Home Design Faszination Glas – Ashes & Sand auf Schloss Hollenegg

Faszination Glas – Ashes & Sand auf Schloss Hollenegg

von Markus Schraml
Ashes & Sand, Widauer

Quarzsand, Siliziumdioxid, Soda, Pottasche, Feldspat – dies sind nur einige der notwendigen bzw. möglichen Zutaten von Glas. Die Fähigkeit des Menschen, Glas herzustellen, reicht über 5000 Jahre zurück (manche meinen sogar 9000). Das Material begeisterte von Beginn an besonders in seiner transparenten Form. Der Gebrauchswert trifft in der Glaserzeugung auf dekorative, kunstvoll gestaltete Objekte. Um Letztere geht es in der Ausstellung „Ashes & Sand“ auf Schloss Hollenegg, die im Rahmen des Designmonat Graz 2023 noch bis zum 28. Mai besucht werden kann. Zu sehen sind historische Gläser aus den Beständen des Schlosses sowie Glasprojekte zeitgenössischer Kreativer, die teilweise während der Residenzen, die von Alice Stori Liechtenstein seit 2015 veranstaltet werden, entstanden sind.

Über 20 Designschaffende sind mit ihren Arbeiten in den historischen Räumlichkeiten auf Schloss Hollenegg vertreten. Mit dabei ist die Schweizer Künstlerin Nives Widauer, die in Wien lebt. Sie hat für Lobmeyr sieben Pokale / Kelche mit feinen Gravuren entworfen und dabei das klassische Wappenmotiv durch Ornamente des menschlichen Körpers ersetzt. „Dieses Projekt ist Teil des 200-jährigen Jubiläums von Lobmeyr. Speziell sind die Gravuren, die Körperteile zeigen. Man sieht die Schilddrüse, die Lunge, das Herz. Allerdings hat sie verschiedene Teile des Körpers zusammengefasst und auf sehr schöne Art gezeichnet, sodass man auf den ersten Blick eigentlich nicht erkennt, was hier zu sehen ist. Es handelt sich um eine völlig neue Art von Gravur“, erläutert Alice Stori Liechtenstein während eines Rundgangs durch die Ausstellung.

Alice Stori Liechtenstein mit einem der vielen bemerkenswerten Glasobjekte auf Schloss Hollenegg. Foto © Lipp Zahnschirm

Diorama der DMZ

Der südkoreanische Designer Seungjoon Song arbeitet mit Glas und NATO-Draht. Er verschweißte Stacheldraht zu einem Rahmen, in den das Glas geblasen wurde, wodurch äußerst eigentümliche Formen entstanden sind. Der in Eindhoven lebende Designer nimmt damit Bezug auf die entmilitarisierte Zone (DMZ) zwischen Nord- und Südkorea, die 1953 errichtet wurde. Sie hat eine Länge von 248 Kilometern und ist vier Kilometer breit: „Dadurch, dass dort seit Jahrzehnten keine Menschen sind, hat sich eine wilde Natur entwickelt. Die Tiere haben sich an dieses Land, das voller Landminen ist, angepasst. Zum Beispiel hat sich ein sehr schlankes kleines Wildschwein entwickelt, das so leicht ist, dass es die Minen nicht auslöst“, erzählt Liechtenstein. Die wechselseitige Beziehung zwischen Stacheldraht und Glas repräsentiert das koreanische DMZ-Ökosystem, das aus einem tiefgehenden Konflikt heraus entstanden ist und das darauf angewiesen ist, dass dieser Trennungszustand erhalten bleibt.

