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Norman Foster, ein Lord der grünen Architektur

von Markus Schraml
Millau Viadukt, Norman Foster

Seine Karriere spannt sich über sechs Jahrzehnte, seine Bauwerke sind nichts weniger als außergewöhnlich und seine Innovationskraft enorm. Normen Foster, Lord Foster of Thames Bank, gründete sein eigenes Büro im Jahr 1967 und hat seitdem einen nachhaltigen Ansatz in der Gestaltung der gebauten Umwelt verfolgt. Über den passionierten Fahrrad- und Skifahrer sowie Piloten ist bei TASCHEN eine zweibändige (1064 Seiten) Monografie erschienen, die Fosters Werk erstmals in diesem Umfang versammelt. Alles, was Sie je über Norman Foster wissen wollten, ist in diesen beiden voluminösen Bänden nachzulesen. Vor allem deswegen, weil der Architekt selbst intensiv zu Wort kommt. In acht Essays gibt er detailliert Auskunft über die Hintergründe seiner Bauwerke und seiner Designphilosophie. Fosters Arbeit als Architekt, aber auch als Designer folgt dabei drei Mantras, wie er sie selbst nennt: Wie sieht es aus? Wie funktioniert es? Wie wird es hergestellt?

Foster wuchs im industriellen Manchester auf. Ein Ort, an dem Fabrikschornsteine rauchten und kaum ein Fleckchen grün zu sehen war. Gleichzeitig gehörten zu Fosters stärksten Teenagererinnerungen die Wochenendausflüge in die Natur. Der Architekt spricht sogar von einer Fixierung auf die Natur und schreibt: „Auf einer Zeichnung kann es sich um einen Himmel mit Sonnenstrahlen handeln, die durch Dachfenster herabstrahlen und einen Innenraum mit natürlichem Licht durchfluten. Es kann der Grundriss eines Gebäudes sein, bei dem die Wände abgewinkelt sind, um den Nachbarn abzuschirmen und sich auf die Landschaft zu konzentrieren, um das Gefühl zu erzeugen, allein mit der Natur zu sein. Es kann die Schaffung eines Gartens mit Bäumen im Herzen eines Hochhauses sein.“

Das grüne Architekturbüro

Norman Foster erwähnt in einem seiner Essays den Beginn der „Grünen Bewegung“ in den 1960er-Jahren, dessen zeitliche Entwicklung mit dem des Architekturbüros Forster + Partners (zu Beginn Foster Associates) korrelieren würde. Die wachsende Bedeutung der Öko-Bewegung hat im Lauf der Jahrzehnte auch zu Umweltbewertungen im Bauwesen geführt – wie zum Beispiel dem amerikanischen LEED-System oder dem britischen BREEAM. Es gibt eine Vielzahl ähnlicher Systeme rund um den Globus. In Österreich ist es das TQB 2010 der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, in Deutschland das DGNB-Siegel und in der Schweiz der Minergie-Baustandard.

„Der jüngste Trend besteht darin, über die ökologische Gesundheit eines Gebäudes hinauszugehen und das Wohlergehen seiner Bewohner zu berücksichtigen, was zur Einführung von Bewertungen wie WELL geführt hat. Allerdings herrscht unter Kollegen das Bewusstsein, dass keine dieser Bewertungen in ihrem Umfang weit genug geht, um den Herausforderungen unserer Zeit wirklich gerecht zu werden. Sie müssen beispielsweise den eingebetteten Kohlenstoff der bei ihrer Konstruktion verwendeten Materialien berücksichtigen und den Zusammenhang zwischen Gebäuden und der Infrastruktur erkennen, die sie miteinander verbindet. Diese beiden Komponenten machen 55 % der Treibhausgasemissionen aus. Vielleicht sollte es eine Auszeichnung für Projekte geben, die weitergehen …“, meint Foster.

Der deutsche Reichstag als Publikumsmagnet

Norman Foster verfolgt einen holistischen Ansatz, bei dem soziale und technologische Innovationen gleichwertig sind. „Der Reichstag, das neue Parlament für das wiedervereinte Deutschland, ist ein typisches Beispiel dafür“, schreibt er. „Es war ein internationaler Wettbewerb, den wir 1992 gewonnen haben. Denken Sie an die Kuppel, die einen verspiegelten Kegel umschließt, dessen Oberseite eine öffentliche Aussichtsplattform bildet. Der Ehrgeiz, einen demokratischen Raum zu schaffen, der die Öffentlichkeit symbolisch über die Politiker stellt, die ihr gegenüber verantwortlich sind, hatte den Effekt, einen Sightseeing-Magneten zu erschaffen, von dem aus man das Panorama Berlins genießen kann. Tatsächlich zog es seit seiner Eröffnung im Jahr 1999 44 Millionen Besucher an, was es mit großem Abstand zum meistbesuchten Parlament der Welt macht“, erzählt Foster. Dass es in der realen Welt leider meist bei der Symbolik bleibt, sei dahingestellt.

