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Auf der Suche nach Schönheit – Davide Groppi

von Markus Schraml

Seine Kreationen sind philosophisch-poetische Meisterwerke, die Geschichten voller Überraschungen, Leichtigkeit und Ironie erzählen. Dennoch meint Davide Groppi, dass er nach wie vor auf der Suche nach einer besseren, schöneren Leuchte sei. Der Weg dorthin, der in den späten 80er Jahren in einem kleinen Raum in Piacenza begann, ist mit funkensprühenden Einfällen gepflastert. Einmal kombiniert Groppi Licht mit Musik, dann wieder erfinden er und sein Team eine ästhetische Alternative für die notwendige Stromverteilung im Raum (Endless). Mit „Moon“ findet der Mond Eingang ins Interieur und mit „Nulla“ zaubert Groppi Licht wie aus dem Nichts hervor.

Im Jahr 1994 lernte Davide Groppi Maddalena De Padova kennen, ein entscheidender Punkt in seiner Karriere, denn De Padova erwarb kurzerhand 40 Prototypen der Leuchte „Baloo“ und stellte sie beim Salone del Mobile aus. Damit begann der Erfolg und Groppi kooperierte in der Folge mit Firmen wie Boffi, Mutina, Paola Lenti, Agatha Ruiz De La Prada oder Christofle. Ein Großteil seiner Arbeit ist projektbezogen. Groppi hat besonders viele Hotels und Restaurants mit Licht ausgestattet. Dabei vertrauten einige der bekanntesten Köche auf seine Lichtlösungen: wie Massimo Bottura, Massimiliano Alajmo, Moreno Cedroni oder Giancarlo Perbellini. Mit steigender Bekanntheit kamen schließlich auch internationale Designauszeichnungen. Darunter die höchste Ehrung, der ADI Compasso d‘Oro (für Nulla und Sampei). Seit Juni 2019 finden sich „Sampei“-Leuchten als Teil des Projekts „Quirinale Contemporaneo“ auch im „Studio alla Vetrata“, einem Saal in der Residenz des Präsidenten der Republik.

Davide Groppi spricht von seiner Arbeit nicht als Design, sondern als Erfindungen. Tatsächlich ist sein Schaffen von kontinuierlichen Innovationen geprägt – sowohl in technologischer als auch ästhetischer Hinsicht. Im formfaktor-Exklusivinterview erzählt er von der Linie als Teil seiner Seele, dem Alphabet des Lichts und Caravaggio.

 

formfaktor: Vor einem Jahr feierten Sie das 30-jährige Firmenjubiläum. In diesem Zusammenhang aber auch schon früher sprachen Sie davon, dass Sie immer auf der Suche nach der Essenz des Lichts wären. Was bedeutet die Essenz des Lichts im Raum für Sie?

Davide Groppi: Ich glaube, dass die Grundlagen für jegliche Poesie Ästhetik und Bedeutung sind. Die Ästhetik interessiert mich, weil sie die Möglichkeit eröffnet, Erfahrungen durch die Sinne und durch Emotionen zu machen. Meine Ästhetik besteht immer aus der Absenz und der Essenz. Es ist eine Arbeit, die ganz auf die Suche nach Wahrheit und dadurch auch nach Schönheit fokussiert ist. Bedeutungen interessieren mich, weil sie den Produkten eine Geschichte mitgeben.

formfaktor: Welche Art von Geschichten möchten Sie erzählen?

Davide Groppi: Ich sage oft, dass ich Leuchten nicht designe, sondern erzähle. Leuchten sind die idealen Buchstaben eines Alphabets des Lichts, die zu Wörtern und dann zu Geschichten werden.

formfaktor: Nehmen wir ein Beispiel wie den „ChainDelier“, der den German Design Award 2020 erhalten hat. Es geht dabei sowohl um das Spiel mit dem Wort „Chandelier“ (Kronleuchter) als auch um eine neue Interpretation von etwas sehr Altem. Was war Ihr Ausgangspunkt für diese Kreation?

Davide Groppi: Ich suchte nach einem Produkt, das einen Ort mit einer einfachen, erfindungsreichen Geste füllen kann. Die Inspiration dafür nahm ich von einer bestimmten Art von Halsketten, die von Frauen auf elegante und verführerische Art getragen werden. Ich meine Halsketten, die mehrfach um den Hals gelegt werden. Es ist der Versuch, Vergänglichkeit zu simulieren und gleichzeitig eine neue Möglichkeit zu eröffnen, Licht frei zu positionieren. Außerdem ist es ein Experiment, elektrischen Strom auf neue Art durch eine goldene Kette zu leiten.

formfaktor: Ein wichtiges Projekt in Ihrer Karriere ist „Nulla“ (2010): Die Idee, dass Licht aus dem Nichts kommt.

