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Design Festivals go virtual

von Markus Schraml
Helsinki Design Week 2020

Das Jahr 2020 ist für Messeveranstalter ein Albtraum. Seit dem Frühjahr wurden nahezu alle Events abgesagt oder verschoben und dann abgesagt. Auch im Designbereich sind Zusammenkünfte von Unternehmensvertreter*innen, Kund*innen, Händler*innen, Journalist*innen und Gestalter*innen in vollen Messehallen ein No Go. Anders sieht es mit Design Weeks und Festivals aus. Der Grund dafür liegt in der Struktur derartiger Veranstaltungen. Sie sind auf unterschiedlichste Orte in Städten verteilt und ziehen jeweils nur verhältnismäßig wenige Personen an. Dennoch gab es auch hier massive Einschnitte in den bisherigen Ablauf solcher Events. Neben Verkleinerungen im reellen Raum geht die klare Stoßrichtung in die virtuelle Welt. Ausstellungen und Diskussionsrunden werden digital über Internet abgehalten. Zwei Beispiele dafür sind die Helsinki Design Week und das London Design Festival.

In der finnischen Hauptstadt wurden etwa Auftragsarbeiten von Designer*innen in die Virtual Design Street verlegt und waren als virtuell begehbare Animationen im Web abrufbar. Auch die neuen Open Screens zeigten 3D-Animationen, und zwar im Freien auf den digitalen Werbetafeln der Stadt. Der diesjährige Design Market fand „nur“ in einzelnen Geschäften im Stadtzentrum sowie online statt. Zum sechsten Mal wurde der Data Driven Design Day während der Helsinki Design Week (HDW) veranstaltet – diesmal als digitale Konferenz. Andere Fixpunkte wurden hingegen abgesagt bzw. auf 2021 verschoben. Darunter die PechaKucha Night x Aalto University, Design Diplomacy und die Open Studios. Im Zentrum der HDW 2020 stand dann doch ein realer Ort, nämlich das Olympiastadion, das in den 1930er-Jahren erbaut wurde. 2006 unter Denkmalschutz gestellt, renovierte Helsinki die Anlage zwischen 2016 und 2020 umfassend. Die Größe und luftige Architektur dieses Orts bot das ideale Ambiente, um die Hauptausstellung sicher durchführen zu können.

Neben den organisatorischen Bedingungen der HDW, die von der Pandemie bestimmt wurden, zielten thematische Schwerpunkte auf die eigentlichen, sehr viel schwerwiegenderen Probleme ab – wie den Klimawandel. Bereits seit Ende August läuft im Studio des Museum of Finnish Architecture die Ausstellung des VAPAA Collective The Aesthetic of Disruption. Gleichzeitig veranstalteten die Architektinnen Iines Karkulahti, Charlotte Nyholm und Meri Wiikinkoski eine Reihe von Diskussionsrunden, um Veränderungen in der architektonischen Praxis zu thematisieren. 40 % aller Treibhausgase werden durch die gebaute Welt verursacht. Diese Tatsache führt vor Augen, wie groß der Innovationsbedarf im Bauwesen ist und genauso auch die zentrale Rolle, die den Architekt*innen in Bezug auf den Klimawandel zukommt. Demselben Thema war eine groß angelegte Konferenz gewidmet. Unter dem Titel „Climate College“ wurde an einem vollgepackten Tag über die Klimaveränderungen und die Maßnahmen dagegen aus finnischer Sicht diskutiert. Zahlreiche Vorträge zeigten Beispiele, wie Helsinki mit dieser Problematik umgeht. So will die Stadt bis 2035 C02-neutral sein. Luftqualität, Transportwesen und Energieproduktion müssen dafür umgestellt werden. Ein wichtiger Punkt der Konferenz war dem Zusammenhang von Klimawandel und Geschäftsmöglichkeiten bzw. Geschäftskooperationen gewidmet. Eine weitere Ausstellung läuft in der Galerie des Design Museum Helsinki noch bis zum 10. Januar 2021. In „Soil Matters“ werden neun Projekte präsentiert, die sich zwischen Design, Kunst und Forschung bewegen und mit Materialien beschäftigen, die für Designprozesse Verwendung finden. Welchen Einfluss hat dies auf unsere Böden, unsere Erde? Diese Ausstellung markiert das Ende einer Serie, die während der letzten drei Jahre organisiert wurde und die das Verhältnis von Mensch und Erde (Boden) näher beleuchtet. Die Kooperation zwischen HDW und der Aalto Universität unter dem Titel „Designs for a Cooler Planet“- startete im letzten Jahr. Nun wurden Ergebnisse in Form von virtuellen Events (Ausnahme der Infrastructure Walk) präsentiert. Die Vorträge und Gesprächsrunden thematisierten Fragen nach „The Future of Food“, nachhaltigen Verpackungen, der Insekten-Industrie oder Bio-Tech (NewSilk).

