Home Architecture Leicht und flexibel – der Holzbaukasten von Gerner Gerner Plus und AllesWirdGut

Leicht und flexibel – der Holzbaukasten von Gerner Gerner Plus und AllesWirdGut

von Markus Schraml
Gerner Gerner Plus/AllesWirdGut, Holzbaukasten

Ende Februar 2023 gab die Stadt Wien die Sieger des Bauträgerwettbewerbs „1. Wiener WohnBAUMprogramm“ bekannt. Damit werden Projekte in Holz- bzw. Holz-Hybrid-Bauweise gefördert. Als Sieger dieser ersten Phase eines größeren Plans für mehr Holzbau in Wien gingen die Architekturbüros Gerner Gerner Plus und AllesWirdGut, die zu diesem Zweck eine Arbeitsgemeinschaft gegründet hatten, und der Bauträger ARWAG hervor. Nun ließen die Architekten Oliver Gerner und Christian Waldner im Rahmen einer Informationsveranstaltung tiefer in ihr Konzept blicken, das sich durch ein flexibles, skalierbares Holzbausystem auszeichnet.

Die Ausschreibung verlangte nicht nur nach der Entwicklung eines flexiblen, innovativen Konzepts, sondern war auch mit drei konkreten Bauaufgaben verknüpft. „Die Herausforderung war, ein System zu entwickeln, das tatsächlich auf diese drei unterschiedlichen Grundstückstypen angewendet werden konnte. Wir haben das Ganze aber noch weitergedacht und wollten ein System entwickeln, das sowohl XS, also ganz kleine Bauaufgaben als auch XL, also bis hin zum Hochhaus abdecken kann. Ein System also, das über diese drei spezifischen Grundstücke hinausgeht. Das war unser interner Anspruch und Startschuss“, sagte Oliver Gerner im Zuge der Präsentation im Salon Gerner Gerner Plus in Wien.

Das Ergebnis ist ein Baukastensystem, das von der Planung über die Fertigung bis hin zur Errichtung und Nutzung einem in sich geschlossenen Zyklus folgt. „Wir wollten keinen starren Container entwickeln, sondern wirklich ein Baukastensystem und dabei ganz zurück an die Basis gehen. Deshalb haben wir einen 4×4 Meter Grid entwickelt, mit dem wir unterschiedlichste Wohnungstypen und Wohnungsgrößen abdecken können. Diese 16 m² abzüglich der Wände etc. ergeben ein sehr schönes Schema, mit dem man typische Wohnungen von 1 bis 4 Zimmern bauen kann“, erläuterte Gerner.

Vielfältige Möglichkeiten: Modularer Holzbaukasten von der ARGE Gerner Gerner Plus. AllesWirdGut. © ARGE Gerner Gerner Plus. AllesWirdGut

Nachhaltiger Holzbau

Laut Christian Waldner von AllesWirdGut war eine der Kernherausforderungen Grundrisse zu finden, die genau in das Schema des geförderten Wohnbaus in Wien hineinpassen, wo es ganz genaue Maximalgrößen für Wohneinheiten gibt. Ein weiterer Hauptpunkt im Anforderungsprofil dieses Wettbewerbsprojekts betraf die Nachhaltigkeit. Waldner: „Ein Haus ist ein Gebrauchsgegenstand, deshalb spielen Themen wie Kreislaufwirtschaft eine große Rolle. Beim Bauen kann man sich bei der Nachhaltigkeit üblicherweise auf die lange Zeitspanne von vielleicht sogar 100 oder 150 Jahren hinausreden und sagen, irgendwann wird es schon nachhaltig. Aber eigentlich müssen wir das schon in kürzester Zeit nachweisen. Hier muss man umdenken, in der Hinsicht, dass bereits in der Planung die Systeme so nachhaltig sind, dass, wenn irgendetwas passiert, man sie flexibel weiterverwenden oder umnutzen kann.“

Bauplatz Aspernstraße: das Baukastensystem im urbanen Kontext. Der Baukörper könnte ein Prototyp für zeitgenössischen, verdichteten Siedlungsbau in der Stadt sein. © ARGE Gerner Gerner Plus. AllesWirdGut

Dem Anspruch einer möglichst hohen Resilienz begegneten die Architekten mit der Entwicklung zweier Kategorien: Die erste deckt „normale“ Räume wie Wohn- und Schlafzimmer ab, die zweite betrifft den Kern, in dem Versorgung, Badezimmer und Küche untergebracht sind. „Das ergab einen spielerischen Ansatz, wo man mit einem Modul beginnt und das Ganze verschiedenartig erweitert. Ein Beispiel: Was wäre, wenn ein Projekt nur aus Einzimmerwohnungen bestehen, im ersten Stock aber eine komplett andere Konfiguration sein soll. Das heißt, Nachhaltigkeit entsteht hier durch Flexibilität. Weil wir nicht wissen, wie in 20 Jahren gebaut wird, welche Wohnungsgrößen dann notwendig sein werden. Deshalb wollten wir von der Statik, von der Versorgung her so viel wie möglich anbieten können“, betonte Gerner.

