Home Architecture „Gute Absichten“ – Die Büroraum-Entwicklung in den USA

„Gute Absichten“ – Die Büroraum-Entwicklung in den USA

von Markus Schraml
The Office of Good Intentions

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint, lautet eine Redewendung. So gesehen impliziert der Titel des Buches The Office of Good Intentions sowohl das Aufzeigen geplanter Bemühungen als auch den kulturkritischen Blick auf die Geschichte der US-amerikanischen Büroraumgestaltung. Die Architekten Florian Idenburg und LeeAnn Suen haben in dem bei TASCHEN erschienen Band die Veränderungen von Büroräumlichkeiten während des letzten halben Jahrhunderts untersucht. In Form von zwölf Essays werden Themen wie die Abschaffung der Stechuhr, der Aufstieg des Firmenfestes oder die Gestaltung von Spielarealen auf dem Arbeitsplatz aufgegriffen.

Was den Band über die reine Expertenrunde hinaus interessant und erhellend macht, sind die Fotos von Iwan Baan. Der renommierte Architekturfotograf macht bekannte Büroprojekte wie Marcel Breuers IBM-Campus in Florida oder den Atriumgarten der Ford Foundation in Manhattan visuell verständlich.

In den Essays werden Büros und Campus großer US-amerikanischer Konzerne detailliert, gespickt mit Hintergrundinformationen und eingebettet in die jeweiligen Zeitumstände beschrieben. Auch Werbeagenturen, wissenschaftliche Institute und Laboratorien sind vertreten. Neben Projektbeschreibungen flossen in dieses Buch auch thematische Artikel ein, zum Beispiel über die digitalisierte Überwachung von Büroräumlichkeiten und Mitarbeitern. Das Humanyze Badge etwa sollte während der Arbeitszeit um den Hals getragen werden und die Bewegungen der Mitarbeiter aufzeichnen. Anonymisiert, wie versichert wurde. Zumindest kann ein solches Badge im Unterschied zu einem Mikrochip abgenommen werden.

Forschungslabor Salk Institute for Biological Studies in La Jolla, Kalifornien. Architekten: Louis Kahn mit August Eduard Komendant (Statik) und Lawrence Halprin (Landschaftsarchitekt), 1959 – 1965. © Iwan Baan

Business-Gurus

Suen und Idenburg beleuchten das Thema (Büro)arbeit aus sehr unterschiedlichen Perspektiven. Eine davon greift den Guru-Status mancher Geschäftskapitäne auf. Das Paradebeispiel dafür ist Steve Jobs. Der Apple-Gründer war weniger für seine Ingenieurskunst oder seinen Geschäftssinn bekannt, sondern für seinen Drive, Geschmack und vor allem sein Charisma. Zu seinem Ikonen-Status, den er sehr wohl pflegte, gehörte auch eine bestimmte Art, sich zu kleiden. So besaß er Hunderte von identischen schwarzen Rollkragenpullovern, die vom japanischen Modeschöpfer Issey Miyake entworfen wurden. Während eines Besuchs in einer Sony-Fabrik in Japan begeisterten Jobs die Uniformen der Arbeiter, die allesamt von Miyake gestaltete schwarze Westen trugen. Natürlich konnte Jobs in seinem eigenen Unternehmen in den USA keine Uniform einführen, stattdessen entschied er sich für eine Art persönlicher Uniform: einen schwarzen Rollkragenpullover mit Jeans von Levis und graue New Balance-Turnschuhe. Schwarze Rollkragenpullover waren ursprünglich ein Zeichen der Existenzialisten, der Beatgeneration oder der Black Panthers. Nun trugen sie zum Mythos eines Business-Gurus bei.

Büro und Digitalisierung

Die Veränderung der Arbeitswelt speziell in Büros in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist vom Aufkommen des Computers und den Möglichkeiten der digitalen Kommunikation geprägt. Gleichzeitig ist die Umwandlung der Büros auch von wechselnden Arbeitsanforderungen bestimmt. Beginnend bei den ersten kaufmännischen Büros in einfachen Schuppen, die sich mit der Zeit immer weiter entfernt von den Feldern, Fabriken und Farmen befanden, für die sie verantwortlich waren. Diese simplen Offices mussten später den Konzepten des Taylorismus und modernistischen Großraumbüros weichen. Die Fortschritte im Bauwesen führten zu städtischen Bürohochhäusern und andererseits zu Firmensiedlungen auf dem Land. Orte der reinen Arbeit wurden ausgedehnt und um Einrichtungen zur Kinderbetreuung oder für Sport und Spiel erweitert. In der letzten Phase der Büroentwicklung wird der physische Ort verlassen und der Büroangestellte des 21. Jahrhunderts ins virtuelle Büro verfrachtet.

Gute Pläne, mangelhafte Umsetzung

Die Arbeitsumgebung des globalen Kapitalismus als Räume „guter Absichten“ zu bezeichnen, ist kein Witz, sondern die Autoren meinen, dass hinter jedem Design ein durchaus ernsthafter Plan steckt. Schon im Vorhinein zu wissen, was funktioniert und was scheitert, obliegt einer guten Vorstellungskraft. Nicht immer lag es am Mangel derselben, dass viele der „guten Absichten“ im Endresultat verloren gegangen waren, sondern an der Diskrepanz zwischen Plan und konkreter Umsetzung. Aufgrund des Dienstleister-Status von Design und Architektur war die Durchsetzungskraft der Raumgestalter in der Vergangenheit stark begrenzt.

Unterwerfen Sie sich bitte gerne

„Das Buch zieht keine einzelne Schlussfolgerung oder prognostiziert die Zukunft“, heißt es im Vorwort von The Office of Good Intentions. Diese durchaus tiefschürfende Betrachtung von Arbeitsorten sowie Arbeitswelt zwischen der Mitte des 20. Jahrhunderts und der Jahrtausendwende in den USA soll eine historische Grundlage bieten, auf der die Entwicklungen der Gegenwart besser verstanden werden können. Die Geschichten dieses Buches beschreiben Interessen und Bedenken sowohl von Büroraum schaffenden Architekten als auch den darin arbeitenden Angestellten. Die Rückkehr des Work Clubs, der Aufstieg des Corporate Festivals, die Gig Economy und die Schaffung von „Arbeitsspielplätzen“ sind nicht einfach nur verschleierte Strategien, um Arbeitnehmer dazu zu bringen, mehr zu arbeiten und weniger zu verdienen. In vielerlei Hinsicht stellen diese Trends Bemühungen dar, die zustimmende Selbstunterwerfung neu zu kennzeichnen. Ein Versuch, der an der instabilen Grenze zur Ausbeutung angesiedelt ist.

The Office of Good Intentions. Human(s) Work. Florian Idenburg, LeeAnn Suen, Iwan Baan. Softcover with trimmed pages and ring binder hole punches, 17 x 22 cm, 592 S. Englisch. ISBN 978-3-8365-7436-5. Verlag: TASCHEN.


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