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Die Avantgarde im Zeitschriftenformat

von Markus Schraml
Links: Bauhaus. Zeitschrift für Gestaltung, Jg. 2, Nr. 1, 1928, 15 Ausgaben (1926–1931), rechts: Minotaure, Nr. 3–4, 1933, Zeitschrift herausgegeben von Albert Skira in Paris, 12 Ausgaben (1933–1939).

Als Guillaume Apollinaire den Begriff der Avantgarde in den 1910er-Jahren für sich und sein Künstler-Umfeld in Paris dezidiert in Anspruch nahm, hatte sich dieses Wort schon an die 100 Jahre von seinem militärischen Ursprung (die Vorhut einer Armee) gelöst, aber dennoch seinen Charakter beibehalten. Die Avantgardisten dringen in unbekanntes Terrain vor und richten sich dabei gegen bestehende Konventionen. Es ist die Negation der existierenden Verhältnisse, die die Avantgarde am besten beschreibt. Im Diskurs um diese Kunstrichtung schrieben Intellektuelle (etwa Hans Magnus Enzensberger) immer wieder vom Scheitern der Avantgarde. Dabei ist es gar nicht die Aufgabe der Avantgarde erfolgreich zu sein, denn das würde ja bedeuten, dass die Konvention in ihre Richtung nachzieht und die Avantgarde obsolet würde oder weiterziehen müsste.

In ihrer Blütezeit, im frühen 20. Jahrhundert, waren Zeitschriften zu einem wichtigen Medium in der Kunst geworden. Viele der verschiedenen Strömungen der Avantgarde publizierten ihre neuen Ideen auch in Form von Zeitschriften. Künstlerische Experimentierfelder wie Futurismus, Dadaismus oder Surrealismus besaßen den unwiderstehlichen Drang in die Öffentlichkeit. Derzeit ist im Zentrum Paul Klee die Fokus-Ausstellung „Zeitschriften der Avantgarde“ zu sehen. Anhand von 15 Titeln werden inhaltliche und gestalterische Aspekte der Zeit zwischen 1910 und 1933 thematisiert. Heute gehören Zeitschriften wie MERZ, Cabaret Voltaire, Kentiku Sekai oder Habitat zu wichtigen Dokumenten der Moderne.

Bruch mit der Tradition

Muss eine Zeitschrift, die über Avantgarde berichtet nicht zwingend selbst avantgardistisch gestaltet sein? Die Antwort lautet Ja, aber – denn das Format der Zeitschrift wurde – wie der Rahmen eines Gemäldes – kaum überschritten. Innerhalb dieser Grenzen jedoch taten die Protagonisten alles dafür, den Bruch mit Konventionen und Traditionen darzustellen. Sei es durch die Typografie oder eine dynamische Bild-Text-Komposition. In dieser Beziehung sind die Zeitschriften der Avantgarde wichtige Vorläufer für modernes Grafik- und Publikationsdesign.

Viele dieser Zeitschriften erschienen mehrsprachig, was die Lebensrealität der beteiligten Künstler wiedergab, denn in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen lebten viele im Exil oder waren Migranten. Zudem vernetzten sich Avantgardisten international. Die Zeitschriften der Avantgarde waren Nischenprodukte, die fast ausschließlich von anderen Künstlern oder Sammlern gelesen wurden. Viele wichtige Titel waren mit den zentralen Figuren der modernen Kunst verbunden, wie beispielsweise dem Galeristen Herwarth Walden, dem Künstler Tommaso Filippo Marinetti oder Le Corbusier. Die Werbeflächen der Publikationen wurden oftmals von anderen Avantgarde-Zeitschriften belegt, auch wenn diese programmatisch ganz anderes ausgerichtet waren. Denn sie hatten zumindest zwei Dinge gemein – die Ablehnung des kulturellen Establishments und die Lust am Experimentieren.

Die Ausstellung „Fokus: Zeitschriften der Avantgarde“ kann noch bis zum 16. Februar 2025 im Zentrum Paul Klee in Bern (Schweiz) besucht werden.


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