Das Streben nach Vereinfachung

Der britische Architekt vergleicht ein sehr frühes Werk, den Bau einer kleinen Fabrik für das Elektronikunternehmen Reliance Controls, mit dem Apple Park, der Jahrzehnte später entstand. „In Projekten wie Apple Park würde ich die minimalistischen Tugenden hervorheben, die darin bestehen, die Versorgungsinstallationen durch den subtilen Einbau von Rohrleitungen mit kleinem Durchmesser in die Struktur des Gebäudes integriert zu haben – inklusive natürlicher Belüftung. Zwischen diesen beiden Projekten besteht eine große Lücke – nicht nur in Bezug auf die Zeit, sondern auch auf das Budget und den Grad der Ausgereiftheit. Reliance Controls war äußerst kostengünstig und seine Klimatisierungssysteme hatten Schwierigkeiten, die Spitzenlast im Sommer zu bewältigen. Im Nachhinein kann ich jedoch Wurzeln und Kontinuität über mehr als 50 Jahre hinweg erkennen. Bei Apple wie bei Reliance findet sich ein radikales Streben nach Vereinfachung – der systemische Ansatz löst Komplexität mit einer minimalen Anzahl von Materialien auf und maximiert deren Nutzung durch Wiederholung“, erläutert Foster.

Innovationen des Hochhauses

In Fosters Werk überschneiden sich stets soziale und ökologische Innovationen – auch in den Hochhäusern, die der britische Architekt von 1979 an (mit dem Hauptsitz der Hongkong and Shanghai Bank) entwickelt hat. „Die Hongkong Bank war der erste Turm, der das Konzept des zentralen Kerns infrage stellte … Durch die Schaffung einer Hängekonstruktion außerhalb der Bodenplatten und eine Verschiebung der Aufzüge, Treppenhäuser und Badezimmer an die schmalen Ränder des Grundrisses war es möglich, im gesamten Gebäude durchgängige, loftartige Räume zu schaffen.“ In ökologischer Hinsicht wurde bei diesem Hochhaus ein Verschattungssystem eingerichtet, das von der kolonialen Architektur inspiriert war und für die Klimaanlage sowie die Toilettenspülung wurde Meerwasser verwendet.

Natürliche Luftzirkulation

Eine Reihe von Bürotürmen, die dem Hongkong Bank-Turm folgten, profitierten von einem hohen Maß an kontrollierter natürlicher Belüftung. Ein Vorreiter in dieser Hinsicht war die Commerzbank-Zentrale (1997) in Frankfurt. „Mit natürlicher Belüftung und spiralförmig um ein zentrales Atrium verlaufenden Innengärten etablierte das Gebäude ein neues Modell als erster ökologischer Büroturm. Wie die Empfangsbereiche in doppelter Höhe, die die Büroetagen der Hongkong and Shanghai Bank durchbrechen, durchstoßen die Gärten der Commerzbank die Höhe des 53-stöckigen Gebäudes und schaffen damit das soziale Äquivalent von Dörfern im Himmel.“

Weitere Fortschritte in der Konstruktion von Hochhäusern kamen im Hearst Tower (2006) zur Anwendung. Dort wurden 20 % weniger Stahl und 85 % recycelter Stahl eingesetzt. Auch weil das Gebäude 20 % weniger Energie als vergleichbare Bauwerke verbrauchte, erhielt es als erstes Bürohaus in Manhattan eine Gold-Bewertung des US Green Building Councils LEED-Programms (später auf Platin hochgestuft). Um ökologische Bauweisen voranzutreiben, ist immer auch die Einstellung der Bauherren von Bedeutung. Ein Beispiel ist Mike Bloomberg: Die Bloomberg-Zentrale (2017) in London sollte die höchsten Umweltstandards erfüllen. „Unser gemeinsamer Wille, den gesündesten Arbeitsplatz zu schaffen, führte zu einem hohen Maß an natürlicher Belüftung mit kontrollierter Temperatur über die Jahreszeiten hinweg. Bis dahin waren unsere Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Bereich auf relativ kleine Räume beschränkt. Unsere Forschung führte zur Erfindung neuer Systeme und leistete Pionierarbeit bei der Luftbewegung vom Gebäuderand hin zu einem zentralen Atrium über große Distanzen“, schreibt Foster.