Davide Groppi: „Nulla“ hat vor zehn Jahren die Verwendung von punktgroßen LEDs auf dem Markt vorweggenommen. Sie war die Erste. Es ist einfach ein winziges Loch in der Decke. Ich mag dieses Projekt sehr, weil es die Negation der sogenannten Designwelt ist und auch, weil es einen bestimmten technologischen Moment und eine bestimmte humanistische Herangehensweise repräsentiert: die Ankunft von LEDs, Sekundäroptiken, Caravaggio-Licht …

 

formfaktor: Ein eher ungewöhnliches Produkt ist „Rail“. Warum gaben Sie den Schienen die Form eines Herzens?

Davide Groppi: „Rail“ ist ein Projekt zwischen Funktionalismus und Ironie. Es ist nicht wirklich eine Leuchte, sondern eher eine Repräsentation und Feier des Lichts. Eines Tages war ich in einer Tankstelle entlang der Autobahn und dort wurde ein elektrischer Zug verkauft. Sofort dachte ich daran, dass die Geleise eine andere Art von Stromübertragung sein könnten. So entstand dieses gebrauchsfertige Produkt, das ein wenig quer gedacht ist. Die Herzform habe ich deshalb gewählt, weil sie die am wenigsten banale von allen Formen ist, die mit Schienen gemacht werden können. Und es repräsentiert die aktuelle Welt der sozialen Netzwerke, in der wir uns befinden. Ich mag diese Art von Projekten, aber Vorsicht, nicht alles kann eine Leuchte werden. Es braucht immer Anmut, Erfindungsreichtum und Ironie.

 

formfaktor: Sie setzen viele Projekte um. Wie sieht ihre Herangehensweise an spezifische Projekte aus? Was ist die Herausforderung, wenn man Lichtlösungen für ein ganzes Haus, Hotel, Restaurant oder einen Ausstellungsraum liefern muss?

Davide Groppi: Ich habe eine fotografische Vorstellung von Licht. Bei Projekten mit Ambiente-Licht stelle ich mir immer vor, ein Foto zu machen oder sogar einen Film zu drehen. Ich erinnere mich stets daran, dass Fotografie „Schreiben mit Licht“ ist. Genauso wie im Kino. Es geht darum, den richtigen Rahmen, die Tiefe und den Rhythmus zu finden. Außerdem verwende ich Licht gerne als einen Dialog zwischen Akzentlicht und indirektem Licht.

formfaktor: Wie sehen Sie grundsätzlich die Rolle von Licht in der Architektur?

Davide Groppi: Darüber brauchen wir gar nicht zu sprechen. Architektur ist zuallererst Licht.

Video credit: Federico Nero

 

formfaktor: Ein fixer Bestandteil ihrer visuellen Welt ist die Linie. Warum?

Davide Groppi: Sie ist ein Teil meiner Seele. Der Grund dafür liegt weit in der Vergangenheit, als mein Vater mir Tintenfedern gab, die mich überraschten, weil sie so klar und stark waren und meine Aufmerksamkeit auf ein Blatt Papier lenken konnten. Weiß und Schwarz.

formfaktor: Die meisten Ihrer Kreationen wären ohne die Einführung von LED nicht möglich gewesen. Wie wichtig sind LEDs für Ihre Arbeit?

Davide Groppi: Ich hatte Mühe, diese elektronische Revolution zu akzeptieren. Aber irgendwann wurde mir klar, dass Leuchtdioden es mir ermöglichen, noch romantischer zu sein. Und ab diesem Punkt begann für mich eine neue Art, mit Licht zu schreiben. Nur durch Leuchtdioden konnte ich die Grundzustände des Lichts auf euklidische Weise wirklich darstellen: Punkt, Linie, Ebene. Und damit auch Akzentlicht, indirektes Licht und diffuses Licht.

formfaktor: Wie beeinflusst die Digitalisierung Ihr Lichtdesign?

Davide Groppi: Sie interessiert mich, aber sie fasziniert mich nicht. Ich bevorzuge einen humanistischen Zugang zu Licht. Außerdem möchte ich nicht machen, was alle machen. Ich mag die Vielfalt.

formfaktor: Welche Rolle spielt Forschung in Ihrer Arbeit?

Davide Groppi: Forschung ist fundamental. Aber für mich beschränkt sich Forschung nicht nur darauf, ein neues innovatives Material zu entdecken, sondern es kann viel mehr sein. Etwa die Entdeckung eines mir bisher unbekannten Künstlers oder eines Schriftstellers, von dem ich noch nichts gelesen habe. Dabei erinnere ich mich immer an den Entstehungsprozess von „Nulla“: Es ist ein Mix aus Technologie und … Caravaggio.

 

formfaktor: Wie wird sich Lichtdesign weiterentwickeln? Wohin wollen Sie gehen?

Davide Groppi: Ich wünsche mir eine Welt, in der Menschen menschlicher werden oder besser, wieder menschlich werden. Meine Arbeit betreffend, denke ich an „Werkzeuge“, die die Welt erhellen, indem sie sie spontaner und gleichzeitig bedeutungs- und liebevoller machen.

formfaktor: Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Davide Groppi: Ich habe immer nach der schönsten Leuchte der Welt gesucht und, natürlich, wurde dieses Verlangen bisher noch nicht gestillt.

 


 

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