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Autonomes Fahren: „100 % Sicherheit gibt es nicht“

von Uwe Prenner
Autonom fahren

Beim Thema autonomes Fahren geht es nicht nur um die technologische Machbarkeit, sondern auch um die gesellschaftliche Akzeptanz. Dazu hat Audi eine repräsentative Online-Studie durchgeführt, in der unterschiedliche Nutzertypologien festgelegt werden. Außerdem wurde untersucht, wie Emotionen, Wertvorstellungen, Lebensstile und rationale Argumente die Einstellung zum autonomen Fahren beeinflussen und prägen. Dr. Luciano Floridi ist Professor für Philosophie und Informationsethik und Leiter des Labors für digitale Ethik an der Universität Oxford. Als Mitglied des wissenschaftlichen Netzwerks der Initiative „&Audi“ sieht er die Studie als eine willkommene Ergänzung zu bereits existierenden Erkenntnissen über autonomes Fahren. „Sie ist ein notwendiger Schritt für jegliche politische und gesetzgeberische Entscheidung und für jede Forschungs- und Entwicklungsstrategie sowie Unternehmensstrategie, die proaktiv und fundiert zur Gestaltung einer besseren Welt beitragen will“, betont Floridi

Bedenken und Neugier

Die Studie zeigt, dass länderübergreifend großes Interesse (82 %) und hohe Neugier (62 %) herrschen. Auch würde die Hälfte der Befragten autonomes Fahren gerne ausprobieren. Andererseits haben 70 % Bedenken vor dem Kontrollverlust sowie technisch nicht vermeidbaren Restrisiken (66 %). 41 % der Befragten stehen der Technologie generell skeptisch gegenüber. Gleichzeitig ist das tatsächliche Wissen über das Thema gering, denn nur 8 % geben an, autonomes Fahren erklären zu können. Am ehesten gibt es Bereitschaft, die Kontrolle abzugeben, beim Einparken sowie beim Fahren im Stau. Je jünger die Befragten und je höher Bildungsgrad und Einkommen sind, desto positiver ist die Einstellung zum autonomen Fahren. Unterschiede gibt es zwischen den untersuchten Ländern: Chinesen (Human Readiness Index, HRI +5,1) sind euphorisch und auch Südkoreaner (HRI +1,2) sehen die Technologie überdurchschnittlich positiv. In Europa sind Spanier und Italiener Vorreiter (beide HRI +0,7). Deutsche und Franzosen sind zurückhaltend (beide HRI -0,7), ähnlich wie US-Amerikaner, Japaner und Briten (alle HRI -0,9). Der HRI verdichtet Wissen, Interesse, Emotionen und Nutzungsbereitschaft von selbstfahrenden Autos zu einem numerischen Indikator zwischen 10 und +10. „Die Studie liefert uns differenzierte Erkenntnisse dazu, wo die Menschen in Bezug auf das autonome Fahren stehen und wie wir in der Gesellschaft eine angemessene Erwartungshaltung zu der neuen Technologie etablieren können“, sagt Thomas Müller, Leiter automatisiertes Fahren bei Audi. Die Studienautoren haben unterschiedliche Nutzertypen herausgearbeitet: Demnach stehen die jungen, gut verdienenden, gut ausgebildeten „statusorientierten Trendsetter“ und „technikaffinen Passagiere“ dem autonomen Fahren am positivsten gegenüber. Bei den meist etwas älteren „misstrauischen Selbstfahrern“ mit niedrigerem Einkommens- und Bildungsniveau dominiert hingegen die Skepsis. Der „sicherheitsorientierte Zögerer“ würde autonomes Fahren erst nutzen, wenn andere bereits Erfahrungen mit der Technologie gemacht haben. Die größte Nutzergruppe bilden die „aufgeschlossenen Co-Piloten“, die dem autonomen Fahren grundsätzlich offen gegenüberstehen, solange sie jederzeit eingreifen können.

 

