Der österreichische Designer Thomas Feichtner liefert mit Asensio den Beweis, das Vollholzmöbel, die Natürlichkeit ausstrahlen, auch gut designt sein können. Mit seiner Arbeit für Grüne Erde holt er den Massivholzstuhl aus der Öko-Ecke heraus. Anstatt „nur“ gesund und natürlich, aber ästhetisch belanglos, steht dieser Stuhl für ein gestalterisch hochwertiges Produkt, das einen wichtigen Beitrag in der Weiterentwicklung von nachhaltigen Erzeugnissen aus Holz leistet. Durch hervorragend gestaltete Details verströmt das Möbel organische Nahtlosigkeit. Dass für diesen perfekten Look eine CNC-Maschine zum Einsatz kommt, verleiht dem Endergebnis zusätzlichen Reiz. Im formfaktor-Interview spricht Feichtner über die Zusammenarbeit mit Grüne Erde, seine Faszination für die 5-Achs-Fräsmaschine und – in seiner Funktion als Vorstandsmitglied von designaustria – über die derzeitige Situation der österreichischen Designbranche.
formfaktor: Wie kam die Zusammenarbeit mit Grüne Erde zustande?
Thomas Feichtner: Grüne Erde hat mich gefragt, ob ich mich mit der Marke identifizieren kann und ob ich gerne einen Stuhl für Grüne Erde entwerfen würde. Ich fand die Thematik sehr spannend, auch weil sie – das war die Vorgabe – ein Möbel haben wollten, das mit einer 5-Achs-Fräse CNC gefräst ist. Das war die Ausgangssituation. Ich finde das deshalb interessant, weil die Produktion mit einer 5-Achs-Fräse eine Art der Herstellung ist, die auf der ganzen Welt gleich viel kostet und deswegen sehr viel wieder zurückbringt. Wenn man heute in einen Baumarkt geht und sich dort die Gartenmöbel anschaut, sieht man, dass sie händisch geschweißt sind. Diese Möbel sind deshalb so billig, weil die Lohnkosten in China so niedrig sind. Die Arbeit mit einer 5-Achs-Fräse, einem Roboter kostet aber hier gleichviel wie in Asien und stärkt damit die Vorort-Produktion. Es ist also nicht Handwerk im klassischen Sinne, aber es bringt eine hohe Qualität in der Holzproduktion. Es kommt noch echtes Handwerk hinzu, um das Finish zu machen.
formfaktor: Was waren die ersten Ideen und Gedanken?
Thomas Feichtner: Mir war von Anfang an klar, dass ich ein Möbel entwerfen möchte, das sozusagen von den Feinheiten, den kleinen Adjustierungen und Raffinessen lebt. Ich wollte jetzt nicht ein Möbel von Grund auf neu erfinden, was ich ja auch gerne mache, zusammen mit anderen Herstellern. Ich wollte etwas Gefühlvolles, Reines machen. Deshalb habe ich das schon während der ersten Präsentation bei Grüne Erde mit der Typografie verglichen. Man erfindet nicht den Stuhl neu, nicht das Sitzen neu, sondern man arbeitet an den Details. Wichtig war mir auch, neue Holzverbindungen auszuprobieren. Durch die Produktion mit der 5-Achs-Fräse müssen Flächen nicht parallel zueinander laufen. Es muss nicht alles einen rechten Winkel haben, sondern man kann Flächen verziehen, verzerren, verdrehen. Deshalb haben wir den Stuhl komplett in 3D konstruiert, um ein harmonisches Maß für den Übergang der Flächen zu finden. Die Idee war, dass die Sitzfläche nicht auf den Beinen ruht, sondern in der Mitte sozusagen hängt, und die Stuhlbeine greifen sie von der Seite. Ich wollte auch – weil es doch ein massiver Stuhl ist – mit den verschiedenen Verhältnissen spielen: dünne Beine, massive Sitzfläche. Gleichzeitig war es für mich wichtig, hier nicht mein Designer-Ego auszuleben, sondern ein Produkt zu machen, das gut zum Portfolio von Grüne Erde passt. Der Stuhl sollte sich gut in das Bestehende einbetten und doch auch etwas Neues sein, indem der Öko-Touch nicht zu deutlich wird. Nur das Thema Nachhaltigkeit anzusprechen, wäre mir zu wenig gewesen. Der Stuhl sollte schon auch cool sein.
formfaktor: Es ging also darum, einen Weg zwischen der Natürlichkeit des Holzes und einem ansprechenden Design zu finden.
Thomas Feichtner: Genau. Spannend war diese Aufgabe auch deswegen, weil es gar nicht so viele Stühle gibt, die in Massivholz gebaut sind. Es gibt nur eine Handvoll zeitgenössischer Stühle, die in Vollholz gearbeitet sind. Das findet man ja sonst eher im alpinen Raum, beim traditionellen Herzerlstuhl oder Melkschemel.
formfaktor: Wie sehen Sie das Unternehmen Grüne Erde?
