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Ideen aufspüren, authentisch gestalten – Martin Mostböck

von Markus Schraml
Martin Mostböck

Er ist Architekt und Designer, eine Kombination, die auf die Ursprünge der Disziplin Design selbst verweist. Genau in dieser Tradition sieht sich Martin Mostböck. Bereits während seines Architekturstudiums in Wien begann er sich für Design zu interessieren. Mittlerweile kann er in beiden Feldern Erfolge verzeichnen. Genug Gründe, um dem 1966 geborenen eine Retrospektive zu widmen. Dies geschah im Mai 2022 im Designforum Steiermark, ein Jahr später folgte eine Ausstellung in der Landesgalerie Burgenland (März bis Juni). Beide trugen den Titel „The Chairman“, was sowohl mit seinem Talent in der Kreation von Sitzgelegenheiten zu hat, aber auch auf einen lange zurückliegenden Auslandsaufenthalt in der Türkei zurückgeht, wo sich die Einheimischen mit dem Namen Mostböck schwertaten und ihn deshalb gemäß dem Ausstellungsstück „Chairman“ nannten.

Bekannt und erfolgreich ist sein „Flaxx Chair“ (Red Dot Design Award 2014) oder sein Kunst-Stuhl „Best Friends Chair“, der in die Kollektionen des Wiener MAK und des Museum of Art and Design in New York aufgenommen wurde. Übrigens insistiert der Burgenländer Mostböck auf die österreichische Bezeichnung Sessel für die Möbelkategorie Stuhl. Seine Herangehensweise an die Gestaltung von Möbeln und Gebrauchsobjekten ist die eines Architekten. Er denkt die Umgebung, den Raum immer mit.

Die Ausstellungsdesigns der Schauen in Graz und Eisenstadt waren unterschiedlich. In letzterer nahm Mostböck starken Bezug auf seine burgenländische Herkunft. Er ist in Eisenstadt aufgewachsen. Im FORMFAKTOR-Exklusivinterview hält er Rückschau auf die Ausstellung und spricht über sein neues Buch sowie über sexy Zäune.


FORMFAKTOR: Wie war das Gefühl, einen Großteil Ihrer Arbeit auf einem Platz versammelt zu sehen?

Martin Mostböck: Es war vor allem ein geballter Blick, wenn man plötzlich sieht, was man in den Jahren alles produziert hat. Ich war wirklich überrascht, was ich alles geplant, gebaut und umgesetzt habe. Das Konzept der Ausstellung in der Landesgalerie in Eisenstadt war, dass man einen kleinen Hauptplatz macht, wie in einem burgenländischen Dorf. Die Häuser des Dorfs sind in der Ausstellung dreifach umschlossene Boxen, deren Inhalt man nach dem Guckkastenprinzip frontal betrachten konnte. Und wie es in burgenländischen Dörfern sogenannte „Hintauswege“ gibt, gab es diese auch in der Ausstellung. Das heißt, man konnte rundherum gehen und sich die Objekte, die Architekturmodelle noch einmal von hinten anschauen, indem man durch verschiedene Löcher in die Boxen blickte. Dadurch ergab sich ein anderer Blick.

FORMFAKTOR: Das passt alles sehr gut zusammen: Die Ausstellung eines Burgenländers im Burgenland, das Konzept eines burgenländischen Dorfplatzes. Und die Häuser sind die Boxen.

Martin Mostböck: Genau und diese Bebauungen, diese Boxen waren unterschiedlich hoch. Alle waren auf einer Seite offen, bis auf die Box mit dem Best Friends Chair. Die war komplett zu. Diesen Sessel konnte man nur sehen, wenn man durch eines der Löcher geschaut hat. Auch weil wir verhindern wollten, dass sich jemand daraufsetzt. Er ist nicht sehr stabil.

FORMFAKTOR: Es ist ja mehr ein Kunstobjekt …

Martin Mostböck: … genau, es ist ein Objekt.

FORMFAKTOR: Zur selben Zeit wie die Ausstellung ist auch ein neues Buch entstanden. Teil 2 von Architecture Interior Design, das im Verlag Anton Pustet erschienen ist.

Martin Mostböck: Das war ein Riesenaufwand, einerseits die Ausstellung zu konzipieren und gleichzeitig ein Buch zu machen. Aber es ist sehr gut aufgegangen. Die Ausstellung war sehr gut besucht.