100% Sicherheit gibt es nicht

Interessante Statements zum Thema autonomes Fahren lieferten Luc Julia, Experte für die Schnittstelle Mensch-Maschine, Miterfinder von Siri sowie Autor des Buches „Künstliche Intelligenz gibt es nicht“ und Groupe PSA CEO Carlos Taveres in dessen Video-Serie #aCoffeeWithCarlosTavares, wo er mit Experten von außerhalb der Autoindustrie über die Megatrends der Gegenwart spricht. Luc Julia bezweifelt, dass es autonome Fahrzeuge der Stufe 5 jemals geben wird. Denn die Aufmerksamkeitsfähigkeit eines menschlichen Fahrers könne von einer Maschine niemals erreicht werden. „So wird sich beispielsweise ein autonomes Fahrzeug, das sich um 18.00 Uhr am Pariser Place de l’Etoile befindet, nicht von der Stelle bewegen, weil es sich an die Regeln hält. Menschen wissen hingegen, wie man sich vorsichtig und den Umständen angepasst fortbewegen kann.“ Es sei eine Verhandlungssache, in der der Augenkontakt zu anderen Fahrern eine entscheidende Rolle spiele. Für Carlos Tavares stellt der Anspruch nach 100%iger Sicherheit ein Problem dar, denn diese könne nie erreicht werden. Deshalb gehe es darum, die Menschen zu bilden, im Hinblick darauf, was von dieser neuen Technologie tatsächlich zu erwarten sei. Nämlich eine Verbesserung der Sicherheit, aber eben nicht bis zu 100 %. Diese Erwartungshaltung müsse durch Informationsvermittlung abgebaut werden. Tavares: „Wir glauben, dass autonome Fahrzeuge der Stufen 4 und 5 Realität werden, als Shuttles und Taxiroboter in geschlossenen Bereichen. Diese hochtechnologischen Mobilitätslösungen werden jedoch so teuer sein, dass sie für den Einzelnen unerreichbar sind: Ihre Nutzungskosten werden zwangsläufig mit der Gemeinschaft geteilt.”

 

Autonom, wo es sinnvoll ist

In abgeschlossenen Bereichen oder in Teilen ist autonomes Fahren realistisch und sogar bereits im Einsatz, wie beim Einparken. So soll das neue Toyota LQ Conceptfahrzeug automatisiertes Fahren der SAE-Stufe 4 ermöglichen. Im Rahmen dieses Konzepts arbeitete Toyota mit Panasonic an einer Weiterentwicklung des Parkassistenten zusammen. In diesem Parksystem sucht sich das Auto selbstständig einen Parkplatz, nachdem die Insassen am genauen Zielort abgesetzt wurden. Damit werden sowohl die nervige Parkplatzsuche vermieden, als auch weite Fußwege, was für Personen mit eingeschränkter Mobilität ideal ist. Sind alle Fahrzeuge in dieses Parksystem eingebunden, lässt sich auch Parkraum einsparen, denn das System benötigt fürs Einparken nur einen Abstand von 20 cm. Möglich gemacht wird das Ganze durch eine Kombination aus Radar, Sonar und Kameras, mit denen die aktuelle Position des Fahrzeugs genau bestimmt werden kann, sowie 2D-Straßenkarten, Kameras auf dem Parkplatz und eine Kontrollzentrale. Das Toyota LQ Concept wird bei der anstehenden Tokyo Motor Show präsentiert werden. Auch die Zukunftsvision von Lexus in Bezug auf Elektrifizierung und autonomes Fahren wird dort gezeigt. Es gibt die Expertenmeinung, dass autonomes Fahren in höheren Stufen nur dann funktionieren kann, wenn alle Verkehrsteilnehmer gleichzeitig daran teilnehmen. Nehmen autonome und von Menschen individuell gesteuerte Fahrzeuge daran teil, wird es schwierig. Dennoch führt in der Realität daran kein Weg vorbei, deshalb müssen hoch praktikable Übergangssysteme entwickelt werden, die dieses Aufeinandertreffen harmonisieren.

 

Mobilität der Zukunft in Berlin und Offenbach

Schon eine Woche früher beginnt in Berlin die NGIN Mobility Conference (16. u. 17. Okt.), wo es um die Zukunft der Mobilität gehen wird. Dabei sollen Themen wie Secure Mobility, New Space und die Gestaltung von Smart Cities, sowie der Wandel hin zu einer neuen Form individueller Mobilität, vor dem Hintergrund von Luftverschmutzung, Staus und Platzmangel in Großstädten diskutiert werden. Zu letzterem Bereich wird Slavko Bevanda, CPO & CTO SHARE NOW sprechen. Über Mobilität in Kleinstädten und ländlichen Kreisen wird Björn Siebert, Leiter Politik & Regulierung door2door berichten. Andy Weinzierl, Gründer & CEO SUSHI Bikes, und Valerie von der Tann, General Managerin ViaVan, befassen sich wiederum mit alternativen Mobilitätsangeboten im Hinblick auf Mikromobilität und der letzten Meile. An der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main findet am 7. und 8. November die internationale Designkonferenz re/set mobility design. shaping future mobility statt. Dort wird der Frage nachgegangen, welche Rolle Design in und für zukünftige Mobilität spielen kann. Experten aus den Bereichen Design, Infrastruktur und Architektur sprechen und diskutieren über Mobilitätssysteme, Mobility Hubs und Mobility as a service. Die Keynote steuert Carlo Ratti vom MIT Senseable Lab bei. Dass Designdisziplinen auch für die zukünftige Mobilität die richtigen Lösungswerkzeuge bereithalten, scheint auf der Hand zu liegen. Dieses Thema ist so hochkomplex, dass es interdisziplinäre, holistische Ansätze braucht, um sinnvolle Ergebnisse erzielen zu können.

Studienergebnisse der Initiative „&Audi“ im Videoformat erklärt.

 

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