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Mobilität im Wandel: Akzeptanz durch Digitalisierung

von Markus Schraml
Hongkong pixabay

Beim Thema umweltverträgliche Mobilität liegt der Fokus auf einem Wandel hin zur individuellen Fortbewegung in Elektro-Autos. Dass dieser Ansatz viel zu kurz greift, wissen Mobilitätsforscher und immer mehr auch andere gesellschaftliche Gruppen. Für eine zukunftsfähige Mobilität bedarf es systemischer Ansätze und ganzheitlicher Betrachtungen. Ganz in diesem Sinne wird in dem Perspektiven-Papier „Nachhaltig, Sicher & Digital“ des Austrian Institute of Technology (AIT) zur Zukunft der Mobilität für ein systemisches Zusammenspiel von Personenverkehr, Gütertransport und Verkehrsinfrastruktur plädiert. Konkret haben die Experten eine Reihe von Punkten erstellt, die auf dem Weg zu einem ganzheitlichen „Mobilitäts-Ökosystem“ zu berücksichtigen wären: Digitalisierung, Klimaverträglichkeit, Sicherheit, Zuverlässigkeit der Infrastruktur, Effizienz und Resilienz des Mobilitätssystems. In jedem Fall müsste der Mensch im Zentrum aller Überlegungen stehen, so die Autoren. Neue Technologien haben dabei großes Potenzial. Sie müssen jedoch so angewendet werden, dass sie für alle Menschen verfügbar sind und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.

Eine unbedingte Vorgabe für die Mobilität der Zukunft stellt der “Klimanotstand” dar. Die Forscher des „Center for Mobility Systems“ des AIT unter der Leitung von DI Arno Klamminger erkennen selbstverständlich den Nachholbedarf des Straßenverkehrs, der mit 28,8 % immer noch der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgas-Emissionen in Österreich ist. „Mobilität ist ein deutlicher Treiber des Klimawandels“, heißt es in den Ausführungen. Es sei möglich, mittels Elektromobilität und biogener Treibstoffe die Emissionen zu senken, aber für eine signifikante Veränderung sei eine umfassende Mobilitätswende notwendig. Dazu bräuchte es neue Organisationsformen von Mobilität und vor allem ein verändertes Mobilitätsverhalten jedes einzelnen Menschen. Deshalb lautet auch eine der vordringlichsten Forschungsfragen: „Wie kann es gelingen, ein möglichst klimaneutrales Mobilitätssystem zu schaffen?

Verbessern, verlagern, vermeiden

Zur Erreichung einer klimaneutralen Mobilität gibt es mehrere Ansätze. Zunächst kann die Effizienz gesteigert werden. Dieses Prinzip hat allerdings im Hinblick auf geringeren Kraftstoffverbrauch seine Grenzen. Ebenso kann die Effizienz im Lieferverkehr bis zu einem gewissen Grad erhöht werden. Maßnahmen zur Dekarbonisierung sind ebenfalls sinnvoll. Zum Beispiel durch Batterien oder Wasserstoff. Um hier CO2-Neutralität zu erreichen, geht es nicht nur um die Frage, wie wird der Wasserstoff produziert oder wie sieht der Strommix aus, mit dem der Akku geladen wird, es muss auch die gesamte Fahrzeug- und Antriebsproduktion mit berücksichtigt werden. Dass wir davon noch weit entfernt sind, ist nicht nur den Autoren des AIT klar. Das Umweltfreundlichste ist nach wir vor zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren. Danach folgt der Schienenverkehr. Maßnahmen wie die Verlagerung vom motorisierten Individualverkehr hin zu Shared-Lösungen müssen von einem entsprechenden Ausbau der Infrastruktur begleitet sein.  Angenommen in Zukunft gibt es sehr viel mehr Menschen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind oder zunehmend aktiv mobil sind (also gehen und Radfahren), dann bedeutet dies einschneidende sicherheitsrelevante bauliche Veränderungen. Um diese infrastrukturellen Maßnahmen umzusetzen, bedarf es Entscheidungsträger mit Rückgrat. Denn unpopuläre Entscheidungen werden unumgänglich sein. Hoffnung darauf, dass diese Hürden nicht ganz so hoch sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen, liegt in einem völlig anderen Lebensstil einer jungen Generation, die schon jetzt auf das Statussymbol Auto pfeift und lieber Dinge in der digitalen Welt teilt und liked. Dennoch bleibt der entscheidende Knackpunkt in der Mobilitätswende – das Suffizienz-Prinzip, also der möglichst geringe Rohstoff- und Energieverbrauch. Eine dementsprechende Lebensweise beinhaltet auch eine Änderung des Mobilitätsverhaltens und stellt einen tiefen Einschnitt in die Gewohnheiten der Menschen dar. „Ein individuelles Mobilitätskonto zum Beispiel könnte für jede Person die maximal verträgliche Menge an Emissionen anzeigen, die in einem gewissen Zeitraum verbraucht werden dürfen“, wird im Bericht des AIT vorgeschlagen. Die damit verbundenen Freiheitseinschränkungen für die Menschen, werden nicht thematisiert. Dass die Digitalisierung und neue technologische Anwendungen auch in puncto Akzeptanz hilfreich sein können, beweist etwa der Einsatz von Virtual Reality, die viele Reisen vor allem im Geschäftsbereich überflüssig machen würde. Schon heute ist es möglich, dass Personen, die sich an weit voneinander entfernten Orten befinden, gemeinsam an einem Projekt arbeiten – virtuelle Welt sei Dank. In der Automobilindustrie wird VR vor allem zur realitätsnahen Simulation bereits vielfach eingesetzt.