Starker Partner

In einer relativ frühen Phase des Entwicklungsprozesses war den Architekten bereits klar, dass sie für die Umsetzung ihrer Ideen einen professionellen Partner benötigen würden. Deshalb engagierten sie die Weissenseer Holz-System-Bau GmbH, was laut Aussage Oliver Gerners für die Entwicklung essenziell war. Erst dadurch konnte dieses innovative Projekt und System umgesetzt und schließlich der Wettbewerb gewonnen werden. Ein wichtiger Faktor war der hohe Grad an Vorfertigung, was sich positiv auf die Kosten und die Länge der Bauzeit vor Ort auswirkt. Die Holzmodule werden mit geringem Verschnitt im Werk gefertigt, verschraubt und mit schadstoffarmen Sekundärbaustoffen wie Recyclingbeton ergänzt. Die simple Grundstruktur und die Elementwiederholung ermöglichen ein einfaches Zusammensetzen des Gebäudes. Eine dem verbrauchten Materialvolumen entsprechende Zahl an Bäumen soll über eine Aufforstungsorganisation neu gepflanzt werden.

Bauplatz Orasteig II: zwei Baukörper stellen das Material Holz aus und schaffen eine eigene Identität, die für diese Architektur / Holzbaukasten typisch wäre. © ARGE Gerner Gerner Plus. AllesWirdGut

In puncto Ökologie und Resilienz gibt es weitere Maßnahmen: eine standortgerechte, vielfältige Bepflanzung, Fotovoltaikanlagen auf den Dächern, in die Gestaltung integriertes Regenwassermanagement und eine Reduktion des versiegelten Unterbaus. Die Fertigstellung der Siegerprojekte der Phase 1 des Bauträgerwettbewerbs zum Wiener WohnBAUMprogramm ist für 2025 geplant. Dazu wurde bereits ein spezielles Contracting-Verfahren angestoßen, ein sogenanntes Early Contracting. „Wir haben die Vorplanung schon abgeschlossen. In diesem Zusammenhang werden die Kosten bereits eruiert, der Markt abgefragt. Die Ergebnisse werden auf diese Weise früh genug vorhanden sein, sodass man dann mit ein oder zwei Bestbietern in die Entwurfsplanung gehen kann“, konkretisierte Waldner die nächsten Schritte.

Für uns ist dies ein sehr zukunftsträchtiges Projekt und System.

Oliver Gerner

Holzbau Light

Holzbau liegt im Trend. Laut Aussage Christian Waldners (AllesWirdGut) gibt es in den Ausschreibungen eine starke Tendenz dahin und zwar in allen möglichen Varianten. Waldner steht dieser Entwicklung aber auch kritisch gegenüber: „Uns war wichtig, dass wir wirklich zurückgehen in die strukturelle Situation, dass man Decken und Stützen hat, aber ansonsten eine größtmögliche Freiheit. Das macht uns flexibler, aber es hilft auch, den Materialeinsatz zu reduzieren. Das ist ein Punkt, der meiner Meinung nach derzeit im Holzbau falsch läuft, dass nämlich wieder viel massiv gebaut und viel Holz eingesetzt wird.“ Das Ziel des 4×4-Systems sei auch, dass es jeder Zimmermann bauen kann. Dies wäre eine Gegenströmung zum derzeitigen Trend hin zu immer größeren Holzbaufirmen, geradezu Industriebetrieben. „Ich würde eine Entwicklung befürworten, die den Holzbau in die Handwerksbetriebe bringt – zumindest für kleinvolumige Projekte“, wünschte sich Waldner. Daraus könnte sogar eine neue Baukultur in nicht-urbanen Gebieten entstehen.

Das 1. Wiener WohnBAUMprogramm für Projekte in Holz- bzw. Holz-Hybrid-Bauweise soll noch im Jahr 2023 mit einer zweiten Phase fortgesetzt werden.


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