FORMFAKTOR: Sowohl im Buch als auch in der Ausstellung ist bzw. war unschwer zu erkennen, dass Sie eine Vorliebe für Stühle, Entschuldigung, Sessel haben. Einer der gelungensten ist der Konstantin Chair, finde ich.

Martin Mostböck: Der Konstantin Chair wurde für das Restaurant von Konstantin Filippou in Wien entwickelt. Die Konzeptidee greift die Kochutensilien wie etwa Pfannengriffe auf. Zum Beispiel wurde dort, wo die Armlehne verjüngt ist, Kernleder bündig eingearbeitet. Das heißt, das Holz der Armlehne geht in das Leder fast unsichtbar über. Mir war wichtig, dass jene Teile, die besonders beansprucht werden, einen besonderen Schutz bekommen. Deshalb sind die Beine mit Messingmanschetten ausgestattet und die Armlehnen mit Leder. Exponierte Teile sind sozusagen zurückgeschliffen, damit nichts allzu leicht abbrechen kann.

FORMFAKTOR: Das heißt, was hier so elegant aussieht, hat im Wesentlichen sehr praktische Gründe.

Martin Mostböck: Ja, total praktische Gründe. Man kann auch praktische Dinge elegant ausschauen lassen.

FORMFAKTOR: Der Konstantin Chair ist zudem ein äußerst regionales Produkt.

Martin Mostböck: Gebaut wird er von Braun Lockenhaus. Das Unternehmen bezieht das Holz von der Esterhazy Privatstiftung aus einem Umkreis von ungefähr 20 Kilometern. Das Leder kommt von Boxmark in Feldbach in der Steiermark, was ungefähr 50 Kilometer entfernt ist. Da Lockenhaus ca. 100 km von Wien weg liegt, kann man sagen, dass die Materialien für dieses Produkt, die Produktionsvorläufe, die Zulieferer aus einem Radius von 100 km stammen und dieser Sessel deshalb ein sehr regionales Produkt ist. Das war ein Grund, warum wir den Green Good Design Award und den Austrian Interior Award dafür gewonnen haben.

FORMFAKTOR: Ein ganz anderes Sesselprojekt ist der Franz Chair, wo Sie ein klassisches Möbelstück aus dem 19. Jahrhundert neu interpretieren.

Martin Mostböck: Es ist der klassische Brettstuhl. Jetzt muss ich doch Stuhl sagen, weil das die genaue Bezeichnung dafür ist. Diese zwölf Sessel, die für das Jagdhaus eines Auftraggebers entworfen wurden, schauen alle anders aus, weisen aber gewisse Ähnlichkeiten auf. Ganz klassisch gibt es unter der Sitzfläche zwei Zargen, in die die vier Füße eingelassen sind. Im hinteren Bereich wird in einen Schlitz die Rückenlehne eingesteckt. In dieser Rückenlehne gibt es unterschiedliche Muster, Perforierungen, Anschliffe. Natürlich sind die Löcher in der Lehne auch als Einschüsse gedacht. Dieses Bild schwingt bei diesem Entwurf mit.

FORMFAKTOR: Was unterscheidet die Herangehensweise eines Architekten von dem eines Designers?

Martin Mostböck: Betrachtet man die Geschichte des Designs, waren die ersten Designer alle Architekten. Ich sehe mich in der Tradition von Castiglioni oder Sottsass, also von italienischen Architekten, die recht bald nach dem Studium zum Design gekommen sind. Ähnlich ist es bei den Skandinaviern, sei es Jacobsen oder Saarinen. Ich denke beim Entwurf eines Hauses immer auch die Möbel mit. Und beim Entwurf eines Sessels denke ich den Raum oder das Haus mit. Ich finde, dass beides in einem gedacht werden muss. Das heißt, ich gestalte gerne das Haus außen und innen, aber es wird zu wenig danach gefragt.

FORMFAKTOR: Sie haben einmal gesagt, dass Sie die langen Zeiträume, die Architekturprojekte oft dauern, mit dem Design von Möbeln oder Objekten überbrücken.

Martin Mostböck: Ja, das ist so. Da hat man immer mal wieder Zeit, einen Sessel zu gestalten. Ich habe schon im Architekturstudium begriffen, dass die Entwicklungszeiten einfach sehr lange dauern. Mein Vater war auch Architekt und ich habe gesehen, dass der Vorentwurf, Entwurf, die Einreichung und schließlich die Umsetzungsphase immer mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Da ich ein ungeduldiger Mensch bin, habe ich schon im Studium damit begonnen, mich mit Design auseinanderzusetzen.