Die südweststeirische Glasgeschichte reicht 3000 Jahre zurück. In den Waldglashütten der Koralpe stellte man Kunst- und Gebrauchsgläser her. Den Höhepunkt erreichte die Glaskunst Mitte des 19. Jahrhunderts, in der Biedermeier-Zeit. Verursacht durch die Weltwirtschaftskrise in den 1920er-Jahren mussten viele Glashütten schließlich ihren Betrieb einstellen. Das Projekt des Designerduos Christian+Jade taucht tief in die Geschichte dieser Region ein. Christian Hammer Juhl (Dänemark) und Jade Chan (Singapur) beschäftigten sich zunächst mit Sand. Durch den Bau des Koralmtunnels entsteht auf dem Grundstück von Schloss Hollenegg ein richtiger Berg aus Sand: „Christian+Jade haben unseren Sand intensiv erforscht und dann gab es die Überlegung, ob wir aus diesem Sand nicht auch Glas machen können. Die beiden ließen sich für ihr Projekt von Biedermeierstücken inspirieren, die im Archeo Norico auf der Burg Deutschlandsberg ausgestellt sind. Diese Bowlgarnituren waren Tabletts mit sechs Gläsern und einem Krug, um Punsch zu servieren – ein typisches Biedermeier-Hochzeitsgeschenk. Es wurde prominent in den Wohnräumen präsentiert und wenn Gäste kamen auch benutzt“, erklärt Liechtenstein. Christian+Jade haben statt des Kruges eine Schale entworfen, in die zum Beispiel Champagner gegossen werden kann, der dann tatsächlich direkt in die Gläser fließt, versichert die Ausstellungsmacherin.

Christian+Jade tauchten im Zuge ihrer Residenz tief in die lokale Geschichte ein. Ergebnis ist ein Stück Waldglas in typischer Farbe. © Lipp Zahnschirm

Scherbenhaufen

Die Designerin Johanna Pichlbauer verfolgt in ihrer bekannt humoristisch gegenläufigen Weise einen ganz anderen Ansatz. Ihre Protagonistin ist die Scherbe. Pichlbauer hat einen Glasberg aus großteils grünen Glasscherben aus der Stölzle Oberglas Glasfabrik in Köflach in der Grotte von Schloss Hollenegg platziert. Glasbruch wurde bereits in der Antike weiterverwendet. Großflächiges Glasrecycling begann in Mitteleuropa in den 1960er- und vor allem 70er-Jahren. Damit gehört Glas zu den frühesten Materialien, die wiederverwendet und wiederaufbereitet wurden. Die Installation von Pichlbauer widmet sich dem Zwischenzustand. Sie spielt damit auf die Wertschätzung an, die wir sowohl intakten als auch zerbrochenen Objekten gewähren sollten.

Johanna Pichlbauer bespielt die Grotte des Schlosses mit einer Installation aus Glasscherben. Sound inklusive. © Lipp Zahnschirm

Passend zu Pichlbauers Projekt gibt es im Schloss Hollenegg einen Kasten voller kaputter Gläser, die als Ersatzteile für die vielen gläsernen Schmuckstücke des Hauses dienen. Einige davon sind Teil der Ausstellung. Auf die Frage, welche speziellen Glasobjekte im Schloss denn so zu finden sind, antwortet Alice Liechtenstein: „Wir haben einen venezianischen Luster, einen venezianischen Spiegel, böhmische Luster aus dem 18. Jahrhundert oder Lobmeyr-Gläser aus dem 19. Jahrhundert. Das heißt, da gibt es viele wertvolle Dinge, aber was ich spannend finde, sind diese kleinen Glasobjekte, von denen man nicht mehr weiß, woher sie kommen oder wozu sie überhaupt benutzt wurden.“

Die Ausstellung „Ashes & Sand“ ist Teil eines längerfristigen Plans, in dem es um die Nachhaltigkeit von Materialien geht. Es ist ein Aufklärungsprojekt, das vor zwei Jahren Keramik thematisierte, heuer dem Glas gewidmet ist und nächstes Jahr Holz und schließlich Textilien aufgreifen wird. „Mir ist aufgefallen, dass viele Menschen, vor allem Kinder, sehr wenig über Materialien wissen. Die Idee war zu zeigen, wie die Dinge gemacht werden und wo sie entstehen, aber auf eine spannende Art“, erklärt Liechtenstein.

Ashes & Sand“ wurde von Alice Stori Liechtenstein und Rainald Franz kuratiert.


Mehr zum Thema


Weitere TOP-Artikel

-
00:00
00:00
Update Required Flash plugin
-
00:00
00:00