Die Finalisten des Internationalen Hochhauspreises 2020 (IHP) stehen fest. In die Schlussrunde haben es ausschließlich sehr bekannte Namen der zeitgenössischen Architektur geschafft: BIG, Heatherwick Studio, OMA, Skidmore, Owings & Merrill sowie Zaha Hadid Architects ziehen in die Finalrunde ein. Der IHP wurde 2003 von der Stadt Frankfurt, dem Deutschen Architekturmuseum (DAM) und der DekaBank ins Leben gerufen. Alle zwei Jahre werden damit die weltbesten Hochhäuser ausgezeichnet.
2020 sind drei Projekte aus Europa und zwei aus Asien unter den Finalisten. Die Jury unter dem Vorsitz von Architektin Anett-Maud Joppien achtete vor allem auch auf ökologische und soziale Qualitäten sowie auf die Widerstandsfähigkeit der Gebäude. So schaffte es mit dem „Omniturm“ von BIG (Bjarke Ingels Group) das erste Hochhaus mit gemischter Nutzung (Wohnen, Büro) in die Endrunde. Im Mittelteil des Turms, der die Wohnetagen beherbergt, schieben sich die Geschosse in einer Spiralbewegung nach außen, was dem Turm eine dynamische Leichtigkeit verleiht. Die Jury urteilte, dass dieses Gebäude eine Wende in der von monotonen Bürotürmen geprägten Frankfurter Innenstadt markiere. Für Jurorin Ina Hartwig macht der Turm seinem Namen alle Ehre. Er vereine Gastronomie, Büros, Wohnungen und Geschäfte unter einem Dach und sei damit auf der Höhe der Zeit.
Die Doppeltürme „Norra Tornen“ (nördliche Türme) von OMA (Office for Metropolitan Architecture, Rotterdam) bilden sozusagen das Eingangstor zum neuen Stockholmer Stadtentwicklungsgebiet Hagastaden. Einerseits greift die Ästhetik die vorhandene bauliche Struktur der schwedischen Hauptstadt auf, andererseits wurde hier eine zeitgemäße Form des Wohnens in Hochhäusern entwickelt – mit geschützten Balkonen und würfeligen Modulen. Interessant ist die Bauweise: Durch vorgefertigte Fassadenelemente konnte die Baustelle auch im strengen Stockholmer Winter fortgeführt werden. Diese Methode spart außerdem Zeit und Geld: Ein Stockwerk konnte in einer Woche fertiggestellt werden. Überhaupt ist eine derart strukturierte Fassade nur so wirtschaftlich umsetzbar.
Singapur ist dafür bekannt, eine der grünsten Großstädte der Welt zu sein. Dem dortigen Stadtentwicklungskonzept „City in a Garden“ folgt auch „EDEN“ von Heatherwick Studio (London). Der Turm verbindet luxuriöses urbanes Wohnen mit Naturnähe. Die nur 20 Wohnungen erstrecken sich mit einer Wohnfläche von 282 m² jeweils über eine ganze Etage. Die Raumhöhe beträgt drei Meter. Die Anordnung der Baumasse ermöglicht ausgiebiges Querlüften, weshalb auf Klimaanlagen verzichtet werden kann. Die Balkone sind üppig bepflanzt. Mehr als zwanzig tropische Pflanzenarten wurde aufwendig recherchiert und vermitteln das Gefühl des Wohnens in einem Dschungel.
Mit seinen 200 Metern ist der „Leeza SOHO“ Turm in Peking der höchste in der Finalrunde des IHP. Von Zaha Hadid Architects entworfen, bietet er Büroflächen für kleine und mittlere Unternehmen und steht im Zentrum des neuen Fengtai-Geschäftsviertels unweit des kürzlich eröffneten Beijing Daxing International Airport. Die zweigeteilte Struktur des Gebäudes hat einen bestimmten Grund, denn im vierten Untergeschoss verläuft eine U-Bahn-Strecke. Deshalb teilten die Architekt*innen das Volumen des Hochhauses in zwei Hälften. Jede dieser Hälften hat einen eigenen strukturellen Kern mit außenliegenden Stützen und stählernem Zugring, der der typisch kurvigen Außenstruktur des Trums folgt. Das 194,15 Meter hohe Atrium des „Leeza SOHO“ ist das höchste der Welt und dient als öffentlicher Raum. Um 45 Grad verdreht sind die beiden Bereiche über Brücken miteinander verbunden. Durch diese Teilung kommt viel Tageslicht bis tief ins Gebäude hinein, während die Drehung für Schatten sorgt. Dieser riesige Raum fungiert auch als thermischer Schornstein, der das Raumklima zusätzlich reguliert.
Zurück nach London, der Stadt, in der drei der fünf Finalisten ihren Hauptsitz haben. „The Stratford“ liegt im gleichnamigen Stadtviertel, das zu den derzeit am schnellsten wachsenden der britischen Hauptstadt gehört. Der Bauherr hat für diesen 143 Meter hohen Turm eine Mischnutzung aus Hotel, Gastronomie und Wohnen vorgesehen. Das quadratische Gebäude von Skidmore Owings & Merrill ist an seiner Spitze diagonal geteilt und springt zurück. Dadurch entsteht eine dreieckige, gemeinschaftlich genutzte Terrasse. Auch durch die tiefen Einschnitte am Übergang vom Sockelbau zum Turm sowie etwa auf halber Höhe ergeben sich Terrassen. Die Mieter*innen haben die Wahl zwischen 60 verschiedenen Wohnungstypen, vom Einzimmerapartment mit 40 m² über zweigeschossige Maisonette-Wohnungen bis zum Vier-Zimmer-Penthouse mit 120 m². Die Fassade beeindruckt durch eine besondere Form, die an Plisseefalten erinnert und die das Gebäude je nach Perspektive unterschiedlich changieren lässt.
Die fünf Finalisten des IHP wurden von der Jury aus den 31 nominierten Hochhäusern (aus 14 Ländern) ausgewählt. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie fand die Jurysitzung digital statt. Aus demselben Grund wird die Auszeichnung des Siegers am 29. Oktober live im Internet übertragen. Der Gewinner wird wie üblich in der Frankfurter Paulskirche geehrt. Neben einer Statuette des Künstlers Thomas Demand erhält der Sieger ein Preisgeld von 50.000 Euro.