Thomas Feichtner: Ich bin völlig von dieser Marke beeindruckt. Ich kenne Grüne Erde natürlich schon viele Jahre. Es hatte für mich immer so einen Naturwolle-Touch. Das Nachhaltigkeitsthema stand immer ganz vorne. Buche, Eiche gewachst, geölt – nie lackiert. Aber im Lauf der letzten 10 Jahre ungefähr, hat sich die Marke enorm entwickelt. Hin zu einer Lebenseinstellung, einer Haltung im Hinblick auf die Natur und wie wir mit den Dingen umgehen. Hier wird nichts Schnelllebiges gemacht, es ist nicht der letzte Schrei aus Mailand, sondern es sind Möbel, die einen durchs Leben begleiten. Dafür braucht es Dinge, die souverän gedacht sind, die ruhiger sind, die aber auch eine Geschichte dahinter haben. Woher kommt das Produkt, wo und wie wurde es gemacht. Das ist, glaube ich, ganz wichtig. Es ist ein Mindset, das über das Produkt hinausgeht. Natürlich ist Grüne Erde auch etwas Exklusives, das sich nicht jeder leisten kann. Aber ich denke, alle, die vom Überfluss gelangweilt sind, können hier sehr wertvolle Stücke finden. Würde ich ein Schriftsteller sein und hätte einen kleinen Rückzugsort am Attersee, um einen Roman zu schreiben, dann bräuchte ich einen Freiraum, um zu denken. Ich glaube, dafür findet man bei Grüne Erde eine ganze Reihe von Produkten.
formfaktor: Ist Holz in einer natürlich wirkenden Anmutung etwas typisch Österreichisches? Und was unterscheidet heimische Produkte, von Holzmöbeln aus anderen Ländern?
Thomas Feichtner: Wenn man ins Detail geht und genau hinschaut, dann merkt man, hier wurde nicht geschwindelt. Es gibt keine Unterseite, die das Geheimnis offenbart. Und auch bei diesem Stuhl und dieser Marke gibt es nichts Geschwindeltes. Es ist so, wie es ist. Viele andere Stühle haben an der Unterseite noch Schrauben oder Kunststoffteile, die das Ganze zusammenhalten. Aber dieser Stuhl (hebt Asensio in die Höhe) ist Holz auf Holz, ein Stempel drauf – That‘s it. Ehrlicher geht es nicht.
formfaktor: Was ist grundsätzlich die größte Herausforderung bei der Gestaltung eines Stuhls?
Thomas Feichter: Es ist völlig unterschiedlich. Zum Beispiel habe ich einen Stuhl für TON gemacht. Da kam die Idee während der Besichtigung des Unternehmens. Sie hatten eine Produktion, wo nur Bugholz verarbeitet und eine, wo Holz nur verleimt wurde. Es gab im Programm keinen einzigen Stuhl, bei dem beide Produktionsarten verbunden waren. Die Inspiration kam also daraus. Bei anderen Möbeln verfolgte ich experimentellere Ansätze. Ich habe zum Beispiel eine Bank aus Draht gemacht. Hier ging es darum, 2-dimensionale Drähte in eine 3-dimensionale Form zu bringen. Es ging um das Thema 3D-Produktion, 3D-Entwicklung.
Wie geht Thomas Feichtner mit der derzeitigen Situation um? Was können wir daraus lernen? Was kann sich in Zukunft verändern? Und welche Rolle spielen dabei Designer*innen?
Thomas Feichtner: Ich glaube, es hat sich schon viel verändert. Dieses ganze Chichi ist überflüssig geworden und verschwunden. Wir als Designer fragen uns durch diese COVID-19-Geschichte, wo ist die Relevanz der Dinge. Und manche Dinge haben einfach keine Relevanz. Das macht den Beruf des Designers / der Designerin deutlich ernster und konzentrierter, bringt die Dinge mehr auf den Punkt. Ich glaube, dass es unsere Gesellschaft etwas entschleunigt hat und sich eine neue Art im Umgang mit den Dingen entwickelt. Ich bin ja auch im Vorstand von designaustria und sehe mich deshalb auch ein bisschen als Vertreter der Designer und Designerinnen in Österreich. Ich muss sagen, es hat auch viele hart getroffen. Durch die Coronakrise halten viele Unternehmen ihre Investitionen zurück, viele geplante Innovationen wurden verschoben. Das ist das größte Problem für Designer und Designerinnen in Österreich, dass Projekte nicht weitergeführt, sondern verschoben wurden. Durch die Krise haben viele Unternehmen ganz andere Probleme und Design steht dabei nicht an erster Stelle. Ich sehe das dicke Ende für die Designbranche erst noch kommen – im Herbst und im Winter. Da müssen wir alle durch. Wenn ich mich in der Branche umhöre, dann war es am Anfang der Krise noch nicht so schlimm, weil viel abzuarbeiten war, aber jetzt kommen entweder keine neuen Aufträge, oder sie wurden verschoben. Ich appelliere an die Unternehmen, die Corona-Pause auch dafür zu verwenden, um Produktneuheiten, Produktinnovationen zu entwickeln und sich auch fitter zu machen, was Design betrifft. Da spreche ich jetzt nicht nur Produktdesign an, sondern auch Kommunikationsdesign, Web- und Grafikdesign.