Mit der Ausstellung „Vienna Vibes“ brachte die Galerie Zippenfenig neues österreichisches Design nach Mailand. Die Intention des Galeristen Markus Zippenfenig und des Kurators Thomas Waidhofer war es, die unterschiedlichsten Gestaltungszugänge einer jungen Designszene zu zeigen, die mit einem starken Hang zu selbst initiierten Projekten für Bewegung sorgt. Zu sehen waren Einzelstücke und limitierte Editionen, die den Fokus auf den Objektcharakter der Kreationen legten. Besonders war der Ausstellungsort, eine Erotik-Boutique.
Die Galerie Zippenfenig startete im März 2024 mit einer Ausstellung zu Klemens Schillingers Tisch M24. Insgesamt konnten in dieser kurzen Zeit sechs Ausstellungen organisiert werden. Von „Di Tutti I Colori“ (30.5. – 9.6. 2024) mit Werken von Markus Töll über „Gaga Dada“ (13.9. – 28.9. 2024), einer Gemeinschaftsshow mit Exponaten, die von den Strömungen des Dada und Fluxus inspiriert waren bis hin zu „Extravagant“ (7.3. – 29.3. 2025), wo die Außergewöhnlichkeit von Designobjekten thematisiert wurde. Mit dabei war Felix Muhrhofer, ein österreichischer Designer, der in seinem Heimatland kaum bekannt ist, international aber gefeiert wird.
FORMFAKTOR traf Markus Zippenfenig und Thomas Waidhofer in Mailand zum Gespräch, in dem sich zunächst die Frage nach der Galerie-Gründung stellte:
Markus Zippenfenig: Seit Jahrzehnten gab es keine Designgalerie in Wien und ich hätte es als Sammler immer sehr begrüßt, wenn es so etwas schön früher gegeben hätte. Wie eine Anlaufstelle. Daraus entstand der Wunsch etwas Derartiges zu starten. Ganz aus Eigennutz, könnte man sagen. Ein Sammlerfreund, der eine Immobilie gekauft hatte, kam auf mich zu und sagte mir, dass es dort einen Raum gäbe, der perfekt für meine Idee geeignet wäre, eine Galerie zu eröffnen. Ohne viel Ahnung in Bezug auf das Galerie-Geschäft, sagte ich sofort zu. Mit Klemens Schillinger habe ich dann einen Tisch in Kleinserie produziert, den M24. Es gab bereits einen Prototyp, der ins MAK-Archiv aufgenommen worden war. Eigentlich war es aber ein Möbel, das auf die Serienfertigung ausgelegt ist. Wir machten also eine Edition und Klemens nahm mich als Neuling bei jedem Schritt mit – von der Entwicklung bis zur Fertigung. Es war für mich ein Lernprozess. Und jede weitere Ausstellung brachte immer wieder neue Herausforderungen, neues Wissen.

FORMFAKTOR: Wie geht es der österreichischen Designszene?
Thomas Waidhofer: Es gibt generell einen Aufschwung in der Designszene mit sehr viel Nachwuchs-Potenzial. Diese werden immer mehr in die Unabhängigkeit gedrängt. Die Industrie verdient weniger, deshalb gibt es weniger neue Produkte. Das heißt, die jungen Designer müssen ihre Produkte selbst schaffen und machen Objekte daraus. Das sind dann Einzelstücke oder Klein-Editionen und das ist genau das, was für uns spannend ist. Wir wollen kein Möbelladen sein, sondern wirklich besondere Objekte zeigen.
FORMFAKTOR: Was macht ein Objekt besonders, was macht seinen künstlerischen Wert aus, im Unterschied zu Möbeln auf einer Möbelmesse?
Markus Zippenfenig: Der Stuhl auf der Messe ist Designindustrie und Industriedesign.
Thomas Waidhofer: Wir unterscheiden zwischen Produkten und Objekten. Künstlerisch ist ein Objekt dann, wenn es um dieses Objekt selbst geht. Nicht mehr künstlerisch ist es, wenn es um den Herstellungsprozess geht – um Kostenreduzierung und Profitmaximierung. Das macht die Industrie, die versucht mit dem kleinst möglichen Aufwand das Maximum zu erreichen.

