Home Mobility Maßarbeit in Serie aus Oberösterreich – My Esel setzt Maßstäbe

Maßarbeit in Serie aus Oberösterreich – My Esel setzt Maßstäbe

von Markus Schraml

Fahrräder nach Maß gibt es schon lange. Bislang waren das sehr teure Custom Bikes mit Lieferzeiten von mindestens einem halben Jahr. „My Esel“, ein Unternehmen aus Traun in Oberösterreich geht hier einen radikal neuen Weg und produziert Maßräder in Serie. Das Resultat: Individuell optimierte Fahrräder zu akzeptablen Preisen. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist der Rahmen aus Holz.

Gründer Christoph Fraundorfer brauchte von der Idee bis zum ersten Serienprodukt zwei Jahre. Der Hintergrund war – wie so oft – ein persönliches Problem, denn Fraundorfer hatte es mit seinen 1,95 Metern Körpergröße in Sachen Radfahren nicht leicht. Während seines Architektur-Studiums in Wien fuhr er regelmäßig mit dem Rad zur Uni, bekam davon Knie- und Rückenprobleme. Die Lösung: ein selbst gefertigter Rahmen. Gemeinsam mit Heinz Mayrhofer, einem Profi aus der Ski-Industrie entwickelte Fraundorfer den Aufbau des Holzrahmens. Holzkerne werden im Skisport schon viele Jahre eingesetzt und müssen dort Höchstleistungen erbringen. Holz dämpft Vibrationen besser als Aluminium oder Karbon und ist gleichzeitig sehr steif. Eigenschaften, die perfekt zum Bau eines Fahrradrahmens passen. Die Produktpalette wurde seit 2017 kontinuierlich erweitert. Neben normalen Tour- und Crossfahrrädern bietet My Esel auch E-Bikes (das Hauptprodukt) und seit Neuestem Rennräder an.

Im formfaktor-Interview spricht Christoph Fraundorfer über Fahrradherstellung „Made in Austria“, die selbst entwickelte Software für die Maß-Konfiguration, individualisierte Produktion hoher Stückzahlen mit CNC-Fräse und die Entwicklung des neuen Rennrads.

 

formfaktor: Was waren die größten Herausforderungen während der Entwicklung des Fahrrads?

Christoph Fraundorfer: Grundsätzlich musste zunächst ein Konzept gefunden werden, das es ermöglicht, einen Fahrradrahmen individuell zu bauen. Ich habe in der Architektur sehr viel mit Software gearbeitet und wusste, dass man ein Programm braucht, wo man die Parameter einfach eingibt und das Ganze wird je nach Körpergröße automatisch berechnet. Die Frage war anfangs auch, wie kann ich den Rahmen individuell bauen, aber gleichzeitig in Serie. Denn nur so kann man das wirtschaftlich sinnvoll einem größeren Kundenkreis anbieten. Das war das Ziel. Maß-Rahmen gab es ja schon lange, aber die waren superteuer und man musste ein halbes bis dreiviertel Jahr darauf warten. Die Frage war, wie kann ich ein individuell optimiertes Produkt in Serie herstellen, sodass es leistbar wird und dass innerhalb von vier oder fünf Wochen lieferbar ist. So, wie es bei uns jetzt ist. Dann haben wir verschiedene Holz-Plattenkonstruktionen getestet, aus denen man das Rad ausfräsen kann. Denn mit einer Fräse kann man 1000 Rahmen fräsen und jeder sieht anders aus. Das funktioniert wie ein Baukastensystem und ob ein Rahmen länger oder kürzer ist, ist der Fräse egal. Der Arbeitsprozess geht immer gleich vonstatten. Damit habe ich ein Produktionsverfahren, mit dem ich Räder für einen 2,10 Meter großen Menschen bis zu einem mit 1,45 Metern Körpergröße individuell bauen kann.

formfaktor: Warum Holz? War das von Anfang an klar?

Nein, das war nicht klar. Es gab auch Überlegungen mit Aluminium oder Karbon zu arbeiten. Aber Holz ist erstens ein Material, mit dem man sehr schnell Dinge testen kann. Und es ist von der Verarbeitung mit der CNC-Fräse her einfacher. Karbon-Räder werden mit Formen gebaut, das heißt, es gibt immer die gleiche Form, die sehr viel Geld kostet und man muss sehr viele Modelle aus der gleichen Form machen, damit das wirtschaftlich ist. Aber das ist natürlich genau das Gegenteil, von dem, was ich wollte, dass nämlich jeder Rahmen anders sein kann. Wir haben auch Kunststoffplatten ausprobiert, Komposit-Verbundplatten getestet, aber Holz hat mit Abstand die besten Eigenschaften an den Tag gelegt. Außerdem dämpft es die Feinvibrationen sehr gut. Das ist auch der Grund, warum unsere Räder komfortabel laufen.

formfaktor: Wie sehen die wichtigsten Zielgruppen für My Esel aus?

