das österreichische Bahnsystem zu den modernsten der Welt gehören wird“, versichert Andre Rodenbeck, CEO Rail Infrastructure bei Siemens Mobility.
Grundstein für cloudbasierte Signaltechnik
DS3 steht für „Distributed Smart Safe System“ und ist die neue Softwareplattform von Siemens Mobility für sicherheitsbezogene Logik. Diese Plattform dient der Migration bestehender Anwendungen (z. B. ETCS oder Stellwerk) auf eine standardmäßige Hochleistungsplattform auf COTS-Basis, die Multicore-Technologie und ein neues Kommunikationskonzept für eine vollständig IP-basierte Systemarchitektur nutzt. Durch DS3 können die ETCS-Zentralen künftig weiter optimiert und auch flexibler gestaltet werden. Die DS3-Plattform wird bereits seit November 2020 in einem Pilotprojekt im Stellwerk am Bahnhof Achau (Niederösterreich) erfolgreich eingesetzt.
Die ÖBB plant, alle österreichischen Hochleistungsstrecken und Hauptverbindungen mit dem ETCS Level 2 auszurüsten. Bis 2026 investiert die ÖBB-Infrastruktur AG dafür 200 Millionen Euro in das Zugsicherungssystem. Insgesamt sind im Rahmenplan unter dem Titel ETCS und Zugbeeinflussung rund 900 Millionen Euro vorgesehen. Als europaweiter Standard wird ETCS zudem auch Fahrten über Landesgrenzen einfacher machen. Durch diese Digitalisierung erreichen die ÖBB vor allem eine deutlich höhere Wirtschaftlichkeit durch geringere Investitions- und Wartungskosten.