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Kann Elektronik biologisch abbaubar sein?

von Sebastian Zerlach
Empa, Computermäuse, Geiger

Können aus Cellulosefasern Leiterplatten hergestellt werden? Empa-Forscher Thomas Geiger sagt ja. Seit vielen Jahren untersucht er Cellulosefibrillen, das sind feine Fasern, die aus Holzabschnitten stammen. Testweise hat Geiger bereits Gehäuseteile für Computermäuse daraus fabriziert. Seine Erkenntnisse fließen nun in das EU-Projekt „Hypelignum“ ein. Dabei geht es um nachhaltig produzierte Elektronik.

An diesem im Oktober 2022 gestarteten Projekt ist ein Forscherkonsortium aus den Ländern Österreich, Slowenien, Spanien, den Niederlanden, Schweden und der Schweiz beteiligt. Im Fokus steht der Versuch, Öko-Leiterplatten aus verschiedenen Materialien herzustellen und zu testen. Neben nanofibrillierter Zellulose (CNF) wird als Basis Holzwolle und Zellstoff aus Pappelholz untersucht. Auch Holzfurnier kommt als Basis für die Platinen zum Einsatz.

„Cellulosefasern können eine sehr gute Alternative zu Glasfaser-Verbundwerkstoffen sein“, weiß Geiger. „Wir entwässern das Material in einer Spezialpresse mit 150 Tonnen Druck. Dann kleben die Cellulosefasern ohne weitere Hilfsstoffe von alleine zusammen. Wir nennen das ‚Hornifizierung‘.“ „Grüne“ Elektronik ist schon seit Längerem ein Forschungsschwerpunkt der Empa-Abteilung „Cellulose & Wood Materials“, die von Gustav Nyström geleitet wird. Das Team hat bereits diverse gedruckte Elektronikkomponenten aus biologisch abbaubaren Materialien entwickelt, etwa Batterien und Displays. Die Anforderungen an industriell hergestellte Computerplatinen sind allerdings hoch. Sie müssen nicht nur eine gute mechanische Festigkeit aufweisen, sondern dürfen auch unter feuchten Bedingungen nicht aufquellen oder bei sehr niedriger Luftfeuchtigkeit Risse bilden.

Bei 150 Tonnen Druck werden die Cellulosefasern entwässert und in einem zweiten Arbeitsgang verfestigt. Thomas Geiger vor seiner Spezialpresse mit Gehäuseteilen, die im Rahmen des Innosuisse-Projekts an der Fachhochschule OST in Rapperswil entwickelt wurden. © Empa

Als zweite Forschungsabteilung der Empa arbeitet „Technologie und Gesellschaft“ rund um die Nachhaltigkeitsspezialistin Claudia Som (an sie war die Anfrage aus der EU herangetragen worden) mit. Ihre Aufgabe ist es, mithilfe von Material-Datenbanken den ökologischen Fußabdruck der Öko-Leiterplatten zu berechnen und die Konzepte zu vergleichen. So kommt es bei der Herstellung mittels Spezialpresse darauf an, unter welchem Druck, bei welcher Temperatur und für wie lange der Pressprozess laufen darf, um möglichst umweltfreundlich zu sein.

Holzbasierte Materialien

Mit dem Projekt „Hypelignum“, das vom schwedischen Materialforschungsinstitut RISE geleitet wird, verfolgt die EU hochgesteckte Ziele. So sollen nicht nur Leiterplatten aus nachwachsenden, kompostierbaren Rohstoffen untersucht, sondern auch leitfähige Tinten für die elektrischen Verbindungen zwischen den Bauteilen entwickelt werden. Am Ende des Projekts sollen vier Demonstratoren die erreichten Forschungsergebnisse veranschaulichen: eine ökologisch vorbildliche Leiterplatte, ein großes Konstruktionselement aus Holz, das mit Sensoren und Aktuatoren bestückt ist, Möbelstücke, die in einer automatisierten Fertigungsstraße mit Sensoren ausgestattet sind und schließlich ein Demonstrator, der die Recyclingfähigkeit all dieser Bauteile beweist.

Grüne Computer

Öko-Leiterplatten könnten den ökologischen Fußabdruck von Computern verringern, denn herkömmliche Leiterplatten, auch Platinen oder PCBs genannt (printed circuit boards) sind ökologisch bedenklich, bestehen sie doch meist aus Glasfasern, die in Epoxidharz getränkt werden. Ein derartiger Verbundwerkstoff ist nicht recyclingfähig und kann bislang nur in speziellen Pyrolyseanlagen sachgerecht entsorgt werden.


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