Aufgrund unseres Produktportfolios sprechen wir verschiedenste Zielgruppen an. Gemein ist unseren Kunden, dass sie etwas Besonderes wollen, das regional in hoher Qualität hergestellt wird und ein cooles Produkt aus Oberösterreich ist. Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Punkt für uns. Wenn man jetzt die Rennräder, die Tourenräder oder auch die E-Bikes anschaut, dann geht es schon stark in den Performance-Bereich hinein. Die E-Bikes haben 19 Kilogramm. Es gibt nur ganz wenige, die auf so ein niedriges Gewicht kommen. Wir haben alles so in den Rahmen integriert, dass man von der Batterie etc. nichts sieht. Das heißt, es ist vom Design her, sehr reduziert. Alle Kabel sind innen verlegt.

formfaktor: Seit Juni gibt es ein Rennrad? Was sind die Anforderungen bei der Entwicklung eines solchen Radtyps?

Beim Rennrad geht es ganz klar um Performance. Was wir mit dem Rennrad zeigen wollen, ist, dass Holz eine super Performance liefern kann. Unsere Rennrad-Prototypen haben unter 8 Kilo und besitzen eine extrem hohe Steifigkeit. Vor Kurzem, bei der 24h Europameisterschaft, hat einer unserer Fahrer die Bronzemedaille gewonnen. Also auch bei internationalen Wettbewerben kann dieses Material vorne mitfahren. Rennrad-Rahmen sollen sehr steif sein, gleichzeitig aber auch Vibrationen dämpfen. Und das kann Holz perfekt. Durch die grundsätzliche Steifigkeit eines Rennrads gehen alle Vibrationen direkt in den Körper. Und deshalb ist Holz viel besser. Das Rad läuft besser und der Fahrer ist geringerem Stress durch die Vibrationen ausgesetzt. Wir haben schon einige Fahrer, die damit unterwegs sind und die sagen, sie hatten früher, nach einer Fahrt, immer Probleme im Lendenwirbelbereich und seit sie mit dem Esel unterwegs sind, ist das weg. Die Entwicklung war eine Herausforderung. Man kann das mit einem Rennski vergleichen. Heinz Mayrhofer, Mitgründer von My Esel, ist ja der ehemalige Chefentwickler von Fischer-Ski. Für einen Rennski werden die gleichen Materialien verwendet. Dort geht es um Torsionssteifigkeit, die eben bei Holz sehr gut ist. Und was für einen Rennski gut ist, ist natürlich auch für ein Rennrad bestens geeignet.

formfaktor: Wie muss das Holz bearbeitet werden? Das kann ja nicht einfach so verwendet werden.

Genau. Das Holz des Rahmens ist innen hohl. Wir verwenden verschiedenste Furnierhölzer für die Platten, Esche hauptsächlich. Diese Platten, die je nach Rad, einen anderen Aufbau haben, werden gepresst. Danach werden die sechs Hauptteile von einem unserer Produktionspartner gefräst, genau nach den vorgegebenen Spezifikationen. Das ist ein sehr automatisierter Prozess. Dann werden die Teile verklebt, die Räder vierfach lackiert und versiegelt und bei uns in Traun komplett fertig aufgebaut. Das Lackieren und Versiegeln ist ein wichtiger Prozess, damit das Rad lange hält und man auch bei Regen fahren kann. Es muss nichts nachlackiert oder eingeölt werden.

formfaktor: Kommt diese Frage von Kunden*innen: Kann ich auch damit fahren, wenn es regnet?

Kein Problem. Das ist wie bei einem Auto, das mehrere Schichten Lack drauf hat. Es ist nur so, wir haben eine matte Klarlackversiegelung. Dadurch sieht es sehr natürlich aus, aber wenn man Wasser drübergießt, dann perlt es ab. Man könnte es auch ganz glänzend lackieren, dann würde man das sofort sehen. Deshalb kommt die Frage schon öfter. Das sind Lacksysteme, die für Holzaußenhüllen verwendet werden, die 20, 30 Jahre in der Witterung stehen. Also diese Systeme funktionieren. Und wir haben mittlerweile Räder, die schon vier Jahre oder älter sind, die auch bei Regen gefahren werden und die sind unverändert, von der Optik her.

 

formfaktor: Wie schon erwähnt ist Eure Spezialität das Fahrrad nach Maß. Welche Anpassungen können und müssen vorgenommen werden, damit es genau für den individuellen Kunden passt?