FORMFAKTOR: Eine Möbelkategorie, für die Sie eine ganze Reihe von Konzepten entworfen haben, sind Beistelltische: Warum?

Martin Mostböck: Beistelltische faszinieren mich. Der Beistelltisch ist ein sehr praktisches Objekt, das in jedem Haushalt vorhanden sein sollte. Er findet meiner Meinung nach zu wenig Beachtung im Design. Natürlich gibt es sehr viele Beistelltische, aber solche, die eine gewisse spezielle Ästhetik und einen Mehrfachnutzen haben, gibt es kaum. Da sehe ich eine Nische für mich. Bei „The thinner the skin“ zum Beispiel ging es darum, eine Primärkonstruktion zu finden, die so dünn wie möglich ist. Deshalb wird hier Stahl verwendet, der nur 3 mm dick ist, auch für das Rohr, das zu Dreiviertel aufgeschnitten ist. Oder bei „Three Tubes and Five and a Half Holes“ geht es um einen Beistelltisch, der auf zwei unterschiedlichen Niveaus funktioniert. Aufgrund der Öffnungen können die beiden Ebenen gedreht werden und der Tisch an unterschiedliche Situationen angepasst werden: übereinander, nebeneinander, getrennt voneinander. H+S Zauntechnik hat den Prototypen hergestellt.

FORMFAKTOR: H+S Zauntechnik hat auch einen anderen Entwurf von Ihnen produziert. Nämlich die Idee einer Lamellenstruktur, die durch unterschiedliche Abstände wie ein Barcode aussieht. Das Unternehmen hat daraus einen Zaun gemacht.

Martin Mostböck: Der Zaun besteht aus zwei unterschiedlichen Aluprofilen, die in drei verschiedenen Abständen angeordnet werden. Das erzeugt diese Barcode-Ästhetik. Aufgrund dessen wirkt er irgendwie vertraut, weil ja Barcodes überall zu sehen sind. Es gibt kaum etwas, was nicht mit einem Barcode versehen ist.

FORMFAKTOR: Apropos: Warum gibt es keine schönen Zäune?

Martin Mostböck: Na ja, einen gibts ja (lacht). Ich bin ein großer Fan des Maschendrahtzauns und des Hasenstall-Zauns, der sechseckige. Den gibt es auch in großmaschig, was die wenigsten wissen. Ich finde diesen Zaun total sexy. Aber es ist natürlich so, dass man als Architekt oder Designer nicht will, dass der Zaun vor einem Gebäude mit diesem in Konkurrenz tritt. Das will man nicht. Deshalb ist auch diese Barcode-Ästhetik perfekt, weil sie auffällig unauffällig ist. Dieser Zaun ist zwar lesbar, aber erst auf den zweiten Blick.

FORMFAKTOR: Ein Aspekt in Ihrem Designschaffen ist nicht so bekannt, aber sehr außergewöhnlich. Eines Ihrer Designs war im Film „Guardians of the Galaxy“ von 2014 zu sehen. Die Leuchte „The Edge.01“. Sind Sie an Science-Fiction interessiert?

Martin Mostböck: Ja, total. Dazu kam ich aber nicht über den Film, sondern über die Literatur. Ich las relativ früh „2001. Odyssee im Weltraum“, auch viele Bücher von Philip K. Dick, den großen US-amerikanischen Sci-Fi-Schriftsteller, der ja unter anderem den Roman „Do Androids Dream of Electric Sheep“ geschrieben hat. Eine Geschichte, die wir alle unter dem Namen „Blade Runner“ kennen. Die Sache mit „Guardians of the Galaxy“ war reiner Zufall. Die Filmausstatter des Films haben meine Möbel im Internet gesehen, mich kontaktiert und gefragt, ob sie die The Edge.01-Lampe für den Film verwenden dürfen. Die war damals noch im Prototypen-Stadium, deshalb habe ich zwei Muster in Dunkelgrau-anthrazit bauen lassen. Zunächst war sie als Leihgabe gedacht, aber dann haben sie sie doch gekauft, weil das Verschicken sehr teuer ist. Übrigens wurde nicht nur die Lampe im Film verwendet, sondern auch mein Name wird im Abspann genannt – ganz zum Schluss.

Danke für das Gespräch!

Mostböcks Leuchte The Edge wurde im Film „Guardians of the Galaxy“ verwendet. © Martin Mostböck

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