FORMFAKTOR: Die Collectible Designszene hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Wie steht ihr dazu und auch zu diesem Begriff?
Thomas Waidhofer: Ja, da gibt es einiges und es tut sich viel, was gut ist, weil es genau das ist, was wir auch machen. Nur mit dem Begriff Collectible Design sind wir nicht zufrieden.
Markus Zippenfenig: Es ist ein schwammiger Begriff, der zu wenig ausdifferenziert ist. Ich denke, es braucht einen besseren Überbegriff, um sich abzugrenzen.
FORMFAKTOR: Was wäre ein besserer Begriff?
Thomas Waidhofer: Sculptural Furniture oder Functional Art oder so.
Markus Zippenfenig: Ich finde Sculptural Furniture gut. Denn darunter kann sich jeder etwas vorstellen. Wer kann sich unter Collectible Design wirklich etwas vorstellen. Es gibt vielleicht Menschen, die sammeln Möbel von Vitra, man kann auch Überraschungseier sammeln. Es ist ein sehr schwammiger Begriff.
Thomas Waidhofer: Es gibt auch historische Möbel, die damals in Tausenden Stückzahlen produziert wurden. Heute gibt es aber nur mehr wenige davon, weil einfach nicht mehr übrig sind. Die zählen auch zu den Collectibles. Aber das widerspricht unserem Verständnis, weil wir nicht auf Serienfertigung setzen.
Galerie Zippenfenig in Mailand
Die Entscheidung mit einer Ausstellung nach Mailand zu gehen und die internationale Bühne zu betreten, kam aus einer gewissen Unzufriedenheit seitens Thomas Waidhofers zustande. Er war mit den bisherigen Präsentationen von österreichischem Design in Mailand gar nicht glücklich. Zu sehr seien diese auf die produzierenden Firmen ausgerichtet gewesen, zu wenig auf den Designnachwuchs. So beschloss er selbst initiativ zu werden und die Designcommunity in dieser Hinsicht zu aktivieren. Zur selben Zeit lernte er Markus Zippenfenig und dessen Galerie kennen. Es war die perfekte Kombination, eine Ausstellung zu jungem Design aus Österreich über eine Galerie zu machen. Gleichzeitig gab es bereits eine Schnittmenge von Designern, die Zippenfenig sowieso einmal ausstellen wollte und den befreundeten Kreativen, die sich Waidhofer angeschlossen hatten. So kuratierte Thomas Waidhofer die Ausstellung und brachte damit auch eine neue Perspektive in das Geschehen der Galerie mit ein. Zum Ansatz des Händlers und Galeristen gesellte sich der Blick des Designers und Künstlers.
FORMFAKTOR: Der Designer als Kurator – wie funktioniert das?
Thomas Waidhofer: Ganz gut, glaube ich. Ich habe immer wieder kleinere Interieur-Aufträge und im Grunde gehe ich an das Kuratieren genauso heran. Das heißt, als würde ich einen Raum einrichten. Mir geht es darum, wie funktionieren die Objekte miteinander. Nicht die Einzelobjekte sollen präsentiert werden, sondern das Gesamte. Es ist eine Designarbeit. Ich gehe nicht wissenschaftlich konzeptuell an die Sache heran, sondern visuell. Ich gestalte auch die Szenografie, die Ausstellungsarchitektur selbst. Der Begriff des Kurators triff auf mich nur bedingt zu – ich bin Ausstellungsmacher. Ich mache gerne Ausstellungen, zeige die Arbeit von Freunden, zeige Objekte, die ich spannend finde.
FORMFAKTOR: Was war die Herausforderung hier im Keller einer Erotik-Boutique auszustellen?
Thomas Waidhofer: Es war sehr herausfordernd, weil der Raum mit Verkaufsregalen, die sehr bunt sind, voll war.
Markus Zippenfenig: Aber gerade das war das Spannende. Es ist doch total langweilig in einem weißen Raum auszustellen. Die Galerie in Wien ist auch kein White Cube, sondern ein Industriegebäude. Viel interessanter ist es, gerade im Design, in unterschiedlichen Räumen auszustellen, wo die Objekte auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Raum in Dialog oder Streit treten. Und wo man als Besucher den Raum entdecken kann. Es ist wie ein Gesamtkonzept.