Eigentlich sehr viele. Es ist aber so: Wir berechnen nicht das Rad, sondern sozusagen jeden Kunden: Körpergröße, Schuhgröße, Beinlänge brauchen wir und über diese Werte rechnen wir die Körperproportionen nach. Das haben wir mit einem orthopädischen Spital entwickelt, die Profis in der 3D-Anlalyse von Radfahrern sind. Wir haben fast 1000 Datensätze von Personen, die in der Software im Hintergrund gespeichert sind. Dadurch wissen wir aus Größe und Beinlänge, wie der Rest aussehen muss. Theoretisch könnte man jeden Wert einzeln eingeben – bis zu jedem Knöchel, Unterarm, Oberarm usw., aber das wäre eine Hürde. Deshalb messen wir Körpergröße, Schuhgröße und für die Beinlänge den Unterschenkel. Das zu messen, dauert eine Minute. Der Kunde, die Kundin kann das selbst zu Hause machen und gibt die Daten in ein Formular ein. Daraus können wir das Rad dann perfekt anpassen. Wenn jemand das möchte, kann er/sie die Konfiguration über Screen-Sharing genau mitverfolgen, wie unser Programm das berechnet. Dort sieht man, wie sich bei jeder Änderung einzelner Körperdaten, immer gleich das Rad mit verändert, sodass sich die optimale Sitzhaltung ergibt. Der Rahmen ist völlig frei definiert und stretcht sich wie eine Ziehharmonika, aber in alle Richtungen und Größen. Wir haben auch drei Standardgrößen, denn – und das war für uns ein Lernprozess – wie bei einem Maßanzug, der auf besondere Körpermaße zugeschnitten ist, haben viele Menschen einfach normale Körpermaße, wo auch ein Anzug von der Stange passt. Genauso ist es bei den Fahrrädern. Gerade bei den E-Bikes verkaufen wir auch sehr viel in unseren Standardgrößen S, M, L, weil beim Probieren die Leute oft sagen: Ich fühle mich pudelwohl. Und dann ist es natürlich ein bisschen günstiger. Die S, M, L kosten 3490 und das Maßfertigungspaket kostet 500 Euro. Dann wird der Rahmen nicht aus dem Regal genommen, sondern von 0 weg ganz neu gebaut.

formfaktor: Das „Made in Austria“ ist ein sehr wichtiger Faktor bei My Esel.

Ja, definitiv. Wir versuchen, wenn möglich, alles bei uns zu produzieren. Der Rahmen, die Aluteile kommen sogar aus Oberösterreich. Das ist wirklich cool, dass viele oberösterreichische Firmen mit viel Knowhow hier mitarbeiten. Es gibt aber auch Grenzen. Zum Beispiel Shimano gibt es bei uns einfach nicht. Beim Holz ist es so, dass es Mischholz aus der EU ist. Da ist natürlich hauptsächlich österreichisches Holz dabei, aber unser Zulieferer bekommt sein Holz aus vielen Kanälen, deshalb kann es sein, dass auch mal ein nicht-österreichisches Holz dabei ist.

formfaktor: Fahrradfahren wird im urbanen Bereich immer beliebter. Wie sehen Sie die Fahrradfreundlichkeit der österreichischen Städte?

Es ist nicht alles schlecht. Ich habe ja 10 Jahre in Wien gelebt, wo es viele Radwege gibt, wo das Radfahren aber trotzdem gefährlich ist. Hier in Traun zum Beispiel, einer kleinen Stadt, gibt es gar nicht so schlechte Radwege. Linz eignet sich gut für Radfahrer, obwohl es nicht sehr viele Radwege gibt, aber dort sind Rad-Highways geplant. Natürlich könnte man das seitens der Politik noch viel mehr forcieren, denn Radfahren ist nun mal die ökologischste Fortbewegungsart, tut dem Körper gut, man kann abschalten. Das macht wirklich sehr viel Sinn. Alles in allem gibt es da noch viel Potenzial.

formfaktor: Wie sehen die nächsten Pläne bei My Esel aus?

Christoph Fraundorfer: Wir wollen einfach noch bekannter werden. Wir haben ein sehr cooles Produktportfolio: von Spitzenrennrädern bis zu leichten E-Bikes mit komplett integrierten Systemen. Unsere Produkte haben Mehrwerte, wo andere nicht mitkönnen. Für uns ist wichtig, dass uns die Leute kennen und sagen: Ja, ein Holzrad nehme ich ernst. Ich möchte es ausprobieren, weil es einfach Qualitäten hat. Da müssen wir hin, dass Holz als Radmaterial glaubwürdiger wird. Deshalb sind die Rennräder so wichtig für uns. Bekanntheit müssen wir auch in Richtung Süddeutschland noch mehr aufbauen. Wir wollen gut wirtschaften und einfach eine coole regionale Marke sein.

 

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