Neben anderen Innovationen verfügt die Bloomberg-Zentrale über ein Vakuum-Entwässerungssystem für die Badezimmer, wie es normalerweise nur in Flugzeugen zum Einsatz kommt. Das führt zu einer Einsparung von 80 % Wasser. Das restliche wird auf dem Dach gesammelt und recycelt. Aufgrund der vielen Energiesparmaßnahmen erhielt das Bauwerk die höchste Nachhaltigkeitsbewertung seiner Art – 98 % auf der BREEAM-Skala.

Herzstück Umwelt

Dass die Umwelt in Bezug auf das Bauen ein zentrales Thema ist, erkannte Norman Foster bereits sehr früh. „Als Gestalter fühle ich mich durch Wissen gestärkt. Ich bin unersättlich neugierig darauf, wie Dinge funktionieren und wie sie hergestellt werden. Ein guter Zuhörer zu sein, ist ein wesentlicher Bestandteil, wenn man einen Gestaltungsprozess leitet. Wenn beispielsweise die Schlüsselpersonen, die für das Struktur- und Umweltsystem verantwortlich sind, schon früh im Prozess einen Beitrag leisten können, wird letztlich das Design von diesem Wissen in entscheidenden Augenblicken profitieren … Es ist kein Zufall, dass in den Anfangsjahren von Foster Associates der Umweltingenieur Loren Butt der erste Partner nach den Gründern war. Zweifellos ist dieser Ansatz das Herzstück im Erreichen von gestalterischen Innovationen.“

Architektur und Kunst

Obwohl Norman Foster in seinen Essays immer wieder die ökologischen Errungenschaften seines Büros betont, sind diese jedoch im Zusammenhang mit ästhetischen Leistungen zu sehen. In beiden Gesichtspunkten komme es auf die Zusammenarbeit an – auch mit anderen Disziplinen: „Ich bin schon seit Langem davon überzeugt, dass die Architektur von der Integration anderer Fähigkeiten profitieren kann – idealerweise von Anfang an. Die Argumente für die Technik liegen auf der Hand, denn irgendwann müssen Entscheidungen quantifiziert und berechnet werden, um den Kräften der Natur standzuhalten – das ist die rationale und objektive Welt. Aber wenn wir entwerfen, sind viele Entscheidungen im kreativen Prozess subjektiv – es handelt sich um Werturteile. Daher ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass ich glaube, dass die Kraft der Architektur durch die Einbeziehung von Kunst und Künstlern, durch Werte und Werke, die sich rationaler Erklärung entziehen und eher abstrakter Natur sind, gestärkt werden kann.“

Das Nützliche und das Schöne

Neben dem Pritzker-Preis 1999 hat Norman Foster die Goldmedaille für Architektur des American Institute of Architects, die Royal Gold Medal für Architektur und die Goldmedaille der französischen Académie royale d’architecture erhalten. Trotz der intensiven ökologischen Ausrichtung vieler seiner Projekte ist Foster im Kern immer auf der Suche nach der ästhetischen Dimension. Es ist ein Streben nach Überraschung und Schönheit, das ihn antreibt und letztendlich die Ergebnisse so elegant und mühelos erscheinen lässt, dass es die Geister derjenigen erhebt, die seine Gebäude benutzen dürfen.

Norman Foster hat jede Seite dieses Buches entworfen und viele Stunden mit dem Autor und dem Grafikdesigner verbracht, um daraus eines der bemerkenswertesten Architekturbücher zu machen, die jemals veröffentlicht wurden. © TASCHEN

Norman Foster, Philip Jodidio, Hardcover, 2 Bände im Schuber, 30,8 x 39 cm, 9,74 kg, 1064 S., englisch, Verlag: TASCHEN

Auch erhältlich als Art Edition, limitiert auf 300 Exemplare mit einem signierten Kunstdruck, einer Zeichnung Norman Fosters und einem maßgefertigten, zum Buchständer aufklappbaren Schuber.

Autor Philip Jodidio im Interview mit Norman Foster.

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