Die Forscher des „Center for Mobility Systems“ am AIT sehen in der Digitalisierung den maßgeblichen Treiber eines Wandels in der Mobilität. Big-Data-Analysen, KI, Machine Learning, V2X (Kommunikation von Fahrzeugen untereinander), Impact Assessment (Wirkungsanalysen) oder Flottenoptimierung steigern die Möglichkeiten der vorausschauenden Planung und die Effizienz. Für automatisiertes und autonomes Fahren werden die Datenerfassung und Echtzeit-Datenverarbeitung sogar von entscheidender Bedeutung sein. Auch im Bereich einer zuverlässigen, zukunftsfähigen Transportinfrastruktur wird die Digitalisierung eine wichtige Rolle spielen. Etwa beim Thema Predictive Maintenance (vorausschauende Wartungs- und Erhaltungsmaßnahmen): Echtzeit-Monitoring von Bauwerken, minimalinvasive oder berührungslose Prüfmethoden in Verbindung mit Prognosemodellen. Im Bereich der Straßenzustandserfassung ermöglichen neue technologische Lösungen umfassende Datenerhebungen und -analysen. Mobile Hochleistungsmessfahrzeuge erfassen in einer einzigen Überfahrt alle relevanten Zustandsparameter der Straßenoberfläche und Objekte im Straßenraum. Diese datengetriebenen Entwicklungen werfen Fragen nach der Datensicherheit auf. Wie werden vor allem die persönlichen Daten der Menschen verwendet und verwaltet? Und auch hier sei es die Wissenschaft, die Lösungen bereithält und die Sorge eines „gläsernen Menschen“ vertreiben könne. Jedenfalls müssen ganzheitliche Mobilitätsansätze dieses Thema mit berücksichtigen.

Die Menschen mögen keine Veränderungen. Alles soll so bleiben, wie es ist. Andererseits heißt es, die einzige Konstante ist Veränderung. Soll sich das Mobilitätsverhalten ändern, muss sich gleichzeitig die Einstellung der Menschen ändern. Es ist aber durchaus möglich, die individuelle Freiheit beim Joggen im Wald zu finden und nicht auf dem asphaltierten Pflaster. Gesünder ist es allemal. Individualität und Freiheit auf einen Blechkasten mit vier Rädern zu reduzieren, sollte für vernunftbegabte Menschen obsolet sein. Mobilität an sich wird auch in Zukunft positiv besetzt sein – wie wir in der physischen Welt von A nach B kommen, kann und muss allerdings völlig anders aussehen.


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