Home Design Das Lokale in einer globalisierten Welt

Das Lokale in einer globalisierten Welt

von Markus Schraml
VDW 2020, Brutal Lokal in Meidling

Urban Food & Design: The New Local ist ein Wettbewerb, den die Vienna Design Week gemeinsam mit der Wirtschaftsagentur Wien ausgeschrieben hat und bei dem Projekte vor den Vorhang gebeten werden, die das „Potenzial von Lokalem“ in einem weltweiten Markt aufgreifen. Nun wurden die Sieger bekannt gegeben.

Zwei der Siegerprojekte beschäftigen sich mit dem Thema der großen Distanz zwischen Konsument*innen und Produzent*innen. Der Ursprung der Lebensmittel und die Produktionsprozesse bleiben den Endkäufer*innen meist verborgen. Für den Menschen von heute wurden hoch komplexe Systeme aufgebaut, die Herkunft und Herstellung sowie auf der anderen Seite den Endverbraucher immer weiter auseinandergerückt haben. Mit ihrem Projekt Brutal Lokal in Meidling schafft die Initiative off plate eine „kulinarische Plattform“, die versucht, diese Beziehung wieder zu vertiefen. Der Ort dafür ist eine Gemeinschaftsküche, in der an drei Nachmittagen Köch*innen aus der Region Speisen zubereiten, die aus nachhaltigen, saisonalen und gesunden Lebensmitteln bestehen. Zusätzlich sollen Vorträge und Performances den Austausch zwischen Gästen, Lieferant*innen und Köch*innen intensivieren. Den Weg der Paradeiser vom Saatgut bis zum Endverbraucher veranschaulichen Jacob Glasner und Philipp Lammer mit ihrem Projekt Open Food Design – Von der Tomate bis zum Teller. Mittels Open-Design-Strategien wollen sie die Anonymität der Produktionsprozesse aushebeln und die Rollenverteilung von Produzierenden und Verbraucher*innen hinterfragen. Das Essen steht dabei (ganz traditionell) für ein gemeinsames Erlebnis. Außerdem entsteht für die Ausstellung ein Set von Suppentellern. Das Projekt wird von „Bauernparadeiser“, „RIESS Emaille“ und „Arche Noah“ unterstützt.

Anastasia Eggers und Philipp Kolmann heben kurzerhand die Barriere zwischen Küche und Bad auf und beleuchten mit Kitchenbath: Embodies Bacteria Encounters Bakterienkulturen näher, die sowohl bei der Käseproduktion als auch bei kosmetischen Erzeugnissen eine Rolle spielen. Das Spannungsfeld liegt in dem Widerspruch von einerseits den wichtigen bakteriellen Kulturen und andererseits den stetig strikter werdenden Hygienerichtlinien in der Lebensmittelindustrie. Durch diese Entwicklung werden immer zentralisiertere Systeme gefördert und lokale Aktivitäten in der Herstellung unterbunden. Das Projekt entsteht in Kooperation mit dem Werkraum Bregenzerwald und der Küferei Peter Lässer.

Um nachhaltige Lebensmittelproduktion im urbanen Raum und Kreislaufwirtschaft geht es der Initiative TeleAgriCulture. Dieses offene Community-Projekt bietet unter dem Titel Circular Food Production: A Home Aquaponics Kit unter anderem sogenannte Sensing Kits mit begleitenden Apps für zu Hause an und zeigt während der Vienna Design Week (25.9. – 4.10. 2020) konkret den aquaponischen Baukasten. Der Begriff Aquaponik verbindet Techniken aus der Aquakultur und Hydrokultur.

#Gardenfit – Reimaging Gardening as a Sport ist ein Projekt von Magdalena Moisiejuk und Alicja Lesia. Die beiden sehen die Arbeit im Garten nicht als Arbeit, sondern als sportliche Herausforderung. Es geht dabei offensichtlich um den Aufbau eines positiven Zugangs zur nachhaltigen Lebensmittelproduktion, Begrünung des öffentlichen Raums sowie der Freude an der Bewegung im Freien. #Gardenfit will dafür Stimmung machen und eine Alternative zum sogenannten modernen städtischen Lebensstil vorschlagen. Der dazu passende Claim lautet: „Let’s change our cities, waistlines and food systems!“

Alle Siegerprojekte von Urban Food & Design: The New Local rufen mit unterschiedlichen Ansätzen nach Veränderung – vor allem Veränderung der Produktionsprozesse und Logistiksysteme in der Lebensmittelherstellung. Es geht auch um eine Art Selbstermächtigung der Konsument*innen, die sich von der Industrie nicht mehr alles vor die Nase setzen lassen und kritiklos lächelnd kaufen. Die Wunderwelt der industriellen Produktofferte hat ihren Glanz verloren – und die Verbraucher*innen wandern ab in Nischen und Spalten, wo sie vertrauenswürdige Authentizität zu finden glauben. Oder sie werden sogar selbst als Produzent*innen aktiv. So zumindest die optimistische Zukunftshoffnung.


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