London Design Festival wird digital

Das London Design Festival (LDF) ist eine der weltweit größten Designveranstaltungen und präsentiert sowohl die lebendige Gestaltungsszene in London als auch internationales Design. In der Vergangenheit bestand es aus unterschiedlichsten Programmpunkten, darunter Events mit Messe-Charakter wie 100% Design, designjunction (Kings’s Cross) oder die London Design Fair in Shoreditch. All diese Veranstaltungen wurden abgesagt. Geblieben sind die Installationen und Interventionen im öffentlichen Raum, die vom LDF selbst sowie Partnern in Auftrag gegeben wurden, vier Design Districts und zwei Design Routes. Auch die London Design Medals wurden verliehen, allerdings ohne Zeremonie. Die Preisträger*innen sind Paola Antonelli (MoMA), Dame Ellen MacArthur (Design Innovation Medal), Yinka Ilori (Emerging Design Medal) und Ken Garland (Lifetime Achievement Medal). Die Veranstaltung Focus/20 im Design Centre, Chelsea Harbour wurde großteils in den virtuellen Raum verlegt. Besuche vor Ort fanden nur in sehr begrenztem Rahmen für Branchenprofis statt. Adorno kreierte die Virtual Design Destination und hat sich dafür wirklich einiges einfallen lassen. Präsentiert wurden mehr als einhundert unabhängige Designer*innen aus 14 Ländern. Kurator*innen der jeweiligen Länder waren aufgerufen, Ausstellungen zusammenzustellen, die sich mit den Erfahrungen, Gedanken und Erlebnissen des Lockdowns beschäftigen. Unter dem Titel „The New Reality“ gelang es den Organisatoren, virtuelle Räume zu schaffen, durch die es leicht zu navigieren war und die mit Produktbeschreibungen und Interviews der Designer*innen klar-strukturierte Informationen boten. Zusätzlich gab es geführte Video-Touren in Form von Gesprächen mit den Kurator*innen. Der Vorteil dieser digitalen Events ist natürlich, dass die virtuellen Ausstellungsräume auch nach Ende des Festivals weiter besucht werden können.

Mit dem Global Design Forum bietet das LDF alljährlich einen wichtigen Treffpunkt für die innovativsten und bekanntesten Stimmen im Design. 2020 fand es „nur“ online statt. Im Zentrum stand „The Circular Design Project“ von The Ellen MacArthur Foundation, LDF und Hauptsponsor SAP. Das selbst ausgegebene Ziel ist es, die Design Community durch tiefer gehende Informationen zu unterstützen, kreislaufwirtschaftliches Denken als einen fixen Rahmen in alle Designprozesse zu integrieren und dadurch die Welt positiv zu beeinflussen. Die Organisatoren haben angekündigt, das Festivalthema im Lauf des kommenden Jahres weiterzuspinnen bis zum London Design Festival 2021 und weiter zum COP26 in Glasgow nächsten November. Sprecher im Rahmen des mehrtägigen „Circular Design Project“ waren unter anderem Neri Oxman, Paola Antonelli, Amanda Levete, Tim Brown und Anya Hindwarch sowie Vertreter von Snøhetta, IKEA, Google und H&M. Die Online-Vorträge und Talks sind auf dem YouTube-Channel des LDF abrufbar.

Helsinki Design Week und London Design Festival zeigten, dass unter den erschwerten Bedingungen der Pandemie neue Wege der Präsentation und Kommunikation beschritten werden müssen. Online-Talks und virtuelle Touren sind mit Sicherheit umweltfreundlicher. So gesehen passt die Art der Präsentation zum Inhalt vieler Veranstaltungen: Klimawandel, nachhaltige Produktionsprozesse und welche Rolle Designer*innen dabei spielen können. Muss nur noch die Qualität von Ton und Bild verbessert werden, um dieses Flair des bemüht Handgemachten zu verlieren. Wichtige Themen und Diskussionen verdienen ein ernstzunehmendes audio-visuelles Ambiente.

Talk des Circular Design Projects über Materialien mit Sarah Douglas, Editor-in-Chief, Wallpaper*, Kjetil Trædal Thorsen, Founding Partner, Snohetta, Neri Oxman, Prof., MIT Media Lab, Ivy Ross, Vice President – Hardware Design, Google und Paola Antonelli, Senior Curator – Design & Architecture, MOMA – Supported by SAP

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