Thomas Waidhofer: Das kann auch ein Konzept sein, das wir in den kommenden Jahren in Mailand weiterverfolgen werden. Also mit Einzelhandelskaufleuten zusammenzuarbeiten und in Shops und Boutiquen ausstellen. Sie können ihr Geschäft weiter offen halten und wir bezahlen auch Miete dafür. Das finde ich sinnvoller, als irgendwelchen Agenturen oder Immobilienhaien, die Palazzi vermieten, die sonst das ganze Jahr über leer stehen, das Geld zu geben.
Markus Zippenfenig: Junge Designerinnen müssen, wenn sie in Mailand präsent sein wollen, sich an irgendeine Plattform wenden, wo sie relativ viel zahlen müssen, kaum Unterstützung bekommen und kaum Reichweite. Designer werden dabei ausgenutzt. So gesehen finde ich es sinnvoller, sich aus der Szene heraus selbst zu organisieren.

FORMFAKTOR: Was sind die nächsten Pläne?
Markus Zippenfenig: Als Nächstes stellen wir in München aus, weil wir diese internationale Schiene weiterverfolgen wollen. Es hat sich gezeigt, dass wenn man international auftritt, auch Zuhause in Wien spannender wird. Das ist ein Phänomen. Zu Beginn reagierten ja viele etwas abwartend. Ist verständlich. Für die Presse wird die Galerie erst jetzt interessanter. Zudem finde ich es auch international wichtig, dass der Standort Wien wieder gestärkt wird. Dabei ist es ganz entscheidend, dass wir in Wien selbst physisch stattfinden, dass es eine regelmäßige Ausstellungstätigkeit gibt.
Thomas Waidhofer: Es war mein Plan, mit dem ich an Markus herangetreten bin, dass wir die Galerie zunächst bekannt machen und als eine große Plattform für so viele Designschaffende wie möglich etablieren. Aus diesem Pool von Ausstellungen und Personen, die daran teilnehmen, wird sich mit der Zeit herauskristallisieren, wer ein fixer Teil der Galerie wird, wenn wir häufiger ausstellen, mit wem wir Editionen produzieren.
FORMFAKTOR: Europaweit und in den USA gibt es eine ganze Reihe von Designgalerien, die seit Jahren erfolgreich sind. Der deutschsprachige Raum ist eine Ausnahme.
Thomas Waidhofer: Das liegt an der Geschichte. In Österreich gab es die Wiener Werkstätte und die Sezession, in Deutschland das Bauhaus. Jetzt geht es darum, das zu überwinden, aber es ist halt schwer, wenn die Fußstapfen so groß sind. Hingegen gibt es in Belgien, in Kopenhagen, in London, in Frankreich große Galerien, die schon seit Jahren aktiv sind und auch wirtschaftlich gut funktionieren. Bei uns gibt es in dieser Beziehung ein großes Loch, das wir jetzt versuchen, langsam zu füllen.
Markus Zippenfenig: In Wien muss auch eine Sammlerszene aufgebaut werden. Es gibt kaum ein Bewusstsein dafür, dass es spannend sein kann, funktionale Objektkunst zu sammeln. Zum Beispiel hatten wir im Rahmen der Ausstellung „Extravagant“ Felix Muhrhofer gezeigt. Den versteht in Wien niemand, er wird aber auf der ganzen Welt von Sammlern sehr geschätzt.
Thomas Waidhofer: Wir positionieren uns international als „New Austrian Design“, weil viele, wenn von Design aus Österreich die Rede ist, an Josef Hoffmann oder die Sezession denken. Das heißt, einerseits distanzieren wir uns, andererseits beziehen wir uns darauf, weil das, was die damals gemacht haben, natürlich grandios war. Der Begriff Design ist mehr oder weniger sogar in Wien entstanden, wo sich Künstler und Architekten zusammengetan haben und Designer wurden. Darauf müssen wir eingehen.
Danke für das Gespräch!
Die nächste Ausstellung findet vom 10. bis 18. Mai 2025 in München bei Nils Holger Moormann statt. Mit „Gaga Dada 2“ wird das Thema der interaktiven Experimente mit Material und Form fortgeführt.